
Die Gemeinschaft "Go&Change" hatte in einer Kultur leben wollen, die auf Unterstützung und Kooperation beruht. "Wo jeder seine Energie und sein Geld dorthin gibt, wo es die schönste Wirkung hat", stand in der Anfangszeit auf der Webseite der Gemeinschaft, die ihren Sitz seit 2017 in Lülsfeld (Lkr. Schweinfurt) hat. Im Umfeld von "Go&Change" hat es inzwischen mehrere Todesfälle gegeben. Aussteigerinnen und Aussteiger berichten von Psychoterror und sexualisierter Gewalt. Zudem ist im Mai 2023 der Kopf der im früheren Kloster "Maria Schnee" lebenden Gemeinschaft verhaftet worden.
Seit mehreren Jahren finanziert sich die Gemeinschaft auf unterschiedliche Weise – wohl nicht nur durch Seminare an Wochenenden und einen kleinen Naturwarenladen in Gerolzhofen. Sie betreiben offenbar auch ein System, das von Aussteigern und verbannten Mitgliedern profitiert. Zu ihrer Finanzierung hat die Redaktion mehrere Fragen an die Gemeinschaft gesendet, die jedoch nicht beantwortet wurden. Ein Überblick:
Wie ist die Gemeinschaft "Go&Change" aufgebaut?
Hinter "Go&Change" steckt ein Konstrukt aus einer Unternehmergesellschaft und einem Verein.
Der Verein "Gemeinschaft(s)formen e.V." wurde 2016 in Halle (Saale) in Sachsen-Anhalt gründet. Felix Krolle, bis heute der Sprecher der Gemeinschaft, und eine weitere Person bildeten damals den Vorstand, wie aus dem Vereinsregister hervorgeht. Im Jahr 2017 kaufte der Verein das ehemalige Kloster "Maria Schnee" in Lülsfeld der "Kongregation der Schwestern des Erlösers" ab. Es kam Bewegung in den Vereinsvorstand. Die Spitze seither: Felix Krolle und Kai K., der offenbar später als Guru von Mitgliedern der Gemeinschaft gefeiert werden sollte und jetzt wegen des Verdachts der Vergewaltigung in Untersuchungshaft sitzt.
Wie viele Mitglieder der Verein hatte und hat, ist nicht öffentlich einsehbar. Nach Kenntnis der Redaktion stimmt die Zahl der Bewohner des ehemaligen Klosters nicht zwangsläufig mit der Zahl der Vereinsmitglieder überein. Laut der Webseite von "Go&Change" leben "etwas über 20 Menschen" in der Gemeinschaft. Auf Anfrage teilte man die aktuelle Zahl der Mitglieder nicht mit.
Im Juli 2017 gründeten Kai K. und Felix Krolle die "Go&Change gemeinnützige UG". Während sie als Vorstand des Vereins auf das Votum der Mitglieder angewiesen sind, konnten sie als gleichberechtigte Gesellschafter der Kapitalgesellschaft unabhängig von den Anhängern finanzielle Entscheidungen treffen. Felix Krolle war Geschäftsführer der "Go&Change gemeinnützige UG".
Wie aus einem Protokoll hervorgeht, beschlossen die beiden Gesellschafter im November 2021 die Auflösung der UG, die noch nicht vollständig abgeschlossen ist. Zu dieser Zeit verfügte die Gesellschaft über ein Eigenkapital von rund 6500 Euro, wie aus Einträgen im Unternehmensregister hervorgeht. Die Bilanzen des Vereins müssen nicht veröffentlicht werden.
Wie finanziert sich die Gemeinschaft?
Diese Frage kam im Gemeinderat in Lülsfeld im März 2017 auf, als zwei Mitglieder von "Go&Change" in einer Sitzung ihre Pläne für das Kloster vorstellten. "Mit dem Hinweis auf ein Mitglied mit betriebswirtschaftlicher Ausbildung konnten die beiden den Gemeinderat von einer stabilen Kostensituation überzeugen", hieß es damals in einer Bekanntmachung der Gemeinde. "Die Finanzierung sei gesichert über Eigenkapital, Bank- und Privatkredite sowie über Spenden und private Einkünfte einiger Mitglieder", werden die beiden "Go&Change"-Vertreter darin zitiert.
Auf der Webseite der Lebensgemeinschaft ist aktuell zu lesen: "Wir geben all unsere Energie, Geld und Lebenszeit dafür, dass diese neue Kultur immer mehr wächst und gedeiht."
Welche Beiträge müssen Mitglieder der Gemeinschaft bezahlen?
Aus der Satzung des Vereins "Gemeinschaft(s)formen e.V." geht hervor, dass die Mitgliederversammlung über die Beitragshöhe bestimmen kann. Auch eine Aufnahmegebühr kann der Satzung zufolge erhoben werden. Wie hoch der Beitrag aktuell ist, ist nicht öffentlich einsehbar. Einem ehemaligen Mitglied zufolge forderte die Gemeinschaft beim Einzug nach und nach den gesamten Besitz von neuen Bewohnerinnen und Bewohnern ein.
Ehemalige Mitglieder berichten außerdem davon, dass die Gemeinschaft beschlossen habe, dem Guru lebenslang eine "Rente" zu bezahlen. Demnach seien alle aktiven und ehemaligen Mitglieder dazu angehalten, Kai K. jeweils 80 Euro pro Monat zukommen zu lassen.
Wer die Gemeinschaft verlassen will, soll früheren Mitgliedern zufolge ein Jahr lang jeden Monat ein sogenanntes "Ausstiegsgeld" von 500 Euro an "Go&Change" bezahlen. Auch wer vom Guru als Bestrafung – vorübergehend – des Klosters verwiesen wurde, musste ehemaligen Mitgliedern zufolge monatlich 500 Euro an die Gemeinschaft bezahlen, um weiter auf eine Rückkehr in die Gemeinschaft hoffen zu dürfen. Fragen dazu beantwortete die Gemeinschaft auf Anfrage dieser Redaktion nicht.
