Sie war über Jahrzehnte das "soziale Gewissen" der CSU. Die frühere bayerische Landtagspräsidentin Barbara Stamm aus Würzburg ist tot. Die CSU-Politikerin ist am frühen Mittwochmorgen im Alter von 77 Jahren in der Würzburger Uniklinik gestorben. Fast 15 Jahre lang kämpfte sie gegen ihre Krebserkrankung.
In ganz Unterfranken ist die Trauer groß, dies zeigen Beileidsbekundungen von verschiedensten sozialen und kirchlichen Einrichtungen und Verbänden. Parteiübergreifend wird ihr jahrzehntelanges politisches und soziales Wirken gewürdigt.
Die Würzburgerin saß mehr als 40 Jahre lang für die CSU im Landtag. Dabei war die gelernte Erzieherin stets Stimmenkönigin ihrer Partei. Denn sie hatte kein Direktmandat, sondern zog stets über die Liste in den Landtag ein.
Würzburgerin Barbara Stamm stand lange an der Spitze des Landtags
Viele Jahre war Stamm stellvertretende CSU-Vorsitzende, sie wurde Sozialministerin im Kabinett von Edmund Stoiber (CSU) und stand später ein Jahrzehnt lang als Präsidentin an der Spitze des Bayerischen Landtags. Ihre Nachfolgerin in diesem Amt, Ilse Aigner, sagte in einer ersten Stellungnahme: "Ich bin zutiefst getroffen von der Nachricht vom Tod meiner Amtsvorgängerin. Wir verlieren mit Barbara Stamm eine über alle Parteigrenzen beliebte und hochgeschätzte Politikerin, die sich jahrzehntelang vor allem für die Ärmeren und Schwächeren in unserer Gesellschaft einsetzte und ihnen eine Stimme gab."
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zeigt sich traurig und bestürzt. In einer Stellungnahme würdigt er die Verstorbene als "soziales Gewissen, Maßstab und Vorbild im Einsatz für die Mitmenschen". Stamm habe sich immer für die Belange der Bürgerinnen und Bürger stark gemacht, "ihr großes Herz gehörte den Familien und ganz besonders den Schwächsten in unserer Gesellschaft."
Er verneige sich vor ihrem Lebenswerk, so Söder, "sie wird mir als Ratgeberin und Mensch fehlen." Barbara Stamm sei die bedeutendste Politikerin im Freistaat und "Mutter Bayerns" gewesen. "Einmal von einer Sache überzeugt, konnte sie wie keine andere ihre Mitmenschen für sich gewinnen und für die gute Sache werben." Für Digitalministerin Judith Gerlach (CSU) aus Aschaffenburg war sie die "Personifizierung Unterfrankens, die wahre Mama Franconia".
Nach Tod von Barbara Stamm: Markus Söder ordnet Trauerbeflaggung in Bayern an
Zu Ehren von Barbara Stamm hat der Ministerpräsident für den Donnerstag sowie den Tag der Beisetzung die Trauerbeflaggung aller staatlichen Dienstgebäude im Freistaat angeordnet.
Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt sagte in einer ersten Stellungnahme, er sei auch persönlich tief betroffen: "Wir verlieren mit ihr eine große und Würzburg prägende Persönlichkeit, eine Konstante, die sich immer für ihre Heimatstadt und insbesondere für die Schwachen in der Gesellschaft stark gemacht hat. Ich persönlich verliere eine enge und vertraute Wegbegleiterin.“
Über 50 Jahre mit Ehemann Ludwig Stamm verheiratet – eines ihrer drei Kinder ist selbst in der Politik
Über 50 Jahre lang war Barbara Stamm mit ihrem Mann Ludwig verheiratet. Aus der Ehe gingen die drei Kinder Claudia (52), Thomas (48) und Sissi (42) hervor. Tochter Claudia saß von 2009 bis 2018 ebenfalls im Landtag – bis zu ihrem Parteiaustritt im März 2017 für die Grünen, danach fraktionslos. 2017 war Claudia Stamm Mitbegründerin der Kleinstpartei "mut".
Über Jahrzehnte als prägendes Gesicht der CSU in Unterfranken
Groß ist die Trauer auch in der unterfränkischen CSU. Bezirksvorsitzender Steffen Vogel spricht von einem "unglaublichen Verlust". Unterfranken verliere mit Barbara Stamm eine seiner großen Persönlichkeiten nach dem Krieg. Sie habe sich um alle Bevölkerungsgruppen gekümmert, dies erkläre ihre enorme Popularität.
Bei den Wahlen steuerte sie regelmäßig Rekord-Stimmenergebnisse für die Partei bei. Vogel: "Sie war 30 bis 40 Jahre lang das Gesicht der CSU in Unterfranken und bis zuletzt eine ganz wichtige Ratgeberin."
Barbara Stamm sprach offen über Krankheit und wollte anderen Krebs-Patienten Mut machen
Barbara Stamm sprach in den letzten Jahren offen über ihre Krebs-Erkrankung, so Ende Januar 2021 im Interview mit dieser Redaktion. Sie wollte damit auch anderen Patientinnen und Patienten Mut machen. Und sie setzte sich mit all ihren politischen Möglichkeiten für das Würzburger Uniklinikum ein – nicht nur als onkologisches Spitzenzentrum.
