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Schweinfurt
Leopoldina-Krankenhaus in Schweinfurt: Wie Corona den Alltag verändert hat
Interview mit der Leopoldina-Geschäftsführung: Warum das Krankenhaus auf die Corona-Entwicklung im Herbst blickt und was Geschäftsführer Jürgen Winter an der Politik ärgerte.
Das Leopoldina-Krankenhaus wird in diesem Jahr 40 Jahre alt. Die Krankenhaus-Leitung plant gemeinsam mit der Stadtverwaltung die Sanierung des Hauses, die frühestens in drei bis vier Jahren auf der Agenda steht.
Foto: Josef Lamber | Das Leopoldina-Krankenhaus wird in diesem Jahr 40 Jahre alt. Die Krankenhaus-Leitung plant gemeinsam mit der Stadtverwaltung die Sanierung des Hauses, die frühestens in drei bis vier Jahren auf der Agenda steht.
Oliver Schikora
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:31 Uhr

Seit etwas mehr als eineinhalb Jahren ist Jürgen Winter Geschäftsführer des Leopoldina-Krankenhauses. Im Interview sprechen er sowie der neue Pflegedirektor Michael Müller und Professor Dr. Hans-Ullrich Völker, Chefarzt der Pathologie, über die Herausforderungen während der Corona-Pandemie, wie viele Mitarbeiter geimpft sind und wie man die Sanierung des 1981 eröffneten Krankenhauses plant.

Herr Winter, rund 18 Monate Corona-Pandemie liegen hinter uns, wie ist die Lage derzeit im Krankenhaus?

Jürgen Winter: Wegen Corona haben wir im Moment wenige Patienten im Haus. Wir hatten eine lange Phase, wo es nur ein bis zwei Patienten waren. Nachdem jetzt die Inzidenzen wieder ansteigen, merken auch wir, dass es etwas mehr wird. Im Moment ist es nicht besorgniserregend. Für den Herbst sind alle gespannt, wie es sich auswirkt, dass gut 60 Prozent der Menschen durchgeimpft sind und welche Konsequenzen das für das Krankheitsgeschehen hat.

Herr Müller, wie war es für die Pflegekräfte und Ärztinnen und Ärzte, die Pandemie bisher zu bewältigen und auch mit den persönlichen Schicksalen der Patienten zurecht zu kommen?

Michael Müller: Schwierig war, dass es quer durch alle Altersgruppen bei den Patienten schwere Verläufe gab, viele auch verstorben sind, wenn sie mal intubiert waren. Die Ausweglosigkeit in manchen Fällen hat die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr belastet.

Haben Sie Angebote gemacht zur psychologischen Betreuung für die Mitarbeiter?

Winter: Ja, durchaus. Wir haben Psychologen im Haus und konnten somit auch Angebote für eine Supervision und Gespräche machen. Es gibt auch ein Fortbildungsangebot zum Thema Tod und Sterben. Auch die Krankenhausseelsorger waren aktiv.

"Die Ausweglosigkeit in manchen Fällen hat die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr belastet."
Pflegedirektor Michael Müller über die Arbeit auf der Covid-19-Station.
In Bayern wird diskutiert, nicht mehr auf die Inzidenz zu schauen, sondern vor allem auf die Krankenhausbelegung. Der richtige Weg?

Winter: Wenn die Inzidenz ansteigt, schlägt sich das mit einem Zeitverzug von rund 14 Tagen im Gesundheitswesen durch. Der Wert hat eine gewisse Relevanz, aber wir wissen nicht, wie sich die Zahl der Impfungen auf die Krankheitsverläufe auswirkt. Natürlich kommt es darauf an, wie stark Krankenhäuser durch die Pandemie in Anspruch genommen werden, vor allem die Intensivbetten. Die Daten liegen schon lange vor. Für mich stellt sich eher die Frage, warum man das nicht schon längst mit einbezogen hat.

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Ist die Finanzierung für die Bereitstellung von Intensivbetten für Corona-Patienten ausreichend?

