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München/Würzburg
Nach brisanter Recherche zu Wasserentnahmen in Unterfranken: Bayerisches Umweltministerium in Erklärungsnot
Ein Bericht des Umweltministeriums sollte Recherchen der Main-Post und des BR über Wissenslücken der Wasserbehörden widerlegen. Warum das misslang - und was geplant ist.
Nach den Berichten über Kontroll-Defizite bei den Wasserentnahmen in Unterfranken sollte das bayerische Umweltministerium für Aufklärung sorgen.
Foto: Peter Kneffel, Getty Images, Collage: Daniel Biscan | Nach den Berichten über Kontroll-Defizite bei den Wasserentnahmen in Unterfranken sollte das bayerische Umweltministerium für Aufklärung sorgen.
Angelika Kleinhenz
 und  Jonas Keck
 |  aktualisiert: 16.02.2024 08:05 Uhr

Seit neun Monaten steht die Antwort des bayerischen Umweltministeriums auf einen Antrag von CSU und Freien Wählern (FW) im Landtag aus. Das Ministerium sollte eine "umfassende Datenbasis" über Wasserentnahmen in Unterfranken schaffen, lautete die Forderung der Regierungsfraktionen. Ziel war, damit die Enthüllungen der gemeinsamen Recherche von Main-Post und Bayerischem Rundfunk (BR) über eklatante Defizite bei der Kontrolle der Wasserentnahmen zu widerlegen.

Jetzt liegt die Antwort vor: In einem siebenseitigen Bericht lässt das Ministerium von Umweltminister Thorsten Glauber (FW) die wichtigsten Fragen zwar weiter offen, verspricht aber Verbesserungen bei der Wasserentnahme-Praxis in Bayern.

Über ein halbes Jahr wurde im Umweltministerium an dem Bericht gearbeitet. Er sollte für Aufklärung über die Wissenslücken der bayerischen Wasserbehörden sorgen. Nachdem Main-Post und BR im Sommer 2023 offengelegt hatten, dass niemand den Überblick darüber hat, wie viel Wasser in Unterfranken tatsächlich aus der Natur entnommen wird, zweifelten CSU und Freie Wähler die Ergebnisse der Recherchen an. In ihrem Antrag im Landtag hieß es, Main-Post und BR hätten "die teilweise Unkenntnis der Behörden bei der Entnahme von Wasser in der Region Unterfranken unterstellt".

Daten aus mehr als 2000 Wasserrechtsbescheiden in Unterfranken ausgewertet

Dabei beruhten die brisanten Ergebnisse auf einer umfangreichen Recherche bei allen Landkreisen und kreisfreien Städten in Unterfranken. Ein Reporterteam hatte Daten aus mehr als 2000 Wasserrechtsbescheiden ausgewertet und dazu die Wasserwirtschaftsämter befragt. Ein Ergebnis: Den Ämtern fehlen grundlegende Daten, Personal und die digitale Infrastruktur, um Wasserentnahmen flächendeckend zu kontrollieren. 

Ein Beispiel: Bei mehr als der Hälfte der 1400 Grundwasser-Entnahmerechte im Jahr 2022 wussten die Behörden nicht, wie viel Wasser Industrie, Landwirtschaft, Weinbau, Vereine und Kommunen im Jahr zuvor tatsächlich abgepumpt hatten. Und das, obwohl die Grundwasserneubildung im trockenen Unterfranken seit 20 Jahren rückläufig ist.

Umweltministerium zu Datenabgleich: "Immenser, unverhältnismäßiger Aufwand"

Nun räumt das Ministerium in seinem bislang unveröffentlichten Bericht, der der Redaktion vorliegt, ein: Wasserwirtschaftsämter und Kreisverwaltungsbehörden haben ganz unterschiedliche Daten. Diese Abweichungen aufzulösen sei bei den etwa 2000 privatnützigen Entnahmerechten in Unterfranken mit einem "immensen, unverhältnismäßigen Aufwand" verbunden.

Denn die Daten "wären nur in händischer Recherche in den unterschiedlichen Behörden eruierbar". Dies "würde einen erheblichen Teil des Personalkörpers binden, der dann für wichtige Vollzugsaufgaben nicht mehr zur Verfügung stünde".