Welche Einkommensquellen hat die Gemeinschaft außerdem?
Aus den Jahresabschlüssen der "Go&Change"-Unternehmergesellschaft geht hervor, dass die Umsatzerlöse in den Jahren 2017 bis 2020 "in erster Linie aus den Bereichen Teilnehmerbeiträge aus Seminaren und Workshops erzielt" wurden. Ein "Kennenlernwochenende" kostete die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im August 2018 beispielsweise 110 Euro für Unterkunft und Verpflegung.
Im Amtsblatt der Gemeinde Lülsfeld kündigte die Gemeinschaft in ihrer Anfangszeit zum Beispiel eine "Yoga-Stunde auf Spendenbasis" und einen Verkauf von Gemüsepflanzen an. Seit der Corona-Pandemie und nach den Berichten dieser Redaktion über die Gemeinschaft hat "Go&Change" keine Seminare oder Veranstaltungen mehr angekündigt. "Anfang 2020 haben wir als Gemeinschaft beschlossen, den Seminar- und Gästebetrieb im Laufe des Jahres herunterzufahren, damit wir unseren Fokus auf die Vertiefung von Familie und Heimkehr legen können", heißt es auf deren Webseite. Die Pandemie habe diese Entwicklung beschleunigt.
Zudem hat der Verein "Gemeinschaft(s)formen" in der Gerolzhöfer Altstadt eine Immobilie gepachtet. Dies bestätigt der Eigentümer gegenüber dieser Redaktion. Dort haben Mitglieder von "Go&Change" einen Naturwarenladen mit Café betrieben. Gesellschafter sind unter anderem Kai K. und Felix Krolle. Auf der Facebook-Seite des Ladens teilten die Betreiber im April 2023 mit: "Wir sind gerade dabei uns vom Bioladen zu einem gemeinsam gestalteten Kulturzentrum zu verwandeln." Seit mehreren Monaten ist der Laden geschlossen, lange Zeit wurde ein Räumungsverkauf angekündigt. Mittlerweile sind die Waren und das meiste Inventar weggeschafft worden. Der Verkaufsraum ist weitgehend leer. Das Geschäft sei ab 1. Oktober zu vermieten, steht auf einem Zettel im Schaufenster.
Zeitgleich mit der Eröffnung des Naturwarenladens im Februar 2020 kündigte die Gemeinschaft an, mit einem Foodtruck auf Tour gehen zu wollen. "Ohne viel Federlesen" habe man einen Kühl-Lkw gekauft, den man umbauen wolle. Bei Veranstaltungen wolle man Käsespätzle, Burger und Crêpes anbieten. Als Feuertaufe für den Essenswagen war ein Musikfestival in Mecklenburg geplant. Wegen der Corona-Pandemie ist die Veranstaltung ausgefallen.
Wem gehört das ehemalige Kloster "Maria Schnee"?
Im Grundbuch steht der Verein "Gemeinschaft(s)formen e.V." als Eigentümer, wie das Amtsgericht Schweinfurt auf Anfrage mitteilt. Die in Würzburg ansässige Kongregation der Schwestern des Erlösers verkauften die Gebäude und das Grundstück in Lülsfeld, wie im Februar 2017 öffentlich wurde. Auf einer Webseite war das ehemalige Kloster zuvor für 399.000 Euro angeboten worden. "Die Liegenschaft verfügt insgesamt über rd. 80 Räume/Zimmer (zum großen Teil mit Waschgelegenheit), davon eine Vielzahl großzügiger Gemeinschafts-, Begegnungs-, Veranstaltungs- und Tagungsräume", hieß es dort.

"Die Gemeinschaft 'Go&Change' hat das ehemalige Kloster in Lülsfeld zum angebotenen Preis von 399.000 Euro gekauft", sagt Generaloberin Schwester Monika Edinger. "Mit dem Wissen von heute und unter der Voraussetzung, dass sich die schwerwiegenden Vorwürfe gegenüber Mitgliedern der Gemeinschaft als wahr erweisen, würde die Kongregation der Schwestern des Erlösers das Gebäude nicht mehr an 'Go&Change' verkaufen."
Wurde der Gemeinschaft der gemeinnützige Zweck aberkannt?
Diese Frage lässt sich nicht abschließend beantworten. "Go&Change" erteilt dazu keine Auskunft. Auf der Webseite wirbt die Gemeinschaft um Schenkungen und Sachspenden. Auffällig ist, dass die Gemeinschaft in ihren Anfangsjahren Spendenbescheinigungen ausstellen konnte – und das jetzt offenbar nicht mehr kann. Wenn Einrichtungen den Status der Gemeinnützigkeit innehaben, können sie eine Bescheinigung ausstellen, mit denen Spenderinnen und Spender eine Steuererleichterung bekommen. Voraussetzung dafür ist, dass die Einrichtung als gemeinnützig gilt. Derzeit steht auf der Webseite der Gemeinschaft: "Spenden, genauer gesagt, Schenkungen, können nicht von der Steuer abgesetzt werden. Spendenbescheinigungen sind aktuell daher nicht möglich."
Das zuständige Finanzamt Schweinfurt erteilt auf Anfrage keine Auskunft darüber, ob für den Verein oder die Unternehmergesellschaft eine Gemeinnützigkeit vorliegt oder ob diese entzogen wurde. Die Behörde verweist auf das Steuergeheimnis.
Mitarbeit: Christine Jeske, Michael Mößlein und Stefan Pfister
https://www.mein-grundeinkommen.de/menschen/89287