Am 19. Oktober gab Schweinfurts Oberbürgermeister Sebastian Remelé bekannt, dass Schweinfurt die Planung für eine Landesgartenschau 2026 nicht weiterverfolgt. Grund: zu hohe Kosten bei stetig abnehmender Gewerbesteuer. Im exklusiven Interview mit dieser Redaktion erklärt Martin Richter-Liebald, seit 2020 Geschäftsführer der Bayerischen Landesgartenschau GmbH, warum er Gartenschauen nach wie vor als Motor für Stadtentwicklung sieht und trotzdem Schweinfurts Ausstiegs-Gründe nachvollziehen kann. Richter-Liebald (55) wohnt in Berg im Landkreis Starnberg und war vor seiner Tätigkeit in Bayern viele Jahre für die Landesgartenschauen in Baden-Württemberg verantwortlich.
Martin Richter-Liebald: Ich weiß nicht, ob man von Enttäuschung sprechen kann. Ich glaube nach wie vor, dass es für Schweinfurt eine große Chance gewesen wäre, all diese Projekte mit einer Landesgartenschau zu verwirklichen. Ich bin überzeugt von dem Konzept von Gartenschauen in Bayern und Deutschland. Wir können es von den Zahlen her grundsätzlich nachvollziehen, das ist eine Entscheidung, die jede Kommune auch für sich treffen muss. Wenn die Einnahmen einbrechen, muss man darüber nachdenken, welche Pflichtaufgaben man erfüllen muss. Das ist der Grund, warum es nicht mehr geht und wir akzeptieren das von unserer Seite.
Richter-Liebald: Genau das darüber hinaus. Die Stadt hätte einen Anspruch auf neun Millionen Euro Fördergelder bei zehn Millionen Euro Bausumme für die Daueranlagen gehabt, also 90 Prozent. Das will man nun mit einem 'abgespeckten' Park realisieren. Was Gartenschauen ausmachen, ist das Drumherum. Wir wissen, dass nahezu das Siebenfache an Investitionen in einer Stadt getätigt wird, deren ursächlicher Anlass eine Gartenschau ist. Diese Investitionen bleiben in der jeweiligen Stadt. Wir haben genügend amtierende und ehemalige Bürgermeister, die das auch so berichten. Hier in der Region wird ja gerne mit der Landesgartenschau 2018 in Würzburg verglichen. Natürlich hat das Geld gekostet, aber es war für die Stadt in ihrer Raumentwicklung ein Riesenerfolg. Wenn man nach Osten schaut, nach Bamberg oder Bayreuth, sieht man Projekte, die auch in der Nachbetrachtung erfolgreich waren.
Richter-Liebald: Ich habe mich lange über den Begriff 'Blümchenschau' durchaus geärgert. Inzwischen freue ich mich darüber, dass der Begriff kaum noch Verwendung findet, denn das heißt auch, dass Gartenschauen ein städtebauliches Entwicklungsinstrument sind. Und genau so werden sie auch vom bayerischen Umweltministerium gesehen. 'Blümchenschau' ist aus den 1980er Jahren, aber schon kurz danach ging es genau um diese Themen, die wir heute mit Begriffen belegen wie "Schwammstadt" oder "Grün in der Stadt". All das lässt sich durch eine Gartenschau realisieren. Diese Projekte haben zudem einen Bildungsauftrag, denn Besucher und Bürger werden über ihre Stadt informiert.
Richter-Liebald: Er passt in die Zeit. Aber gerade deshalb würde ich damit sensibel umgehen.
Richter-Liebald: Nein. Jede Gartenschau ist für sich einzigartig und hat ihre eigenen Herausforderungen. Wir haben dieses Jahr Gartenschauen bis ins Jahr 2032 vergeben, also weit in die Zukunft. Wir führten mit über 25 Kommunen intensive Gespräche, hatten 17 Interessenbekundungen und zehn waren in der Bewerbung. Es war eine intensive Zeit. Jede Stadt hat ihre eigenen Themen. Es war in Schweinfurt nicht schwierig, es war komplex. Hier ist man im Rahmen der Weiterentwicklung des Wettbewerbsergebnisses an einen Punkt gekommen, an dem jede Kommune steht. Sagt man es ab oder führt man es weiter? Da sind wir jetzt.
Richter-Liebald: Ich habe auch in anderen Städten schon Gartenschauen gemacht mit Bürgerbegehren und es entstand trotzdem eine Euphorie daraus. Allerdings war dort im Stadtrat auch immer eine klarere Meinung dafür. In den Städten, in denen man eine deutliche Mehrheit bis hin zur Einstimmigkeit im Stadtrat hat, ist das Arbeiten natürlich einfacher.
Richter-Liebald: Der OB war ja einer der bekennenden Unterstützer der Landesgartenschau. Im Nachhinein kann man nicht sagen, man hätte sich mehr gewünscht. Dann müsste der OB sagen, ich hätte mir keinen Krieg gewünscht, keine Energiekrise oder dass die Automobilindustrie besser dasteht.
Richter-Liebald: Jede Gartenschau ist einzigartig, jede Stadt hat ihre eigenen Aufgaben. Schweinfurt hat in den kommenden fünf Jahren so viele Parallelaufgaben zu bewältigen, dass sich die Stadt nun entschieden hat, auszusteigen. Furth im Wald richtet die Gartenschau 2025 aus und hat sehr viele Entwicklungsprojekte mit hineingepackt, die es vorher nicht gab. Sie sehen die Gartenschau als Chance, haben sich aber auch von Teilprojekten verabschiedet. Sie sagen aufgrund ihrer Lage in Bayern, dass sie diese Chance nur einmal in 100 Jahren bekommen und deswegen wollen sie sie nutzen. Schweinfurt hat einfach noch andere Aufgaben zu erledigen, die prioritär sind.
