zurück
Würzburg
Der lange Weg zu Würzburgs neuer Fußgängerzone
Jahrzehntelang fuhren hier Autos. Jetzt ist die Fußgängerzone in Eichhorn- und Spiegelstraße komplett fertig. Mit dem Ende der Bauarbeiten gibt es eine Überraschung.
Flanieren und Einkaufen: Mit der jetzt bis auf ein paar Restarbeiten fertiggestellten autofreien Eichhorn- und Spiegelstraße wächst die Würzburger Fußgängerzone um 7500 Quadratmeter. Am Dienstag wird sie offiziell übergeben. 
Foto: Daniel Peter | Flanieren und Einkaufen: Mit der jetzt bis auf ein paar Restarbeiten fertiggestellten autofreien Eichhorn- und Spiegelstraße wächst die Würzburger Fußgängerzone um 7500 Quadratmeter.
Holger Welsch
 |  aktualisiert: 16.12.2021 11:49 Uhr

Kein städtebauliches Großprojekt wird wohl so oft mit Füßen getreten: Nach sechs Jahren ist die Fußgängerzone Eichhorn-/Spiegelstraße fertig. Am kommenden Dienstag um 12 Uhr wird sie offiziell übergeben. "Ein kleines Bürgerfest" hat dazu der städtische Projektleiter Holger Döllein angekündigt - mit Ständen für's leibliche Wohl und mit Informationen, unter anderem der Archäologen, die jeden Quadratzentimeter des 7500 Quadratmeter großen Fußgängerzonen Areals auf historische Funde durchforsteten. Für die Flanier- und Einkaufsmeile gibt's viel Lob, aber auch Kritik.

So war's vorher. Tagtäglich parkten noch Autos oder fuhren durch die Eichhornstraße in die Tiergarage unter dem Martktplatz. 
Foto: Thomas Obermeier | So war's vorher. Tagtäglich parkten noch Autos oder fuhren durch die Eichhornstraße in die Tiergarage unter dem Martktplatz. 

"Schön ist die Fußgängerzone geworden. Man kann sich kaum mehr vorstellen, wie's vorher  war", sagt Döllein. Rund 5000 Autos waren täglich in Eichhorn- und Spiegelstraße unterwegs, um einen der 30 Parkplätze zu ergattern oder um in die Marktgarage zu fahren. Dass die Eichhornstraße autofreiwerden könnte, hatte sich mit dem Verkauf des HypoVereinsbank-Hauses an der Ecke oberer Markt/Eichhornstraße angekündigt. Das Areal erwarb 2011 die Unternehmerfamilie Freier (s.Oliver), um das Bankgebäude durch das Geschäftshaus "Hof Emeringen" zu ersetzen. Sie ermöglichte 2013 die Verlegung der Marktgaragenzufahrt in die Martinstraßeunter "Hof Emeringen" hindurch - quasi der Startschuss zur Fußgängerzone.  

Das Ende der Fußgängerzone ist grün

Die Idee, die Eichhornstraße autofrei zu gestalten, resultiert nicht zuletzt aus dem geplatzten Arcaden-Projekt am Bahnhof. Nach Ablehnung des Einkaufszentrums per Bürgerentscheidsollte die Innenstadt attraktiver werden. Dazu zählt auch der Entscheid von 2014, die Spiegelstraße ebenfalls in eine Fußgängerzone umzuwandeln.  Das begrüßte seinerzeit auch der Einzelhandel - in der Erwartung, dass am Fußgängerzonen-Abschluss Kardinal-Faulhaber-Platz "Einkaufsmagnete" entstehen, die die potenzielle Kundschaft durch Eichhorn- und Spiegelstraße dorthin ziehen. Bekanntlich kam alles anders: Statt Shopping-Angebote gibt's am Faulhaber-Platz einen grünen Park.  

Symbolhafte Straßenschilder: die Eichhörnchen im Pflaster. 
Foto: Regina Urbon | Symbolhafte Straßenschilder: die Eichhörnchen im Pflaster. 

"Diesen Park hätten wir lieber mit einer Tiefgarage drunter gehabt", sagt Joachim Drescher, Sprecher von "Würzburgs neue Mitte - Die Eichhörnchen". Aber die Geschäftsleute würden das Beste aus der Situation machen und sich weiter für ein attraktives Einkaufserlebnis einsetzen. Die Interessengemeinschaft "Die Eichhörnchen" mit mittlerweile 40 Geschäftsleuten und Ladenbesitzern hatte sich gegründet, um mit gemeinsamen Aktionen die Kundschaft während der Bauarbeiten bei der Stange zu halten. "Hart war's trotzdem, wir hatten bis zu 50 Prozent Umsatzeinbußen", blickt Drescher zurück. Doch bei einem guten Miteinander mit der Stadtverwaltung habe man die Bauphase gemeistert. "Und alle begrüßen die Fußgängerzone", berichtet Drescher.   