Der Umgang mit Wasser, das in Bayern auch zu wirtschaftlichen Zwecken immer noch gebührenfrei entnommen werden darf, beruhe "auf dem Grundsatz der Eigenverantwortung", so das Ministerium.  Kontrollen und Überwachung erfolgten deshalb "ausschließlich stichprobenartig und anlassbezogen".

SPD-Abgeordneter Halbleib: "Datenchaos" bei Wasserentnahmen bestätigt

Der SPD-Landtagsabgeordnete Volkmar Halbleib zeigt sich "ernüchtert": Die Antwort des Ministeriums bestätige "das Datenchaos zwischen Fach- und Vollzugsbehörden" bei den Wasserentnahmen. Er gehe davon aus, dass die einheitliche Datenbasis überall in Bayern fehle, sagt der SPD-Politiker aus Ochsenfurt: "Doch uns in Unterfranken trifft das aufgrund der sinkenden Grundwasserneubildung doppelt hart."

"Eine umfassende Datenbasis zu schaffen, die Klarheit bringen und die Ergebnisse der Presse widerlegen sollte, daran ist das Umweltministerium gescheitert", kommentiert der Würzburger Grünen-Landtagsabgeordnete Patrick Friedl. Schuld sei vor allem der Personalmangel in den Wasserwirtschaftsbehörden: "Die Ämter wurden an den Rand der Handlungsfähigkeit gespart."

Verbesserungen geplant: Digitales Wasserbuch und effektivere Kontrollen 

Doch das Umweltministerium kündigt in seinem Bericht jetzt auch Verbesserungen bei der Wasserentnahme-Praxis an: Für ganz Bayern soll ein digitales Wasserbuch eingeführt werden. Außerdem sollen tatsächlich entnommene Wassermengen in Zukunft effizienter ermittelt und effektiver kontrolliert werden. Dafür sei die Bergtheimer Mulde im Landkreis Würzburg als Pilotregion ausgewählt worden: Dort sollen künftig alle Daten über relevante Wasserentnahmen, Grundwasserpegel und Oberflächenabflüsse mithilfe von Funkzählern digital erfasst werden.

Und wie beurteilt das Umweltministerium den Vorwurf der "Unterstellung", den CSU und FW im Landtag geäußert hatten, jetzt, nachdem der Bericht vorliegt? Als Antwort heißt es dazu nur: "Es ist nicht Aufgabe der Staatsregierung, die jeweiligen Antragsbegründungen zu bewerten."

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  • Stefan Wolz
    Dann versuchen wir es doch einfach mal pragmatisch so lange bis uns in unserem verkopften und burokratisierten System die 200 % Lösung einfällt... In den Wintermonaten ist jeder Bauer in der Bergtheimer Mulde verpflichtet so viel Wasser wie er im Sommer verbraucht, durch Mainwasserentnahme oder Regenwassergewinnung an seiner Scheune, auf seine Felder auszubringen, damit es den Winter über dort versickert. Die Kosten dafür trägt er selbst dafür ist das Wasser im Sommer kostenfrei, mit er dann ja sein Geld verdient.
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  • Bernd Schuhmann
    Was fördern kostet Geld . Ca 0,30€ pro m2 .

    Betriebswirtschaftlich fördert keiner der Bauern mehr als für das optimale Wachstum notwendig !
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  • Unser Trinkwasser wird immer weniger und immer teurer, während einige wenige unkontrolliert für ihre Interessen Wasser entnehmen dürfen. Und da will uns das Wasserwirtschaftsamt erzählen, wenn sie das kontrollieren, hätten sie keine Zeit mehr für offenbar wichtigere Aufgaben? Was bitte ist wichtiger als unser Trinkwasser?
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  • Hermann Spitznagel
    Bei dieser ganzen Wasserdiskussion bin gespannt wie lange es noch dauert bis man zur Einsicht kommt, dass der Verzicht auf den Trinkwasserspeicher im Hafenlohrtal ein nicht reparabler Fehler war.
    Aber Alle schauen ja nach vorne.
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  • Johannes Metzger
    Es dürfen keineswegs neue Mainwasserentnahmeprojekte (schon gar keine sündhaft teueren Wasserleitungen für Weinreben ins mainferne Iphofen) aufgelegt werden, bevor keine flächendeckende Transparenz hergestellt ist. Dass die bayrische Staatsregierung das, gerade für Unterfranken so wichtige Thema Wasser über Jahre nicht angegangen ist, ist mehr als peinlich.
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  • Martin Deeg
    Die CSU sollte sich glücklich schätzen, dass die Medien in anderen Bereichen - immer noch nicht - die Motivation und den Ehrgeiz haben, die Überforderung, Inkompetenz, Lustlosigkeit und Arroganz der CSU-Ministerien und der ihnen nachgeordneten Behörden wie hier zu entlarven und transparent zu machen!