Winter: Ein komplexes Thema. Schon vor der Corona-Pandemie war jedes zweite Krankenhaus in Bayern laut der bayerischen Krankenhausgesellschaft defizitär. Man kann jetzt sagen, dass sich 2020 durch Corona die wirtschaftliche Lage nicht per se verschlechterte. Was der Gesetzgeber mit Freihaltepauschalen oder Finanzierung von zusätzlichen Beatmungsgeräten auf den Weg gebracht hat, war auskömmlich. Wenn man andere Branchen anschaut, welche Konsequenzen die wegen der Pandemie tragen mussten, können die Krankenhäuser konstatieren, dass man ihnen die finanzielle Sicherheit gab, Betten freihalten zu können. Seit Juni 2021 endeten diese Zahlungen, weil sich auch die Situation in den Kliniken entspannt hat. Wir merken immer noch eine gewisse Zurückhaltung bei den Patienten und müssen schauen, wie es sich weiterentwickelt.

Jürgen Winter, Geschäftsführer des Leopoldina Krankenhauses. Das Bild entstand 2020.
Foto: Anand Anders | Jürgen Winter, Geschäftsführer des Leopoldina Krankenhauses. Das Bild entstand 2020.
Mussten in diesem Jahr Operationen verschoben werden?

Prof. Dr. Hans-Ullrich Völker: Wir haben phasenweise aus medizinischer Sicht verschiebbare Operationen verschoben, wenn wir viele Beatmungsfälle durch Covid-19 hatten. Uns fiel aber auf, dass die Zurückhaltung bei den Patienten da war, ins Krankenhaus zu gehen, wenn es nötig ist. Das ist ein Phänomen, das nicht nur uns betrifft. Es ist unbegründet, wir haben ein sehr gutes Hygienekonzept und tun sehr viel, damit das Ansteckungsrisiko im Krankenhaus minimiert wird. Im Leopoldina-Krankenhaus ist die Wahrscheinlichkeit, sich mit dem Coronavirus anzustecken, sicher deutlich niedriger als bei einer privaten Familienfeier. Es bleibt bei dem Appell: Wer eine Krankenhaus-Behandlung braucht, der sollte auch kommen und sich behandeln lassen.

"Wer eine Krankenhaus-Behandlung braucht, der sollte auch kommen und sich behandeln lassen."
Professor Dr. Hans-Ullrich Völker.
Der einzige Weg aus der Pandemie ist laut Experten das Impfen. Wie viel Personal ist bereits geimpft?

Winter: Wir haben im Haus selbst 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geimpft. Der limitierende Faktor war zu Beginn des Jahres, dass wir nicht mehr Impfstoff bekommen haben. Es gibt keine Meldepflicht für Mitarbeiter, wenn sie sich impfen lassen. Wir gehen davon aus, dass derzeit 1500 von rund 2200 Mitarbeitern im Leopoldina und seinen Töchtern geimpft sind. Wer sich impfen lassen will, kann sich natürlich auch bei uns noch impfen lassen. Das gilt auch für Patienten, die das gerne hier tun können. Unser großes Interesse ist, die Impfbereitschaft maximal zu erhöhen, weil natürlich auch wir davon profitieren.

Ist eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen nötig, zum Beispiel Ärzte und Pflegepersonal in Krankenhäusern?

Winter: Das halte ich zum jetzigen Zeitpunkt für nicht sinnvoll. Wir haben hier wie in anderen Krankenhäusern bewiesen, dass wir sehr gewissenhaft das Thema Corona angegangen sind. Als im März 2020 Covid-19 begonnen hat, wir noch nicht so viel wussten wie heute, wir mit Schutzmaterial und Tests nicht so gut ausgestattet waren wie heute, stellten sich Pflege- und Ärzteteams immer ihrer Verantwortung. Sie waren hier, haben sich der Herausforderung gestellt und sind damit sehr gut umgegangen. Auch die Mitarbeiter, die aufgrund von Alter oder Vorerkrankung selbst zu Risikogruppen gehörten, stellten sich der Aufgabe aus einem Berufsethos heraus. Denen kann man zugestehen, dass sie selbst entscheiden, ob sie sich impfen lassen oder nicht. Ihnen eine Impflicht aufzuoktroyieren, der Gesellschaft aber nicht, ist nicht richtig. Wir machen viel Aufklärung, die Chefärzte haben sich hervorragend eingebracht.