Richter-Liebald: Es gibt erstmal nicht die Kostenexplosion. Man arbeitete am Wettbewerbsergebnis weiter und im Juni war man auf einem Stand mit unglaublich vielen Varianten. Wir waren mit der Stadtverwaltung im Gespräch, was wir realisieren, was wir uns leisten wollen und was man weglässt. Wir waren intern und mit der Stadtverwaltung mitten im Prozess. Deshalb auch meine Aussage im Stadtrat am 28. Juni, dass alles, was man zu dem Zeitpunkt sagt, falsch ist. Es musste im Miteinander und mit den Fraktionen geklärt werden. In der Stadt hat sich die Kenntnis darüber, wie die Steuereinnahmen fließen, noch einmal deutlich verändert. An den Kosten für die Landesgartenschau hat sich zuletzt nicht so viel verändert. Wir hatten in den Gesamtkosten auch immer Puffer vorgesehen.
Richter-Liebald: Ja, das habe ich gesagt. Da stehe ich auch dazu, weil wir in einem Prozess waren. Hätte ich fünf Millionen Euro gesagt, wäre es falsch gewesen, genauso wenn ich 20 Millionen gesagt hätte. Die Wahrheit lag in der Mitte und ich war auch nicht befugt, es zu sagen. Es gab aus dem Vorentwurf heraus Varianten, die das Planungsbüro erarbeiten sollte. Und diese Varianten waren jeweils mit Zahlen hinterlegt. Wir waren, wie gesagt, im Prozess, und es war noch nichts entschieden. Ich weiß, es ist schwierig zu verstehen im politischen Prozess. Zu dem Zeitpunkt, als die Zahlen klar waren, haben wir den Oberbürgermeister informiert so wie er es in der Pressekonferenz auch gesagt hat.
Richter-Liebald: Genau.
Richter-Liebald: Diese Summen sind bei jeder Gartenschau enthalten. Aber über Vertragsdetails kann ich nicht sprechen.
Richter-Liebald: Das ist noch nicht im Detail besprochen. Es gibt Gedanken und Ideen, wie mit der gemeinsamen GmbH umgegangen wird.
Richter-Liebald: Von den zehn Bewerbungen bis 2032 haben fünf einen Zuschlag bekommen. Wir sind gemeinsam mit dem Umweltministerium dabei, aus den restlichen fünf eine geeignete Stadt für 2026 zu finden.
Richter-Liebald (schmunzelt): Sie können auch die anderen vier Namen noch nennen. Ich kann und werde zu keinem etwas sagen. Wir sprechen mit den Kommunen.
Richter-Liebald: Ich glaube, der Gesamtprozess ist das Gute, was man mitnimmt. Man hat zunächst viele Themen einzeln gesehen. Ob das nun die Trittsteine sind, der Theodor-Fischer-Platz, Schelmsrasen, Spitalseeplatz bis zur Gutermann-Promenade. Das sind alles für sich einzelne wichtige Punkte, die als Ganzes ihre Wirkung für die Stadt erzielen. Wir hätten gerne das Projekt gemeinsam realisiert, weil Grün wichtig ist in einer Stadt wie Schweinfurt – mehr denn je.
Bloß nicht in den Kuranlagen!
Der wohl unnötige Abbruch des Steigenberger Kurhaushotels war schon ein schlimmer Eingriff in das größte historische Kurensemble Europas! Das würde mit einer LGS weiter an historischer Authentizität, Atmosphäre & Charme verlieren! So geschehen in BW, bei der LGS in Öhringen im Bereich des Schlosses und bei der BuGa in Schwerin - was viel Kritik einbrachte! Da mit Steuergeldern der Bürger Eingriffe in historische Strukturen gemacht wurden.
Die öffentliche Hand in Deutschland hat offensichtlich zu viel Geld - und Geld verdirbt den Charakter - auch von historischen Strukturen - So breits geschehen in Kissingen, wo man die Eingriffe in den Kurgarten aus den 70ern wieder rückbaute: zweimal wurden Steuergelder verwendet, für den Status quo. Ein Schildbürgerstreich wäre genug!
Was war die städtebauliche Entwicklungsidee in SW? Was war die Grundidee der LGS?
Es war ein ideenloses Füllen einer Kasernen-Restfläche, für die man keine andere Verwendung hatte - zudem neben bereits bestehenden, großen Grünzonen Stadion & Kleingartenanlage - siehe oberes Luftfoto! Also noch mehr Grün am Stadtrand, statt Grün in der Stadt - wo man jetzt ein grünes Band & Kaltluftzufuhrgasse(!) im Mariental verbaut.
Die LGS war zudem eine schlechte Kopie der WÜer LGS/US-Konversion, wo der Park mit neuer Wohnbebauung am Rande mehr Sinn macht! Warum ließ man neue Wohnbebauung am Parkrand in SW weg? Trotz Wohnungsnot und knapper Bauflächen. Das wäre eine attraktive Wohnlage mit Parkblick gewesen. Die Bauträger hätten wohl gerne zugegriffen.