    Oder glaubt irgendjemand, in anderen Bereichen gäbe es nicht vergleichbare Fehlleistungen?

    Täuschung und Bagatellisierung bei gleichzeitiger z.T. kindischer Verantwortungsabwehr - "der Habeck ist schuld" - ist DIE Kernkompetenz der CSU, siehe Blume-Interview.....
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  • Dietmar Eberth
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  • Ralf Eberhardt
    Das Thema Wasser ist bisher schlicht nicht mit der Priorität 1 versehen gewesen. Wer dafür verantwortlich ist, ist mittlerweile interessant zu diskutieren, aber wichtiger ist, diese "Zustände" zu ändern (übrigens wohl nicht nur in Bayern.....).
    Was für einen Sinn machen Genehmigungen, wenn diese nicht kontrolliert werden (können)? Neben der Aufsichtsverantwortung der Behörden für die Kontrolle der Wasserentnahme sehe ich zusätzlich die dringende Aufgabe, den "Wasserstand" permanent im Auge zu behalten. Erste Schritte sind dort gemacht, aber ein offizielles und funktionierendes System fehlt. Gottseidank hat/haben die Main-Post und ihre Redakteurin/e hier den Ball ins Rollen gebracht und am laufen gehalten.....
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  • Armin Genser
    Vielen Dank für die akribische Recherche der Mainpost und des BR. Der Aufschrei aus dem Landtag (Eck, ...) ging nach hinten los. Zeigt doch der Ministeriumsbericht, dass die Einschätzung der anstehenden Wasserprobleme und die Datenlage katastrophal ist. Da es diesbezüglich schon seit langem sehr reichlich Ankündigungen (Wassercent, anderer Umgang mit Niederschlagswasser usw.) aus München, ohne ernsthaften Umsetzungswillen gibt, wird es weiterhin nötig sein, "die Finger in die Wunde zu legen". Danke auch an die Menschen, die sich in ihrer Freizeit für das Thema Wasser engagieren und den Ball ins Rollen gebracht haben. Mein Dank geht auch an unsere Landtagsabgeordneten Halbleib, Celina u. Friedel, die sich seit langer Zeit des Themas annehmen.
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  • Renate Häusler
    Unfassbar! Die Behörde hat die Aufgabe unser Wasser zu verwalten und dies zu kontrollieren. Wenn sie diese Aufgabe nicht nachkommt muss dies Konsequenzen haben. Kein Nachtisch für den Minister und für die Beamten!
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  • Walter Seubert
    Wie lange war denn dieses Ministerium in CSU Hand, war da nicht auch einmal ein Herr Söder der Chef. Den Glauber erwischt es jetzt halt aber vor ihm haben das Generationen von CSU-Ministern verbockt.
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  • Martin Deeg
    ...."Denn die Daten "wären nur in händischer Recherche in den unterschiedlichen Behörden eruierbar". Dies "würde einen erheblichen Teil des Personalkörpers binden, der dann für wichtige Vollzugsaufgaben nicht mehr zur Verfügung stünde"....

    Welche "wichtigen Vollzugsaufgaben" könnten denn wichtiger sein?
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  • Bruno Kühnlein
    Das heißt dann wohl, wir hübschen ein bisschen auf. Aber es geht trotzdem weiter so. Dass Eigenverantwortung nicht klappt, ist doch offensichtlich.
    Liebe Reporter: dranbleiben!!
    Im Sinne aller.
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  • Kerstin Celina
    Der Bericht der CSU/ FW Regierung an den Landtag ist lückenhaft wie ein Schweizer Käse und zeigt noch deutlicher als je zuvor, wie wichtig und richtig die eigene Recherche der Medien war. Die Staatsregierung und das Landratsamt haben trotz vieler Hinweise in den Jahren zuvor den Schutz des Grundwassers für die Allgemeinjeit hinter wirtschaftliche Interessen einzelner gestellt. Damit muss nun endlich Schluss sein. Mehr Regenwasser im Winter sammeln und versickern lassen, um es im Sommer nutzen zu können, muss oberste Priorität haben.
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