
"Wie ticken die Menschen, die die Nachfolge von Christian Schuchardt antreten wollen?"
– das wollten am Dienstag die Besucherinnen und Besucher der Wahlarena der Main-Post zur Oberbürgermeister-Wahl am 4. Mai in Würzburg wissen. Rund 1200 Menschen hatten sich auf den Weg ins Vogel Convention Center gemacht, das bis auf den letzten Platz gefüllt war.
An Stehtischen stellten sich Martin Heilig (Grüne), Judith Roth-Jörg (CSU), Eva von Vietinghoff-Scheel (SPD) und Claudia Stamm (parteilos) den Fragen des Main-Post-Moderatoren-Teams. Um die drei Kandidatinnen und den Kandidaten auch von einer persönlicheren Seite kennenzulernen, wechselten sich verschiedene Frage-Formate ab: Mal wurden die Kandidierenden gesammelt, mal einzeln zu Sachthemen befragt; für privatere Einblicke gab es separate "Couch"-Gespräche.

Kandidierende stellten sich gegenseitig vor
Zu Beginn sollten sich die Kandidierenden gegenseitig vorstellen: Während Martin Heilig Judith Roth-Jörg als "sehr mutig und engagiert, nimmt kein Blatt vor den Mund" lobte, präsentierte Eva von Vietinghoff-Scheel Heilig als jemanden, den sie "sehr schätzt". Roth-Jörg räumte ein, Claudia Stamm nicht "so doll gut zu kennen", konnte aber einige ihrer politischen Stationen aufzählen. Vietinghoff-Scheel wurde von Stamm als ehemalige Vorständin des Kommunalunternehmens des Landkreises Würzburg, Juristin und Mutter von zwei Kindern, "die in einer Mühle mit ganz vielen Tieren wohnt" eingeführt.
Die Sachthemen hatte das Moderatoren-Team der Main-Post in drei Blöcke aufgeteilt. Der Frage "Wem gehört die Stadt?" folgten Diskussionen zur Dauerbaustelle Mainfranken Theater und der Straßenbahnlinie 6 ans Hubland; abschließend wurde über die geplante Multifunktionsarena debattiert. Mehr über die wichtigsten Aussagen der Kandidierenden zu diesen Themen erfahren Sie in einem weiteren Artikel zur Wahlarena.

Wenig Kontroversen, dafür häufiger Abgleich mit der Realität
Inhaltlich gab es wenig Kontroversen: Heilig als amtierender zweiter Bürgermeister und Roth-Jörg als amtierende dritte Bürgermeisterin waren klar im Vorteil, wenn es um Fakten, Zahlen und politische Entscheidungen in der Stadt ging. Vietinghoff-Scheel und Stamm, bisher nicht in Würzburgs Kommunalpolitik involviert, brachten mit ihrem Blick von außen neue Vorschläge ins Spiel.
Für den Abgleich mit der Realität sorgten immer wieder Heilig und Roth-Jörg. Die Forderung von Vietinghoff-Scheel, die Begrünung der Stadt weiter voranzutreiben, kommentierte Heilig mit seinen Erfahrungen: So seien etwa Baumpflanzungen in der Semmelstraße nicht zustande gekommen, weil dafür neu verlegte Leitungen hätten weichen müssen.

Als Stamm ihre Vision von einem viel stärker öffentlich genutzten Hofgarten präsentierte, wies Roth-Jörg darauf hin, dass die Einschränkungen, was Änderungen rund um das Weltkulturerbe Residenz angingen, sehr stark seien. Seit fünf Jahren wolle man einen barrierefreien Weg zur Residenz errichten, doch selbst das erlaube die UNESCO nicht.
Einsichtigkeit beim Thema Mainfranken Theater
Bei der intimeren Frage-Runde auf der "Couch" machte Claudia Stamm den Anfang: Im Gespräch mit Main-Post-Redakteur Thomas Fritz erfuhr man, dass sie in der Zellerau aufgewachsen ist, in ihrer Familie ein "wahnsinnig gutes und sicheres Wertekonstrukt" mitbekommen habe und Ehrlichkeit für sie an oberster Stelle stehe. Deswegen sei sie auch parteifrei, "wenn ich es mir leicht gemacht hätte, wäre ich in die CSU eingetreten", so die 54-Jährige als Anspielung an ihre 2022 verstorbene Mutter Barbara Stamm (CSU), ehemalige Landtagspräsidentin. Die Mutter von zwei Töchtern ist Witwe und lebt in Würzburg mit ihrem Vater in einer WG.
Anschließend stellte sich Vietinghoff-Scheel der Frage, ob sie auch ohne den Konflikt mit Landrat Thomas Eberth und den Verlust ihrer bisherigen Stelle zur OB-Wahl angetreten wäre. "Ich probiere gern Sachen, wenn es sich richtig anfühlt", so die 44-Jährige. Bei der SPD, in die sie nach ihrer Nominierung zu deren OB-Kandidatin eingetreten war, fühle sie sich "gut aufgehoben. Mein Herz schlägt etwas links".

