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Würzburg
Kommentar: Barbara Stamm war viel mehr als das soziale Gewissen ihrer Partei
Ihr ganzes Leben wollte Barbara Stamm Teilhabe und Inklusion aus den Sonntagsreden in den Alltag holen. Doch ihr Name steht noch für sehr viel mehr. 
Ihr ganzes politisches Leben lang machte sich Barbara Stamm für schwache und für Menschen  mit Handicap stark.  Hier beim Staatsempfang 60 Jahre Lebenshilfe im Garten der Würzburger Residenz. 
Foto: Silvia Gralla | Ihr ganzes politisches Leben lang machte sich Barbara Stamm für schwache und für Menschen  mit Handicap stark.  Hier beim Staatsempfang 60 Jahre Lebenshilfe im Garten der Würzburger Residenz. 
Folker Quack
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:40 Uhr

Es wird wohl kein Nachruf zum Tod von Barbara Stamm erscheinen, in dem sie nicht als "soziales Gewissen" der CSU bezeichnet wird. Und in der Tat hat wohl kaum eine andere Politikerin, kaum ein anderer Politiker so viel Wärme in die bayerische Politik gebracht, wie die gelernte Erzieherin aus Würzburg. Doch sie war viel mehr. Denn Barbara Stamm wusste genau, dass ihr Engagement für die Schwachen auch als Feigenblatt missbraucht werden konnte. Nach dem Motto, wozu eine engagierte Sozialpolitik, wir haben doch die Barbara Stamm. Genau das wusste sie zu verhindern. Denn Barbara Stamm war in erster Linie eine außerordentlich kluge und taktisch versierte Politikerin und Strippenzieherin. 

Menschlichkeit in der Politik

Ihre Fähigkeiten nutzte sie geschickt, um sich für Menschen mit Handicap, wie sie sie stets liebevoll nannte (das Wort Behinderung mochte sie nicht sonderlich) einzusetzen. Aber nicht nur für sie. Barbara Stamm war eine harte Vorkämpferin für die Frauen in der männerdominerten CSU. Und sie war bis zuletzt eine Kämpferin für ihre geliebte Heimatstadt Würzburg. Auch als sie kein Mandat mehr hatte, machte sie sich weiter für Projekte wie die Erweiterung der Uniklinik stark, nutzte ihre Kontakte und ihren nach wie vor großen Einfluss.    

Auch wenn sie gelegentlich mit der eigenen Partei haderte, sei es bei der Frauenquote, die sie stets befürwortete oder in der Flüchtlingspolitik. Sie hielt der CSU immer die Treue. Das christlich-soziale war ihre Mission: Ihr ging es um die Menschen, um mehr Menschlichkeit in der Politik und immer um die Sache. Da blieb sie hartnäckig und war bereit, den Granden ihrer eigenen Partei auf die Nerven zu gehen. "Bis an die psychische Belastungsgrenze", sagte Ministerpräsident Markus Söder kürzlich über sie.   

Barbara Stamm machte keine Sozialpolitik, um ihre Beliebtheit zu steigern, oder eben das soziale Gewissen ihrer Partei zu sein. Sie machte Sozialpolitik, weil sie – auch aus eigener Erfahrung – den Benachteiligten und vor allem den Menschen mit Behinderung schlicht helfen wollte, ihre Rechte auf Inklusion und Teilhabe aus den politischen Sonntagsreden in den gelebten Alltag zu holen.

Diplomatie und klare Worte

Ein mehrfach behindertes Kind, dem der Kostenträger die Assistenz für eine Ferienfreizeit versagt, die ertaubten Mädchen, die für den Kommunionsunterricht eine Gebärdensprachdolmetscherin brauchen, die Finanzierung eines Kinder-Palliativ-Teams für Unterfranken, der Corona-Rettungsschirm für Einrichtungen der Behindertenhilfe in Würzburg. In vielen Fällen setzte sich Barbara Stamm im Hintergrund ein, wägte genau ab, wann sie ein Thema öffentlich machte. So oder so hatte ihr Name ein großes Gewicht. 

Denn jeder wusste, wenn Barbara Stamm Menschen hilft, wenn sie sich für eine Sache einsetzt, dann gibt sie so schnell nicht auf. Dann hatte man sie an der Backe, dann konnte sie nerven und sie nervte. Ganz besonders, wenn sich Bürokratie gegen Menschen wendete, wenn Zuständigkeiten zwischen politischen Ebenen hin- und hergeschoben wurden, statt den Betroffenen zu helfen. Dann steigerte sich ihre Emotionalität bis zum Erbeben ihrer Stimme. Dann konnte die diplomatisch so geschickte Politikerin auch deftig fränkisch Tacheles reden.  

Menschen helfen, unter Menschen sein, das war Barbara Stamms Lebenselixier. Am Ende hat es der großen Kämpferin nicht mehr gereicht, um die eigene schwere Krankheit zu besiegen. 

 
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  • K. F.
    ja finde auch, unsere liebe Barbara war so etwas wie die "Mutter von Würzburg", wie einst unsere Angela "Mama von Berlin". Barbara Stamm war eine mutige, tapfere Frau, die so manchen auch mal auf die Zehen trat und ihre Meinung nicht hinter vorgehaltener Hand, sondern offen aussprach. Danke für alles liebe Frau Stamm, ruhe in Frieden!
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  • J. B.
    Wunderschöner , aber ehrlicher Kommentar! Danke, Folker.
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