Es ist ein Morgen der vielen Erinnerungen. Die bayerische Landtagspräsidentin Barbara Stamm (72) lud spontan zu sich nach Hause nach Würzburg ein, um mit Bruno Gold (69) aus Veitshöchheim und Hans-Jürgen „Joe“ Döll-Kade (58) aus Karlstadt über 30 Jahre „Fastnacht in Franken“ zu sprechen.
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Der Musiker und der Sänger, früher Gebrüder Narr, heute Parodis, sind die beiden einzigen Akteure, die in allen Sendungen seit der Premiere 1987 in Lichtenfels vor der Kamera gestanden haben. Bei der Jubiläumssitzung am 17. Februar in den Veitshöchheimer Mainfrankensälen werden sich die beiden mit den Parodis von der Narrenbühne verabschieden. Zu den Gebrüdern Narr hat Barbara Stamm eine enge Beziehung, nicht nur weil die Sänger mit ihrem Lied vom „blauen Klääd“ der Landtagspräsidentin in den 90er Jahren eine Hymne geschrieben haben. Sie verbindet die Freude an der Fasenacht. Ein Gespräch über blaue Nächte, das Wesen der Fastnacht und die Vergänglichkeit.
Bruno Gold: Wo sind die 30 Jahre nur hingekommen?
Barbara Stamm: Ja, wo sind sie hin? Mensch, was waren das für schöne Zeiten früher.
Frau Stamm, Sie gelten als größter Fan von „Fastnacht in Franken“. Waren Sie als Zuschauerin immer im Saal dabei?
Stamm: Nein, in Veitshöchheim habe ich zweimal gefehlt. Einmal war ich nach einer Hüft-Operation auf Reha. Bruno, weißt Du noch, da habt Ihr meiner Tochter Sissi ein paar blaue Krücken überreicht.
Gold: Klar, weiß ich das noch.
Stamm: Und 2011 war am gleichen Tag ein Trauerakt für bayerische Soldaten, die in Afghanistan gefallen waren. Da ist es selbstverständlich, sich nicht am Abend in eine Fastnachtssitzung zu setzen.
Herr Gold, Herr Döll, Sie sind die einzigen Künstler, die bei allen bislang 29 Ausgaben auf der Bühne gestanden haben. Wahrscheinlich ist es auch für Akteure nicht immer leicht, vor die Kamera zu treten.
Gold: Es ist schwer zu erklären: Ich denke oft an die Gesundheit. Gesund zu sein ist das Wichtigste. Man will sich keine Grippe, keinen Infekt einfangen. Die Stimme muss ja funktionieren. In den Wochen vor der Sendung wird das immer schlimmer: Du horchst in deinen Körper und manchmal spürst du etwas, was gar nicht da ist. Das kostet mehr Nerven als der Auftritt selbst.
Was bedeutet der Fasching für Euch?
Hans-Jürgen Döll-Kade: Soll ich ehrlich sein? Ich war bestimmt schon auf 300 oder 400 Prunksitzungen, aber bei keiner freiwillig. Ich habe immer Musik gemacht, war erst der Begleiter der Gebrüder Narr, von den Hainis und bin nun Teil der Parodis. Ich will nicht sagen, dass ich das als Job sehe, aber ich bin bis heute in keinem Karnevalsverein. Aber ich mache das gerne, und vielleicht macht mir die Narretei deshalb so viel Freude, weil ich in der Fastnacht nicht organisiert bin.
Gold: Ich bin auch nicht in einem Faschingsverein, aber bei mir war es etwas anders. Ich habe schon immer für den Fasching gelebt. Schon mit 14, 15 Jahren bin ich in meiner Heimatgemeinde Karlburg aufgetreten und hat sich dann mit dem Karlstadter Singkreis fortgesetzt. Als ich 1978 geheiratet habe, war an einem Donnerstag der Polterabend, Freitag war dann Prunksitzung in Karlstadt. Da haben wir mit den Hainis immer die Schlussnummer gemacht, das ging oft bis früh, und am Samstag um 11 Uhr war die kirchliche Trauung in Veitshöchheim. Ich habe ihn schon geliebt, den Fasching.
Döll und Gold erzählen von den Anfängen in den 70er Jahren in Karlstadt und davon, wie sie seit 1978 als Gebrüder Narr – oder „Bachsänger“, wie sie in Karlstadt hießen, mit Frack und Zylinder die Fastnachtsbühnen der Region bereicherten. 1987 war die Gruppe dann in Lichtenfels bei der Premiere von „Fastnacht in Franken“ dabei.