Online-Auftritt von Roth-Jörg zeige nur "die Oberfläche"
Beim "Couch"-Gespräch mit Judith Roth-Jörg war ihre Präsenz in den sozialen Netzwerken Thema: Sie gebe Einblicke in ihre Küche, den Kleiderschrank und verrate den Kosenamen für ihren Mann. "Was ist für Sie noch privat?", fragte Moderator Fritz. Was man online von ihr sehe, sei "nur die Oberfläche", so die 49-Jährige. "Es geht auch um Reichweite", räumte sie ein, politische Posts interessierten die Nutzer viel weniger als Posts, in denen sie sich nahbar zeige. Sollte sie OB werden, würde sie sich aber auf das Amt konzentrieren.
Nach einer Pause wollte Moderatorin Manuela Göbel von Stamm wissen, was ihre Motivation für die Bewerbung um das Amt des OB sei – schließlich lebe sie seit 26 Jahren nicht mehr in Würzburg. Stamm betonte, dass sie immer mit der Stadt in Kontakt geblieben sei. "Ich komme mit einem Blick von außen, bin aber hier verwurzelt", das sei ihr Vorteil. Andere hielten sie für befähigt, das Amt des OB zu bekleiden, deswegen sei die Kandidatur für sie naheliegend.

Beim "Couch"-Gespräch mit Martin Heilig wurde deutlich, dass dieser Persönliches gern für sich behält. Dass er Vater von fünf Söhnen ist, bezeichnete der 49-Jährige mit einem Augenzwinkern als "Qualifikation für das Amt des OB". Falls er nicht gewählt werden sollte, könne er sich vorstellen, weiter zweiter Bürgermeister zu sein. "Ich führe mein Amt sehr engagiert aus und liebe diesen Job."
Roth-Jörg habe im Stadtrat oft fraktionsübergreifend Projekte umgesetzt
Der Kandidatin der CSU werde Roth-Jörg nachgesagt, dass sie "stark zwischen Freund und Feind unterscheide", so Moderator Torsten Schleicher. Als Bürgermeisterin müsse sie jedoch mit allen Parteien zusammenarbeiten. "Ich habe Beziehungen in alle Fraktionen hinein", betonte Roth-Jörg. Sie habe im Stadtrat oft fraktionsübergreifend Projekte umgesetzt und sei offen für die Anträge anderer.

Die letzte Runde der "Couch"-Gespräche ging an Vietinghoff-Scheel: Das Publikum erfuhr, woher ihr Name kommt, "das ist uralter Adel", und dass ihr voller adeliger Name so lang ist, "dass man damit online keinen Flug buchen kann". Die Begriffe "Haltung", "Handeln" und "Herz" auf ihren Wahlplakaten charakterisierten sie gut, so die 44-Jährige. Besonders wichtig sei ihr, zuzuhören – dies wolle sie auch als Politikerin beibehalten.
Nach gut zwei Stunden ging die Wahlarena mit einer kreativen Aufgabe zu Ende. Auf einer Tafel sollten die vier Kandidaten ihre Visionen für "Würzburg in 50 Jahren" zeichnen. Auch hier herrschte Einigkeit: erneuerbare Energien, viel Grün, Wasser – und natürlich ein Schoppen Frankenwein waren die einhelligen Zukunftswünsche.