Würzburg wird wohl im August eine Top-Einkaufsadresse verlieren, Schweinfurt hat sie schon verloren: Aus für Galeria Kaufhof in den beiden Städten. Was geschieht jetzt mit den frei werdenden Immobilien und wie verkraften die Innenstädte den Verlust der Filialen des Warenhauskonzerns?
Viel beachtet ist das Hanauer Modell: Die hessische Stadt kaufte nach der Galeria-Schließung im Januar kurzerhand das Gebäude, um seine Zukunft selbst in die Hand zu nehmen. Für Würzburg und Schweinfurt aber wäre das nicht ideal, meint Johannes Berentzen. Der 44-Jährige ist Geschäftsführer der BBE Handelsberatung GmbH in München, einem Tochterunternehmen des bayerischen Handelsverbandes HBE.
Berentzen berät bundesweit Kommunen. Im Interview spricht er über die Sogwirkung und was die Schließungen für das Einkaufsverhalten der Menschen in den Innenstädten bedeutet.
Johannes Berentzen: Die Schließung eines Warenhauses ist immer eine große Herausforderung für die Stadt und den umliegenden Einzelhandel. Solche Warenhäuser sind nicht mehr die Frequenzbringer wie in den 1980er Jahren, als man sich am Wochenende noch schick machte und Ausflüge dorthin unternahm. Dennoch ist es wichtig, jetzt eine Nachnutzung zu finden.
Berentzen: Ja, solche Folgewirkungen kann es geben. Es hängt sehr stark davon ab, wie gut und wie schnell das Nachnutzungskonzept umgesetzt wird. Eine solche Schließung setzt den verbleibenden Einzelhandel dann unter Druck, wenn die Nachnutzung vier, fünf oder mehr Jahre dauert. Wenn eine Innenstadt eine hässliche Zahnlücke hat, dann kann das Gesicht noch so hübsch sein – es bleibt entstellt. Schwierig ist es auch, wenn mit der Schließung eines Kaufhauses zum Beispiel eine Tiefgarage wegfällt.
Berentzen: Bei der Folgenutzung muss man immer beachten, welchen Anteil der Handel daran noch hat. Bei vielen Nachnutzungen spricht man von Mischkonzepten. Das heißt, da kommen dann neben Handel noch Hotels, Co-Working-Räume, Ärzte, Dienstleister oder Wohnungen in den Obergeschossen hinzu. Von diesem Mix ist abhängig, wie groß der Bedarf an Parkplätzen ist. Ich plädiere gerne für Mischnutzung, weil das Vorhaben aus Investorensicht auf breitere Beine gestellt wird.
Berentzen: Es gibt kein Patentrezept. Auch nicht für die Fälle mit Fußgängerzone oder eigenem Parkhaus. Ein Bürgermeister muss sich sehr genau die Lage anschauen und die Frage beantworten, was seine Stadt noch braucht. Dann müssen die richtigen Partner an einen Tisch: Das sind neben den Eigentümern die potenziellen Nachnutzer. Es geht auch darum: Wen muss man ansprechen, um die Nachfolgenutzung zu finanzieren? Mein Rat an die beiden Oberbürgermeister: Werden Sie aktiv, versetzen Sie sich in die Aktion – nicht in die Reaktion.
Berentzen: Das ist erst mal eine schöne romantische Vorstellung. Vielleicht ist so etwas dann möglich, wenn man mit Blick auf die städtische Entwicklung vergünstigte Mieten für solche Geschäfte anbietet. Allerdings haben die Kunden in den vergangenen Jahren mit dem Mausklick abgestimmt, wo sie ihre Waren beschaffen. Das hat auch gezeigt, dass die Kunden zugunsten günstiger Preise auf Beratung verzichten. Das Abwandern der Fachgeschäfte aus den Innenstädten ist ja deswegen so verbreitet. Hinzu kommt, dass die Innenstadtmieten so hoch sind, dass sich die kleinen Läden das gar nicht mehr leisten können. Was ich mir vorstellen könnte, ist, dass Filialisten mit kleinformatigen Geschäften kommen. Auch die Gastronomie spielt eine Rolle, weil sie im Moment verlorengegangene Flächen in den Innenstädten wieder zurückholt. Das könnte ich mir für Würzburg und Schweinfurt auch vorstellen.