Der QR-Code-Platz als Hingucker und Treffpunkt

Diese hat sich zu einem beliebten Treffpunkt entwickelt. Seit 2014 ist sie Teil des Weihnachtsmarktes, dort feierten die Kickers 2016 mit ihren Fans den Zweitliga-Aufstieg  und etliche Veranstaltungen gibt's rund um den 144 Quadratmeter großen Hingucker QR-Code. Über das gepflasterte Quadrat an der Ecke Eichhorn-/Spiegelstraße,  das der ehemalige Stadtbaurat Christian Baumgart als "Stadtmarketing vom Feinsten" bezeichnete, gehen die Meinungen auseinander: "Originelle Idee" sagen die einen, "Unfug" oder "Bäume wären besser" die anderen.                       

Ein Hingucker, den mache toll finden, andere für Unfug halten: Der große QR-Code am Abzweig zur Spiegelstraße. Hier ein Bild aus der Bauphase. 
Foto: Thomas Obermeier | Ein Hingucker, den mache toll finden, andere für Unfug halten: Der große QR-Code am Abzweig zur Spiegelstraße. Hier ein Bild aus der Bauphase. 

Generell überwiegt das Lob über die neue Flanier- und Einkaufsmeile, doch Passanten üben auch Kritik: Das Straßenbild sei ein großes Grau in Grau mit zu wenig Grün. Und dass durch die Spiegelstraße wieder der Bus fährt, gefällt nicht jedem. "Das war aber ausdrücklicher Wunsch der Geschäftsleute", sagt Projektleiter Döllein. Was das Grün angeht: "Der Untergrund ist voll mit Versorgungsleitungen, da ist kein Platz für Baumpflanzungen." Bäume gibt's trotzdem, 18 Stück stecken in großen Trögen, die auch Sitzgelegenheiten bieten.                     

Der Umbau kostet 2,3 Millionen weniger als veranschlagt 

Die Arbeiten waren auch eine riesige Untergrundbewegung: Kanäle und Versorgungsleitungen wurden verlegt. Und in bis zu sechs Metern Tiefe grub das Archäologenteam um Dieter Heyse ("Da liegt ein Archiv im Boden") erfolgreich nach Relikten aus Würzburgs Stadtgeschichte. Die spektakulärsten Funde aus dem Früh-, Hoch und Spätmittelalter sowie aus der Neuzeit: Ein mittelalterlicher Brunnen, eine 80 Meter lange Mauer, ein zwölf Meter langes Pflasterstück und ein alter Tresor.

Insgesamt drei Tonnen Fundgut wurden gehoben, dokumentiert und gesammelt, die alten Mauern abgebrochen oder zugeschüttet. Vom ausgegrabenen und geschichtlich bedeutsamen Vorleben ist zum Leidwesen von Stadtheimatpfleger Hans Steidle nichts mehr zu sehen.  Wenigstens ein Relikt bleibt sichtbar: Das alte in der Spiegelstraße entdeckte Pflaster bekommt an deren Eingang auf zwei Quadratmetern ein zweites Leben. Darauf steht eine Stele mit Informationen zur Stadtgeschichte, eine weitere erinnert am Eingang Eichhornstraße (aus Richtung Semmelstraße) an die Vergangenheit.   

Die Archäologen waren Dauerbegleiter der Fußgängerzone Eichhorn-/Spiegelstraße. Hier legen sie historisches Pflaster in der Spiegelstraße frei. Ein kleiner Teil wird davon sichtbar sein. 
Foto: Thomas Obermeier | Die Archäologen waren Dauerbegleiter der Fußgängerzone Eichhorn-/Spiegelstraße. Hier legen sie historisches Pflaster in der Spiegelstraße frei. Ein kleiner Teil wird davon sichtbar sein. 

Was das alles gekostet hat? "Zehn Millionen Euro, das sind 2,3 Millionen weniger als veranschlagt", berichtet mit Freude Projektleiter Döllein. Günstigere Ausschreibungsergebnisse bei den Bauarbeiten und ein effektives Baustellenmanagement hätten das ermöglicht. Im Preis inbegriffen sind betretbare  Straßenschilder: Kleine Eichhörnchen- und Spiegel-Symbole an verschiedenen Stellen im Pflaster zeigen den Passanten, wo sie sich gerade die Füße vertreten.    