"Was mich umtreibt und ärgert ist, dass Menschen, die sich Gesundheitspolitiker nennen, sich schadlos gehalten haben durch verschiedene Deals."
Leopoldina-Geschäftsführer Jürgen Winter über die so genannte Maskenaffäre
Sie sprachen gerade das Thema Schutzmaterial an. Hat sich die Lage beruhigt und wie sind die Preise derzeit?

Winter: Die Preise sind auf deutlich höherem Niveau als vor der Pandemie, dafür haben die Standardhersteller ihre Produktionsprozesse angepasst, und liefern wieder zuverlässiger. Die Auswüchse sind vorbei, alles ist in guter Qualität verfügbar, auch wenn es bei manchen Dingen wie Handschuhen Engpässe gibt und diese das Fünffache kosten. Was mich umtreibt und ärgert ist, dass Menschen, die sich Gesundheitspolitiker nennen, sich schadlos gehalten haben durch verschiedene Deals. Als jemand, der sich Gedanken machen musste, wo wir Material herbekommen und wie lange es noch ausreicht, habe ich dafür null Verständnis. Und das ist noch milde formuliert.

Nachdem das Parkhaus an der Mainberger Straße im Oktober eröffnet wird, steht nun die Planung für Abriss und Neubau des maroden Parkhauses am Leopoldina Krankenhaus ganz oben auf der Agenda der Stadtverwaltung.
Foto: Anand Anders | Nachdem das Parkhaus an der Mainberger Straße im Oktober eröffnet wird, steht nun die Planung für Abriss und Neubau des maroden Parkhauses am Leopoldina Krankenhaus ganz oben auf der Agenda der Stadtverwaltung.
Das Krankenhaus wurde vor 40 Jahren eröffnet, es gibt natürlich auch Sanierungsbedarf. Was planen Sie in welchem Zeitraum und kann das Krankenhaus alleine ohne Zuschüsse die Sanierung überhaupt stemmen?

Winter: Nach 40 Jahren ist bei Baukörper und Betriebstechnik sicher Sanierungsbedarf. Es haben sich die Anforderungen in der Pflege und die Standards der Zimmer geändert. Auch wenn in den vergangenen Jahren immer wieder Bereiche saniert wurden, gibt es noch deutlichen Bedarf. Wir haben mit zwei Planungsbüros bauliche und betriebsorganisatorische Pläne entwickelt, die Ende September dem Aufsichtsrat vorgestellt werden. Sobald das Konzept vorliegt, werden wir wegen der Förderung Gespräche mit dem Gesundheitsministerium und der Regierung von Unterfranken führen. Wann findet sich die Planung in Beton wieder? Wohl frühestens 2024, 2025.

Ein großes Thema ist in diesem Bundestagswahlkampf der Klimaschutz. Wie grün und nachhaltig kann ein Krankenhaus sein?

Winter: In gewissen Grenzen bedingt durch die Hygiene kann es nachhaltig sein. Das Leopoldina-Krankenhaus hat viel getan beim Thema Energieerzeugung mit einem Blockheizkraftwerk. Es gibt natürlich noch Luft nach oben. Die Mitarbeiter achten auch darauf, deshalb freut es mich, dass sich Privatdozent Dr. Dominik Morhard zum Klimamanager ausbilden lässt. Es ist gut, dass es durch die Mitarbeiterschaft angekommen ist, noch mehr in dem Bereich zu tun.

Wie weit sind Sie mit dem Mobilitätskonzept, das der Stadtrat vor einiger Zeit als Hausaufgabe aufgegeben hat?