Berentzen: Es fällt mir schwer, das als Blaupause zu sehen. Hanau hat 65 Millionen Euro investiert. 25 Millionen für die Immobilie und 40 Millionen für das Drumherum. So etwas muss eine Kommune erst mal stemmen können. Bemerkenswert ist, dass Hanau hier sehr langfristig denkt. Was es für so etwas braucht, sind feste Zuständigkeiten wie etwa Citymanager und weniger Diskussionen von Politikern, die ein Warenhaus schon lange nicht mehr von innen gesehen haben. Das Modell Hanau ist zudem immer nur die zweitbeste Lösung. Als Erstes sollte man schauen, ob es in der freien Wirtschaft Interessenten gibt für eine Nachnutzung.
Berentzen: Ich bin grundsätzlich Optimist. Wir werden in fünf, zehn oder sogar hundert Jahren immer noch sehr attraktiven Einzelhandel in den Städten haben. Egal, welche Umfrage man sich anschaut, das Ergebnis ist immer gleich: Das Hauptmotiv für einen Innenstadtbesuch ist der Einkaufsbummel. Die Kunden suchen dort das, was sie online nicht bekommen, also irgendeine Form von Erlebnis.
Berentzen: Das kann ein guter Service sein, eine sehr gut kuratierte Warenauswahl oder im Fashiongeschäft eine Modeschau. Oder im Möbelgeschäft ein Workshop, wie man alte Möbel wieder herrichtet. Es wird uns in den nächsten Jahren sehr stark beschäftigen, wie gut die Verknüpfung von Online mit Offline gelingt. Denn es geht darum, wie sehr die Ladenfläche Online-Umsätze ermöglicht – zum Beispiel dadurch, dass sich Leute dort über die sozialen Medien in Szene setzen können.
Berentzen: Die Lebendigkeit dieser Innenstädte wird stark davon abhängen, wie gut das Zusammenspiel von Handel, Kommune und Immobilienwirtschaft funktioniert. Je kleiner die Stadt ist, desto mehr muss da aus der Händlerschaft etwas kommen. Die Kommune hat eine entscheidende Rolle bei so etwas wie den Genehmigungen. Dazu müssen Partner kommen, die etwas von Handel und Nachnutzung verstehen. Nicht jeder Politiker ist der geborene Handelsmanager.
Berentzen: Die Antwort ist leider nicht befriedigend, denn im Schnitt dauert so etwas ab der Schließung vier bis fünf Jahre. Wenn wenig umgebaut werden muss, dann sind mir Fälle von unter einem Jahr bekannt. Es gibt allerdings auch Leerstände ehemaliger Warenhausimmobilien von 15 Jahren und länger.
Berentzen: Die Indexmieten sind ein großes Thema geworden. Eine Indexmiete steigt mit der Inflation. Da Deutschland 15 Jahre lang fast null Inflation hatte, konnte man die Indexmiete schlicht und einfach vergessen. Das hat den Vermieter geärgert und den Händler nicht interessiert. Als zuletzt die Mieten über die Inflation dann doch stark gestiegen sind, hat das plötzlich alle interessiert. Der Handel hat nun ein dreifaches Problem: gestiegene Mieten, hohe Kosten bei Personal und Energie sowie nach Corona eine Kaufzurückhaltung der Kunden zum Beispiel bei langlebigen Konsumgütern wie großen Möbeln oder Küchen. Wir beobachten auch in guten Lagen eine Mietreduzierung. Man muss sich langfristig darauf einstellen, dass die Händler insbesondere die indizierten Mieten nicht mehr zahlen können. Es kann nicht sein, dass man es der höchsten Miete überlässt, wie Leerstand wieder besetzt wird.
"Aktion statt Reaktion". Zunächst festzustellen, inwieweit eine zuverlässige Reduzierung des Mietzinses möglich ist. Dann zugkräftige Filialisten andernorts finden, die über neue, wie bereits erfolgreich praktizierte Erlebniswelten Kaufkraft generieren. Eventuell könnten hier gute Kontakte über den Deutschen Städtetag weiterhelfen.
Da gäbe es längst für den Kaufhof-Nachfolger ein Angebot mit einer vernünftigen Miete.
Statt dessen soll der Steuerzahler jetzt ein springen.
https://www.northdata.de/BBE+Holding+GmbH,+M%C3%BCnchen/HRB+3136
Details sind zu finden bei bundesanzeiger.de