Entsprechend groß ist dort die Betroffenheit. Der Ärztliche Direktor Jens Maschmann in einer ersten Stellungnahme: "Ohne Barbara Stamm stünden wir heute gewiss nicht an dem Punkt der baulichen Modernisierung für das Würzburger Universitätsklinikum." Sie habe Brücken gebaut, wenn es nötig war. "Und sie hat mit großer Energie Entscheidungen herbeigeführt, wenn sie davon überzeugt war, dass die Zeit reif ist."
Einsatz für Uniklinikum und im Kampf gegen Krebs
Barbara Stamm war Ehrenpräsidentin der Stiftung "Forschung hilft" zur Förderung der Krebsforschung an der Universität Würzburg und unterstützte über viele Jahre den Verein "Hilfe im Kampf gegen Krebs". Ausgezeichnet wurde sie unter anderem mit dem Bayerischen Verdienstorden, dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse und der Bayerischen Verfassungsmedaille in Gold.
2008 – im Jahr ihrer Wahl zur Landtagspräsidentin – erhielt sie erstmals die Diagnose Brustkrebs. Wenn sie neben der medizinischen Versorgung ihr soziales Umfeld nicht gehabt hätte, "hätte ich das nicht so überstanden", sagte Stamm später. "Das war meine Kraftquelle." Die zweite Diagnose wurde 2018 gestellt, nach dem Ende ihrer 42-jährigen politischen Karriere.
Trotz ihrer Krankheit blieb sie bis zuletzt im öffentlichen Leben präsent. Erst Mitte Juli 2022 lud sie mit Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zu einem Staatsempfang in die Würzburger Residenz. Anlass war der 60. Geburtstag der Lebenshilfe in Bayern.
21 Jahre lang, bis zu ihrem Tod, war die Würzburgerin Landesvorsitzende des Verbandes, der sich für die Anliegen und Interessen von Menschen mit Behinderungen und ihren Familien in Bayern einsetzt. Auch hier herrscht große Betroffenheit: "Mit Barbara Stamm haben wir, hat die bayerische Lebenshilfe, einen wunderbaren Menschen verloren, der sich unermüdlich für die eingesetzt hat, die Hilfe brauchten."
Bischof Franz Jung würdigt Stamms christliche Überzeugung
Auch Würzburgs Bischof Franz Jung weist auf Stamms besondere Sensibilität für Benachteiligte hin: "Wir verlieren mit ihr eine Frau von großer Entschiedenheit, aber auch großer Willenskraft. Eine Frau, für die das C in CSU, die christliche Überzeugung nicht nur ein Wort war, sondern eine Lebenshaltung, gespeist aus ihrem eigenen Lebensweg", heißt es in einer Mitteilung. Jung hatte sie zuletzt noch am Krankenbett besucht.
Um seine Ehrenvorsitzende (seit 2015) trauert der Diözesan-Caritasverband, zuvor war Stamm 15 Jahre lang zweite Vorsitzende. Sie habe sich "ihrer Caritas" bis zum Schluss aufs Engste verbunden gefühlt, sagt Domkapitular Clemens Bieber. "Dass wir heute noch so viele kleine Einrichtungen in den Dörfern haben können, die das Leben dort mitprägen, ist Verdienst von Barbara Stamm." Dass ihre Kräfte nachließen, sei in den vergangenen Wochen sichtbar geworden. Bieber: "Sie hat sich über Jahre hinweg verausgabt und nicht geschont."
Ich bin mir ihrer Verdienste für die Landespolitik durchaus bewusst, frage mich aber trotzdem, ob bei fehlendem Staatsbegräbnis eine Trauerbeflaggung gerechtfertigt ist?
Mein Beileid der Familie!
Sie war eine bemerkenswerte Frau. Auch ich habe durch sie eine große Freude erfahren dürfen. Prägend für einen Lebensabschnitt. Sie musste politisch auch viel einstecken und kam immer wieder gestärkt zurück.
Das war bemerkenswert. Sie hatte wirklich immer ein offenes Ohr, für jeden. Wer dazwischen geredet hat, ist auch zurecht gewiesen worden. Man hat es ihr nie übel genommen, sondern gemerkt, ja, sie hat Prinzipien und Regeln an die sie sich hält, das aber im Gegenzug vom Gegenüber einfordert.Mit gutem Recht. Sie hat alles in allem eine tolle politische, soziale und vorallem menschliche Arbeit gemacht. Ich bin der Meinung, dass das teilweise auch wie eine Berufung war. Das hat sie voll & ganz ausgefüllt/erfüllt.
Liebe Frau Stamm, zeigen Sie den Herren und Damen im Himmel, dass Sie jetzt den Laden in die Spur bringen.
Ein Bayer im Himmel? Nein, eine Fränkin! 🇧🇭Frau Stamm machen Sie es gut RIP wir erinnern uns gerne an Sie
Ruhe in Frieden, Barbara Stamm und Gott mit Dir.
Sie wird der Politik fehlen. Möge sie in Frieden ruhen.
eine Nachricht, die mich tieftraurig macht. Wir kannten uns immerhin über 55 Jahre und als ich dich zuletzt getroffen habe, sprachen wir darüber, ob es für dich nicht auch mal Zeit wäre, etwas langsamer zu machen, kürzer zu treten. Deine Antwort war: "Wenn ich nix mehr mach und nix mehr sag, dann bin ich tot.".
Ich werde dich, deine Stimme, dein herzliches Lachen und auch deine weisen Worte vermissen... Wir sehen uns! ♥