Die Fußgängerzone Eichhorn-/Spiegelstraße in Zahlen
Bauzeit: Baubeginn war im August 2013, Bauende im Juni 2019.
Fläche: Die Fußgängerzone ist 7500 Quadratmeter groß, die Würzburger Fußgängerzonen wachsen damit auf insgesamt 62 000 Quadratmeter.   
Kosten: Zehn Millionen Euro. Dazu gibt's einen Zuschuss aus der Städtebauförderung von 2,2 Millionen Euro. Die Anlieger zahlen 2,3 Millionen Euro. 
Untergrund: Neu verlegt wurden 3500 Meter Strom-, 1900 Meter Fernwärme- und 500 Meter Gasleitungen sowie 700 Meter Kanal. 
Busverkehr: Ab 15. Juni fahren wieder die Buslinien 6 und 16 durch die Spiegelstraße. Das sind täglich über 130 Busfahrten.
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Holger Welsch
Auto
Bauarbeiten
Christian Baumgart
Geschichte
Hans Steidle
Hoch- und Spätmittelalter (1000 - 1419)
Kommunalverwaltungen
Kritik
Mittelalter (500 - 1419)
S.Oliver
Stadtgeschichte
Stadtheimatpfleger
Trögen
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • A. F.
    Kann es sein, dass dies die fränkische Mentalität ist?

    Immer nur mosern, anstatt auch mal was zu loben.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • H. S.
    @catweazle: nicht gemeckert ist gelobt genug.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • B. L.
    Fußgängerzone wie noch Autos fuhren, fühlte ich mich sicherer. Jetzt muss man darauf achten, dass einen nicht die Fahrradfahrer über den Haufen fahren. Ich werde Würzburg meiden.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • S. B.
    Und vorher sind sie völlig gefahrlos zwischen all den parkenden und fahrenden Autos flaniert? Man kann’s auch übertreiben mit den Geschichten über die ach so bösen Radler.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • A. F.
    Na hoffentlich halten Sie sich auch dran.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • G. K.
    Man mag von der Einrichtung der Eichhorn- und Spiegelstrasse ala Fußgängerzone halten was man will, aber schön finde ich das ganze überhaupt nicht. Ich finde es kalt, uncharmant und, dank des teuren Bodenbelags, eher eine Steinwüste denn eine zum Flanieren oder Verweilen animierende Stadtbereicherung.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • H. S.
    In WÜ gibt es doch keine Fußgängerzone: ohne Busse, ohne Radfahrer, ohne Straba. Die Betonung liegt auf "Fußgänger", auf die am wenigsten Rücksicht genommen wird.
    Wenn schom Bus und Rad, dann bitte nur auf eingezeichnteten Wegen. Dann könnte man sich als älterer Fußgänger wenigstens einigermaßnen darauf verlassen, nicht dauernd in Gefahr zu sein, angefahren zu werden.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • R. Ö.
    Die Fußgängerzonen gehören abgeschafft und Autos sollten parken dürfen wo gerade Platz ist! 😜
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • R. R.
    Welche Fußgängerzone?😂
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • R. Ö.
    Die sogenannten Fußgängerzonen! 🤣
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • L. W.
    @2804

    Ja klar, so wie der Porsche Cayenne kürzlich auch mal im Bereich der Straßenbahn ;(
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • R. Ö.
    Warum müssen Sie gleich wieder übertreiben? 🤔
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • H. A.
    Das die beiden Buslinien 6 und 16 wieder durchfahren ist schon in Ordnung, schließlich sollen auch die in die Innenstadt kommen die nicht mehr gut zu Fuß sind. Da wir alle älter werden und keiner weis wie gut oder schlecht wir selbst mal zu Fuß dann unterwegs sein werden, wird mit der Zeit auch die Kritik das die Busse wieder durchfahren, zurück gehen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • E. V.
    Vielleicht kriegts die WVV ja mal gebacken, dass man Busse mit alternativen Antrieben, die weniger Lärm und Abgase produzieren, anschafft. So ist das irgendwie halbgar. Und bei dem ganzen Lieferverkehr, der ja bis 11 Uhr (!) ohne Sondergenehmigung einfahren darf in die Fußgängerzone, geb ich den anderen Kommentatoren Recht, dass es keine echte Fußgängerzone ist. Den ÖPNV und Radfahrer nehme ich aus, denn irgendwie muss man ja da auch hineinkommen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • S. K.
    und wie sollten dann die ganzen
    Lieferungen abgewickelt werden...

    ich würde die Fußgängerzone noch mehr ausweiten
    und das Zeitfenster noch mehr verkleinern.

    die meisten Läden machen doch eh erst um 9 oder 9:30 auf

    da hat der Lieferant ja dann sagenhafte 90 Minuten
    um sein Zustellgebiet abzuarbeiten...

    und wenn dann noch die Müllabfuhr vor einem rumgurkt...
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • P. P.
    Ein Kompliment dem Bauleiter und den städtischen Mitarbeitern.
    In der heutigen Zeit ohne weitere Gelder auszukommen und nicht
    einmal den gesetzten Rahmen auszuschöpfen erfordert ein Lob.
    Wie schön würde jetzt eine Tiefgarage gegenüber dem Theater
    (Kardinal-Faulhaber-Platz) mit schöner Bepflanzung, dem Bratwursthäusle und guten Toilettenanlagen das Bild abrunden und den Parkplatzsuchverkehr
    mit abfedern.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten