
Nahezu im Wochentakt passiert es, dass die Archäologen in der Eichhorn- oder Spiegelstraße ein Stück Stadtgeschichte ausgraben. Jetzt ist ein über zehn Meter langes Stück Pflaster aufgetaucht, das nach Schätzung von Hans Steidle rund 500 Jahre alt ist und in irgendeiner Form erhalten werden sollte. Denn trotz vieler Funde deutet in der neu gestalteten Fußgängerzone nach wie vor nichts darauf hin, „dass unter der Oberfläche das mittelalterliche Würzburg liegt“, beklagt der Stadtheimatpfleger.
Außerdem möchte er künftig von der Stadt informiert werden, wenn die Archäologen auf einen Fund stoßen. Auch im aktuellen Fall habe er nur zufällig davon erfahren. Er erachte es „als selbstverständlich“, dass auch der Stadtheimatpfleger beim Umgang mit Bodendenkmälern rechtzeitig um Meinung und Rat gefragt werde – und nicht allein das Landesamt für Denkmalpflege. Dieses ist der Ansprechpartner der Stadt, die als Bauherr der Fußgängerzone Auftraggeber der Ausgrabungsarbeiten ist.
Das Landesamt beurteilt die Bedeutung der Funde und was mit ihnen geschehen soll. In den meisten Fällen handelt es sich um historisches Mauerwerk, häufig aus dem Mittelalter, das die Archäologen sorgfältig fotografieren und dokumentieren. Dann verschwinden die steinernen Zeugen der Stadtgeschichte wieder unter dem neuen Fußgängerzonen-Pflaster, nicht selten werden sie beim Bau von Leitungen im Untergrund zerstört. Übrig bleibt für die Nachwelt lediglich die Dokumentation der Boden-Funde.
Fußgängerzone „geschichtsbefreit“
Steidle bedauert, dass Bürger und Passanten der neuen Fußgängerzone – und nicht nur dort – völlig geschichtsbefreit übers Pflaster laufen. „Wir sind hier im alten Stadtkern, aber daran erinnert leider nichts mehr.“ Dem Stadtheimatpfleger ist klar, dass man nicht alle Mauerstücke erhalten kann. Geschichtsunterricht könne man dennoch praktikabel und sichtbar betreiben: mit Pflasterungen auf der Oberfläche, die den Verlauf verschwundener Mauern nachzeichnen, mit Glasabdeckungen über historische Steinbauten im Boden oder wenigstens Informationstafeln.
Steidle hat diese Beispiele aus anderen Städten schon mehrfach vorgebracht. Doch das Rathaus zeigt sich dafür bislang nicht empfänglich: Zu aufwändig, zu teuer. Außerdem führe das zu noch größeren Zeitverzögerungen an der Baustelle. Allerdings kündigte Rathaus-Sprecher Christian Weiß im Sommer eine Dokumentation über die Arbeiten in der Fußgängerzone an – in gedruckter Form sowie abscannbar über einen QR-Code im neuen Pflaster.
Zum jetzt freigelegten Pflaster in der Spiegelstraße – möglicherweise aus dem 16. Jahrhundert und mit einer Kanalrinne in der Mitte – hat sich das Rathaus noch gar nicht geäußert. Die Redaktion erhielt auf Nachfrage nach Fundstücken lediglich die Information von mehreren alten Mauerstücken, die schichtweise freigelegt und untersucht würden.
Wie mit dem Pflaster umgegangen werden soll, hat Steidle klare Vorstellungen: die alten Steine nummerieren und sie Stück für Stück in den Boden der neuen Fußgängerzone wieder einbauen.
Wunsch: Infotafeln an der Baustelle
Außerdem auf der Wunschliste des Stadtheimatpflegers: Zum einen Infotafeln an der Baustelle schon während der Ausgrabungen und zum anderen auch eine von Laien verständliche Dokumentation über die Ausgrabungen der vergangenen 50 Jahre in der gesamten Stadt. „Solch eine Publikation zur Entwicklung der Stadtgeschichte haben wir bislang nicht.“
Steidles Fazit: „Würzburg ist ein geschichtsträchtiges Pflaster, leider sieht man's kaum.“
Die wollen ebenen Bouda....