"Robin Hood" in Sömmersdorf
Vielseitig, kreativ und wandelbar ist die Künstlerin Silvia Kirchhof. Sie leitet das Kleine Stadttheater Gerolzhofen, sie inszeniert als Regisseurin zahlreiche Stücke, sie steht selbst als Schauspielerin, Sängerin und Clownin auf der Bühne. Soeben ist sie für ihr kulturelles Schaffen mit dem Kulturpreis des Bezirks Unterfranken ausgezeichnet worden. Aktuell führt sie Regie beim Abenteuerstück "Robin Hood – eine Legende" auf der Freilichtbühne Sömmersdorf, das an den Wochenenden vom 23. Juli bis 6. August gespielt wird. Sie übernahm im Mai 2021 diese Aufgabe, nachdem die ursprünglich vorgesehenen Regisseure abgesagt hatten.
Silvia Kirchhof: Jedes Stück, jedes Ensemble und jeder Spielort fordern mich und meine Kreativität von neuem heraus. Ich lerne sehr gerne neue Menschen kennen, bin immer wieder neugierig und freue mich auf jeden wunderbaren Moment und jede Begegnung, die sich gerade durch die intensive Amateurtheaterarbeit entwickelt. Dabei ist der Sömmersdörfer Traditionsverein mit seiner langen Erfahrung eine große Unterstützung. So gerne ich auch selbst auf der Bühne stehe, so gerne gebe ich das, was ich selbst lernen durfte, an andere weiter. Und jede neue Bühne ist eine eigene Herausforderung. Sie bietet neue Möglichkeiten, aber auch Grenzen in der Gestaltung. Der besondere Reiz in Sömmersdorf ist die Größe der Bühne.
Kirchhof: Das ist an sich keine ungewöhnliche Situation. In der Regel liegt ja ein fertiges Bühnenstück vor, welches dann inszeniert wird. Es ist vielleicht für mein bisheriges Arbeiten mit einem Amateurtheater etwas Besonderes, da ich in den letzten Projekten die Stücke immer gemeinsam mit dem Schriftsteller Roman Rausch entwickelt habe. Bei Robin Hood lagen zusätzlich auch schon die Besetzung und das Bühnenbild vor. Aber hier habe ich der bisherigen Arbeit und Erfahrung gut vertrauen können. Natürlich sind durch vorab getätigte Entscheidungen Grenzen in der Inszenierung gesetzt. So hat ein abstraktes Bühnenbild andere Konsequenzen als ein naturalistisches. Aber damit kann ich gut umgehen. Die Inszenierung muss lediglich stimmig sein.
Kirchhof: Ich gehe bei einem Amateurtheater nicht mit einer starren Idee heran. Ich lasse zunächst einerseits die geschriebene Figur und andererseits die gegenwärtige Person auf mich wirken, betrachte sie ganz genau und entwickle aus dem Charakter der Figuren und der Persönlichkeit der Schauspieler die Rolle. Die Kunst liegt für mich schließlich darin, dass die Spielenden authentisch und glaubwürdig auf der Bühne stehen. Der größte Erfolg ist für mich, wenn man am Ende sagt: Die Besetzung war goldrichtig. Das bedeutet aber nicht, dass eine andere Rollenverteilung nicht auch hätte funktionieren können.
Kirchhof: Robin Hood ist eine große Erzählung, die wegen ihrer Aktualität bis heute lebendig ist. Die Frage nach dem Menschsein und dem Miteinander von arm und (einfluss-)reich wird sowohl hier als auch in der Passion behandelt. Auch eine Passion ist ja kein rein historischer Stoff. Durch das Spiel bekommt sie ihren Kontext in der Gegenwart. Und das gilt auch für die Geschichte von Robin Hood und seinen Kampf für Gerechtigkeit.
Kirchhof: Musik ist bei meinen Inszenierungen immer wichtig. Sie transportiert und verstärkt Gefühle und Stimmungen. Durch die Lieder werden einzelne Charakter und Archetypen besonders herausgearbeitet. Schön ist es, dass es auch bei dieser Inszenierung Livemusik mit sehr vielen neuen Kompositionen und Texten gibt. So bekommt das Stück neben einer gewissen Leichtigkeit zugleich mehr Tiefe und Inhalt.
Kirchhof: Hier bringe ich Erfahrungen aus meinen vorherigen Inszenierungen mit. Im "Robin Hood" liegt der Schwerpunkt der Filme auf dem Themenfeld der Kraft und Energie: Ein Pferd in Galopp, ein Falke im Flug und ein scharf abgeschossener Pfeil können so für die Zuschauer intensiver erlebbar gemacht werden. Es handelt sich bei den Filmsequenzen nicht nur um "Einspieler". Ich habe das so konzipiert, dass die Filme in das Bühnengeschehen einfließen und nahtlos übergehen. So sieht man die Spieler und die Tiere auf der Leinwand und im nächsten Augenblick erscheint der Protagonist auf der Bühne. Das ist spannend und teilweise auch sehr lustig.
Kirchhof: Kulturarbeit bedeutet für mich Vernetzung, Miteinander und Vielfalt. Ein Landkreis wie Schweinfurt verträgt sehr gut zwei Orte mit überregionalen Theaterprojekten. Nachdem ich 2021 mit dem Kleinen Stadttheater das Wandeltheater "Herr Vogel" auf die Bühne bringen konnte, hatte ich Raum für die Inszenierung von Robin Hood. Während die Sömmersdorfer zu mir nach Gerolzhofen ins Theater kamen, besuchen jetzt die Gerolzhöfer mit zwei Bussen Robin Hood. Und nach dem Stück heißt für mich immer vor dem Stück. Natürlich habe ich auch jetzt schon weitere Projekte rund um die Eröffnung des Theaterhauses in Gerolzhofen in Vorbereitung. Aber wie gesagt: Das alles ist eine Bereicherung für das kulturelle Leben im Landkreis Schweinfurt.