Winter: Den Auftrag setzen wir unter Beteiligung des Betriebsrates um mit dem Ziel, die Parksituation im Umfeld des Leopoldina-Krankenhauses zu entspannen. Zum Beispiel können wir demnächst Fahrradleasing in Form von Entgeltumwandlung anbieten und auch Ladestationen für E-Bikes. Das Kernproblem, den begrenzten Parkraum für Mitarbeiter, Patienten und Besucher, können wir nicht lösen als Krankenhaus, das 24 Stunden und sieben Tage die Woche den Betrieb aufrechterhält. Zwei Drittel unserer Mitarbeiter wohnen außerhalb des Stadtgebietes und müssen zu ungünstigen Zeiten anfahren. Die kann man nicht einfach auf andere Verkehrsträger verweisen.

Thema Parken: Das Parkhaus an der Mainberger Straße ist bald fertig, wann wird das marode Parkhaus am Leo saniert?

Winter: Wir wissen, durch ein Gutachten und Gespräche mit anderen Krankenhäusern gleicher Größe, dass wir rund 1100 Parkplätze brauchen, um die Parksituation langfristig zu lösen, so dass es kein Konfliktpotenzial mit den Anwohnern mehr gibt. Es gibt intensive Gespräche mit der Stadt, wir sind im engen Austausch mit den dortigen Verantwortlichen. Mit der jetzigen Situation im Parkhaus am Leo ist natürlich keiner zufrieden.

Eine für das Leopoldina-Krankenhaus zukunftsweisende Entscheidung war der Bau des Gesundheitsparks, findet Geschäftsführer Jürgen Winter.
Foto: Oliver Schikora | Eine für das Leopoldina-Krankenhaus zukunftsweisende Entscheidung war der Bau des Gesundheitsparks, findet Geschäftsführer Jürgen Winter.
Sie sind Kooperationen mit anderen Krankenhäusern offen gegenüber. Hat es da schon Gespräche gegeben?

Winter: Zu langfristigen Ausrichtungen von Häusern, zum Beispiel mit Haßfurt, gab es bisher keine Gespräche. Ich gehe davon aus, dass es nach der Bundestagswahl eine erneute Krankenhausreform gibt. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich neue Perspektiven beim Thema Kooperationen ergeben. Wir sind da guter Dinge, haben einen kollegialen Austausch mit den umliegenden Kliniken.

Wie ist die Bilanz des Gesundheitsparks bisher?

Winter: Mein Vorgänger Adrian Schmuker hat da sehr vorausschauend gehandelt und die Zeichen der Zeit auch gegen Widerstände richtig erkannt. Es war eine sehr gute Entscheidung und wirkt sich für das Leopoldina und die Gesundheitsversorgung in der Region positiv aus. Die Schnittstelle in den ambulanten Bereich wird für die Krankenhäuser immer wichtiger und die Weichen sind hier richtig gestellt.

Leopoldina-Krankenhaus Schweinfurt

Das Krankenhaus der Schwerpunkt-Versorgung wurde 1981 eröffnet und hat 700 Betten. Behandelt werden pro Jahr gut 31 600 Patienten stationär und 32 000 Patienten ambulant aus der gesamten Region Main-Rhön. Als hundertprozentiger Tochterbetrieb der Stadt Schweinfurt beschäftigt man 2200 Mitarbeiter und macht einen Jahresumsatz von 150 Millionen Euro.
Seit Januar 2020 steuert Jürgen Winter die Geschicke des Leopoldina-Krankenhauses und seiner Tochtergesellschaften als Nachfolger von Adrian Schmuker. Der 53-jährige Wirtschaftswissenschaftler verfügt über langjährige Erfahrung im Gesundheitswesen, arbeitete zuletzt nach der Fusion der beiden Krankenhäuser in Gunzenhausen und Weißenburg dort als verantwortlicher Vorstand.
Quelle: Leopoldina Krankenhaus
 
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