Der frühere Sitzungspräsident Detlev Wagenthaler, ebenfalls Karlstadter, hatte sie mit nach Nürnberg zu einer Tagung des Fränkischen Fastnacht-Verbandes genommen, bei der die Karschter mit ihrem trockenen Humor, den schrägen Gesichtern und ihrer Mischung aus Wort und Gesang überzeugten. Winfried Hain, Kopf der Gruppe, schreibt heute noch die Texte für die Parodis. Der Kaffee im Wintergarten wird fast kalt, weil sich eine Anekdote an die andere reiht.
Stamm: Bei der zweiten Ausgabe 1998, der ersten aus Veitshöchheim, war ich dann schon als Zuschauerin dabei. Es waren ja nicht viele Politiker damals anwesend: Wolfgang Bötsch, Renate Schmidt und ich. Da war ja klar, wen ihr auf dem Kieker gehabt habt. Ob ich damals schon ein blaues Kleid angehabt habe, weiß ich nicht.
Gold: Der Winfried hat damit begonnen und irgendwann mal so etwas gesagt wie: ,Frau Stamm, das ist ein schönes blaues Kleid, des hat mei Fraa a, nur in Grün.“
Stamm: Und Du hast mal gesagt, das Kleid wird jedes Jahr immer schöner – und breiter.
Gold (lacht): Der Text wurde mir vorgegeben.
Mit dem Wechsel von den Gebrüdern Narr zu den Parodis 2008 ist die Gruppe musiklastiger geworden.
Gold: Ja, das wollten wir so, auch weil die Wortbeiträge in der Sitzung zugenommen haben.
Döll-Kade: Solche Vorträge wie die der Gebrüder Narr wären heutzutage kaum mehr möglich. Wir haben die Witze ja über vier Stationen entwickelt. Es hat bei uns immer gedauert, bis das Ganze in einer Pointe kulminiert ist. Das geht nicht mehr. Die Leute haben keine Geduld mehr, Gags müssen zack-zack kommen.
Wie kam es zu dieser engen Verbindung zwischen Barbara Stamm und den Gebrüdern Narr?
Stamm: Wir waren nach den Sitzungen oft noch zusammengesessen. Früher war ja kaum jemand dabei, alles war überschaubar.
Gold: Was mich freut, ist, dass dieser harte Kern bis heute zusammen ist.
Stamm: Ja, oft endet der Abend im Morgengrauen beim Bäcker Weber in Veitshöchheim. Weißt Du noch, Bruno, beim Jubiläum vor fünf Jahren? Da waren wir dann noch zum Weißwurstfrühstück bei mir. Oh Gott, war da die Bude voll. Und dann hat der Winfried noch einen italienischen Schinken ausgepackt.
Gold: Barbara, Du bist die einzige Politikerin, die richtig dazugehört. Die anderen sind halt da.
Die große Popularität der Sendung nutzen heute viele Politiker als ihre Bühne.
Stamm: Irgendwann hat es geheißen, dass man sich als Gast verkleiden muss. Ich glaube, das Fernsehen wollte das so. Heute ist es ja das reinste Schaulaufen.
Gold: Mit dem Markus Söder an erster Stelle. Der könnte sich übrigens mal ein bisschen auf die Sendung einlassen und sollte nicht so viel während der Sitzung auf seinem Smartphone rumwischen.
Stamm: Richtig eingeführt hat die Verkleidungen Günther Beckstein, das muss man ihm lassen. Er und seine Marga hatten immer tolle Ideen, und Söder und die anderen eifern ihm nach.
Ihr habt das ja immer nebenberuflich gemacht. Sie, Herr Döll, haben eine Musikschule, und Sie . . .
Gold: Der Winfried hat immer gesagt, ich sei Hausfrauenbeglücker im Schonwaschgang, weil ich für einen Haushaltsgerätehersteller im Kundendienst unterwegs war.
Wie ist das mit dem Bekanntheitsgrad?
Gold: Man wurde schon immer angesprochen von der Kundschaft. Sogar beim Spaziergehen in Südtirol wurde ich erkannt. Das zeigt, wie viele Leute die Sendung doch schauen.
Stamm: Du hast dich ja auch in die Herzen der Menschen gesungen.
Bei Ihnen, Herr Döll, wurde die Musikschule gestürmt?
Döll: Nein, das kann man so nicht sagen. Ich war ja als Klavierspieler auch meistens in der zweiten Reihe.
Gab es irgendwann mal die Idee, die Auftritte zum Beruf zu machen?
Döll-Kade: So wie Michl Müller oder Sebastian Reich das machen, das wäre für uns undenkbar gewesen. Jeder von uns war in seinem Beruf eingebunden.
Gold: Ich fand das auch schön so, wie es war. Die Bühne ist ein harter Job. Wir mussten nicht, wir durften. Das ist ein feiner Unterschied.
Winfried Hain (80) war der Kopf der Karschter Gruppe. Er schrieb die Texte und führte bereits ab 1972 den Singkreis Karlstadt zu Erfolgen. In einem Interview mit dieser Redaktion hat der frühere Direktor der Eisenwerke Düker einmal gesagt: „Wer einmal Erfolg bekommen hat, wird süchtig.“ Über die Verbindung zu Barbara Stamm sagte er einmal: „Barbara Stamm ist durch uns richtig bekannt geworden, wie auch wir groß wurden mit der Frau Stamm.“ Neben Hain, Gold, Döll-Kade komplettierten Oskar Amersbach und Horst Schmucker die legendäre Männercombo.
Was war das Besondere an den Gebrüdern Narr?
Stamm: Sie waren witzig, spritzig und die Leute waren gespannt darauf, was sie sich haben einfallen lassen. Ich selbst habe auch gebibbert, ich habe ja nichts gewusst. Es war einfach schön, und vor allem: Sie waren nie beleidigend.
Wann ist der Entschluss gereift, aufzuhören?
Gold: Jetzt sind ja wieder zehn Jahre vorbei. Ich werde heuer 70, irgendwann reicht es. Jetzt sollen mal Jüngere ran. Die anderen aus der Truppe sind ja jünger, die können ja weitermachen.
Döll-Kade: Aber ohne so einen Frontmann wie dich wird?s natürlich schwierig. Früher war alles auch ein bisschen lockerer. Da hat der Winfried manchmal am Tag vor der Sendung noch dreimal den Text geändert. Heute undenkbar. Der Aufwand ist schon groß. In zwölf Minuten Auftrittszeit stecken 15 bis 20 Wochen Probe.
Gold: Ich habe immer gedacht, dass die drei B?s gemeinsam aufhören: die Barbara, Bernhard Schlereth, der Fastnachtspräsident, und ich.
Döll-Kade: Da beißt Du Dir bei der Barbara aber die Zähne aus.
Stamm: Naja, in mir arbeitet das schon auch, so ist das nicht.
Was war der Höhepunkt in den 30 Jahren?
Gold: Natürlich unser Auftritt als Clochards mit dem Lied über das blaue Klääd. Da sprechen die Leute heute noch drüber.
Stamm: Ja, das ist der Wahnsinn. Zu mir sagen sie immer: ,Na, liegt das blaue Klääd schon bereit?‘ Wenn ich Einladungen zu Empfängen oder Ehrungen erhalte, steht oft dabei, dass ich doch bitte im blauen Kleid erscheinen soll.
Ja, ja. Das berühmte blaue Klääd ist fast zu einer Art Synonym für die Prunksitzung geworden. Die Gebrüder Narr machten jährlich neue Anspielungen auf das Kleid von Barbara Stamm und widmeten dem Kleidungsstück irgendwann auch ein eigenes Lied. Viele Geschichten ranken sich um das bekannteste Kleidungsstück der Sendung.
Hat das nie genervt?
Stamm: Komischerweise nicht. Ich bekam auch Anfragen, ob ich für einen guten Zweck nicht etwas Blaues aus meinem Kleiderschrank für eine Versteigerung spenden könnte. Das habe ich sogar ab und an gemacht.
Gold: Was auch schön war, war die blaue Nacht im Hofkeller. Das war dein 60. Geburtstag, da mussten alle in blauen Kleidern kommen.
Stamm (lacht): Ja, jeder war blau.
Schauen Sie sich die Sendung am nächsten Tag nochmal als Aufzeichnung an?
Döll-Kade: Noch am selben Tag. Ich gehe meistens bald nach Hause, weil ich neugierig bin. Man bekommt ja hinter den Kulissen und auf der Bühne nicht alles mit. Der beste Platz ist tatsächlich auf dem Sofa, denn die Sendung wird ja fürs Fernsehen gemacht. Auch bei den Proben bekommen wir nicht alles mit. Meine Lieblinge, den Oti Schmelzer oder den Peter Kuhn, die schaue ich mir nachts in aller Ruhe an.
Gold: Gell, Barbara, da haben wir keine Zeit dazu.
Wie schaut man sich den eigenen Auftritt an?
Döll-Kade: Ich bin Musiker. Ich schaue mir unseren Auftritt nicht an, ich höre ihn mir an. Es soll gut klingen, das ist mir das Wichtigste. Wie werden wir verstanden, wie ist der Gesamteindruck? Und dann schenke ich mir ein Gläschen ein, denn es ist schon ein großer Druck, der da von einem abfällt.
Die Runde im Wintergarten schwelgt weiter in Erinnerungen, und Barbara Stamm geht jetzt doch in den Weinkeller und holt einen Fastnachtsschoppen, einen Würzburger Silvaner im Bocksbeutel. Auf 30 Jahre Fastnacht muss angestoßen werden, und wenn es nur ein Schlückchen ist. Schließlich gibt es in diesem Jahr noch mehr Jubiläen zu feiern: Vor 25 Jahren gab der Schweinfurter Büttenredner Peter Kuhn sein Debüt bei „Fastnacht in Franken“.
Vor 20 Jahren kamen dann die Fürther Volker Heißmann und Martin Rassau als „Waltraud & Mariechen“ das erste Mal nach Veitshöchheim. Vor zehn Jahren schließlich erhielt Michl Müller aus dem Bad Kissinger Stadtteil Garitz seine Feuertaufe auf der größten Fernsehbühne, die das Bayerische Fernsehen zu bieten hat. Prösterchen.
Stamm: Wir müssen schauen, dass wir das Fränkische in der Sitzung beibehalten. Was ich toll finde, ist die Entwicklung beim Nachwuchs. Die Jugendsendung ,Wehe wenn wir losgelassen' zeigt, welche tollen jungen Leute wir haben. Oder schauen Sie sich die Garden an. Was da an ehrenamtlicher Kinder- und Jugendarbeit geleistet wird, das kann man überhaupt nicht hoch genug einschätzen. Es ist um diese Sendung so viel entstanden, was für unsere Gesellschaft wichtig ist.
Gold: Die Amateure gehören zum Fasching dazu. Es können nicht nur Profis auftreten, die siehst Du das ganze Jahr.
Döll-Kade: Es gab ja schon mehrmals die Diskussion, ob die Sendung in die ARD wechseln soll.
Und?
Stamm: Der Intendant vom WDR sagt mir dauernd, wann bekommen wir die Sendung im Hauptprogramm? Ich antworte immer: Nie!
Döll-Kade: Wenn das so wäre, würde sie ihren Charakter verlieren. Das Fränkische müssten nivelliert werden, das wäre nicht gut.
Wir haben viel zurückgeblickt. Aber was wird die Zukunft bringen? Wie sieht die Sendung in zehn Jahren aus?
Gold: Die Altneihauser Feierwehr, der Michl, der Sebastian Reich und auch der Volker Heißmann und Martin Rassau, die sind noch jung, die können schon noch ein bisschen weitermachen. Sie werden das Gerüst bleiben, aber es wird sich auch Neues entwickeln.
Stamm: Ich wünsche mir, dass die Sendung nie ihren Charakter verlieren wird. Das Fränkische, das Familiäre muss erhalten bleiben, man darf sich nicht zu sehr dem Zeitgeist anpassen. Und ich hoffe, dass die Akteure nicht ihre Wurzeln verlieren.
Döll-Kade: Ich hoffe auch, dass es nicht zu professionell wird und auch die einfachen Leute zu Wort kommen.
Es ist eine der entscheidenden Fragen: Bietet „Fastnacht in Franken“ noch Raum für Kokolores, für Amateure, die einmal aus aufbrechen von ihren Dorfbühnen nach Veitshöchheim ins Fernsehen? Die drei sind sich einig, dass das so sein muss.
Frau Stamm, liegt für den 17. Februar das blaue Klääd schon bereit?
Stamm: Beim Jubiläum von Fastnacht in Franken geht es ja gar nicht anders. Meine Tochter Sissi wird sich da schon was Schönes einfallen lassen.
Wird Wehmut aufkommen?
Gold: Wir nehmen auf jeden Fall mal ein paar Taschentücher mit. Denn wenn der letzte Ton verklungen ist, dann war?s das.
"Viel schöner"!