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Schweinfurt
Höchste Waldbrand-Gefahr für Unterfranken: Unterwegs mit den Luftbeobachtern über den trockenen Wäldern der Region
Ist das Rauch? Ein Waldbrand? Eine Windhose? Was ein Pilot aus Grettstadt und ein Förster aus Bad Neustadt bei der Luftbeobachtung aus einer Cessna alles sehen.
Mit dieser 40 Jahre alten Cessna  fliegen Pilot Benjamin Schumacher (links) und Luftbeobachter Matthias Lunz  über unterfränkische Waldgebiete. Ihre Aufgabe bei Waldbrand-Gefahrenstufe 5: Nach aufsteigendem Rauch Ausschau zu halten, um Waldbrände frühzeitig zu entdecken. 
Foto: Fabian Gebert | Mit dieser 40 Jahre alten Cessna  fliegen Pilot Benjamin Schumacher (links) und Luftbeobachter Matthias Lunz  über unterfränkische Waldgebiete.
Gisela Rauch
 |  aktualisiert: 08.02.2024 14:31 Uhr

Es ist heiß an diesem Nachmittag auf dem Flugplatz Schweinfurt-Süd. Eigentlich zu heiß, um sich zu bewegen. Trotzdem schiebt Benjamin Schumacher gerade eine viersitzige Cessna aus dem Hangar auf den Flugvorplatz. Zieht dann die fast 1000 Kilo schwere Maschine eigenhändig rund 50 Meter übers Flugfeld. Gerade weil es so heiß ist, muss Pilot Schumacher ja heute in die Lüfte starten.

Schumacher, 31 Jahre, aus Grettstadt (Lkr. Schweinfurt), gehört der Flugbereitschaft Unterfranken der Luftrettungsstaffel Bayern e.V. an. Sein Luftbeobachter für diesen Flug ist Matthias Lunz, ein 32-jähriger Förster aus Bad Neustadt (Lkr. Rhön-Grabfeld). Zusammen werden die beiden Männer jetzt gut zwei Stunden die Waldgebiete des östlichen Unterfrankens abfliegen. Ihre Aufgabe angesichts höchster Waldbrandgefahr in Unterfranken: Rauchsäulen in oder nahe den Wäldern erkennen, Waldbrände melden und im Brandfall Feuerwehren an den Brandort lotsen. "Vorbeugende Luftbeobachtung" nennt sich das.

Blick aus dem Cessna-Fenster: Brennt es in einem der unterfränkischen Wälder? Pilot Benjamin Schumacher fliegt im Auftrag der Regierung von Unterfranken die Rhön und die Haßberge ab. 
Foto: Gisela Rauch | Blick aus dem Cessna-Fenster: Brennt es in einem der unterfränkischen Wälder? Pilot Benjamin Schumacher fliegt im Auftrag der Regierung von Unterfranken die Rhön und die Haßberge ab. 

"Ready?", fragt Schumacher. "Ready!", bestätigt Lunz. Die kleine Maschine hoppelt und holpert über die unebene Graspiste in Richtung Osten, beschleunigt, hebt wie vorgesehen nach rund 375 Metern ab.

Das Motorgedröhn ist in der Cessna so laut, dass ein Gespräch unmöglich ist

Einen Fluglotsen, der dem Piloten den Start freigeben und die Flugroute überwachen könnte, sucht man hier auf dem kleinen Flugplatz Schweinfurt-Süd vergebens. "Wir fliegen unterm Radar, und wir fliegen auf Sicht", hat der Pilot vor dem Start bestätigt. Während des Flugs ist ein Gespräch kaum möglich; die Männer müssen brüllen, damit ihre Stimmen über dem Motorgedröhn liegen. Deshalb verständigen sie sich eher über Gesten: Luftbeobachter Lunz zeigt öfter mal auf Teilgebiete, die er sich genauer anschauen möchte.

Die Cessna startet auf der vergilbten Graspiste des Flugplatzes Schweinfurt-Süd.
Foto: Fabian Gebert | Die Cessna startet auf der vergilbten Graspiste des Flugplatzes Schweinfurt-Süd.

Die Cessna ist auf der Strecke von Schweinfurt in Richtung Unterschleichach (Lkr. Haßberge) erst seit ein paar Minuten unterwegs, als der Luftbeobachter eine ungewöhnliche Luftbewegung entdeckt. Raucht da etwas? Hat sich dort unten ein abgemähtes Feld entzündet? Um das herauszufinden, legt Pilot Schumacher die Cessna in die Kurve und fliegt überm Suchgebiet kleine, immer enger werdende Kreise.

Ist diese Windhose vor Unterschleichach gefährlich? 

Aber schon hat Lunz die Ursache der Luftbewegung identifiziert: "Eine Windhose!", ruft er. Er macht sich auf seinem Handy eine Notiz; wird das Phänomen aber später nicht in den Bericht aufnehmen, den er der Regierung von Unterfranken nach dem Flug schicken muss: "Um gefährlich zu sein, müssten Windhosen größer sein als diese hier."

Um Luftbeobachter für die Bezirksregierung zu werden, reicht es nicht, nur aus einem Flugzeugfenster schauen zu können. Wäre die Windhose dort unten vor Unterschleichach nicht klein und ungefährlich, sondern groß und gefahrenträchtig, könnte sie einen Waldbrand beschleunigen oder auch eine Baumgruppe oder gar einen Ort ummähen – wie in Unterfranken heuer schon mehrfach passiert.

Sähe Lunz eine gefahrenträchtige Windhose, müsste er imstande sein, das Phänomen exakt zu lokalisieren, um die zuständigen Behörden zu alarmieren. Und dafür braucht es eine Ausbildung, etwa beim Schweinfurter Lufbeobachtungsausbilder Peter Wiggen.

Luftbeobachter müssen kartieren und funken können

"Die Leute müssen flugtauglich sein, das ist schon mal das Erste", hat Wiggen vor dem Flug im Schatten des Schweinfurter Hangars erzählt. Er bringt im Auftrag der Regierung von Unterfranken neuen Luftbeobachtern bei, wie man kartiert und auch, wie man den Digitalfunk BOS benutzt – jenes Funknetz, über das sich auch Polizei, Feuerwehr oder Rettungsdienste verständigen.

Neue Luftbeobachter rekrutiert die Regierung von Unterfranken aus der öffentlichen Verwaltung; die Bewerber kommen aus Landratsämtern, der Regierung selbst, aus der Berufsfeuerwehr oder, wie Lunz, aus dem Forstwesen.

Von oben klar zu sehen: Erkennbar geschädigte Wälder gerade im Süden Mainfrankens

Mittlerweile hat die Cessna-Besatzung die westlichen Ausläufer des Steigerwalds abgeflogen, hat Ebrach, Prichsenstadt und Iphofen hinter sich gelassen und ist mit einer Geschwindigkeit von rund 180 Stundenkilometern wieder auf Nordkurs gegangen.

Die Ostroute für die vorbeugende Luftbeobachtung führt im Zickzack-Kurs über die Ausläufer des Steigerwalds, die Hassberge und die Rhön. 
Foto: Fabian Gebert | Die Ostroute für die vorbeugende Luftbeobachtung führt im Zickzack-Kurs über die Ausläufer des Steigerwalds, die Hassberge und die Rhön. 

In dem kleinen Flugzeug ist es heiß; am Boden dürfte es noch mehr glühen. Aus knapp 1000 Metern Höhe ist gut zu sehen, was wochenlange Dauerhitze und Trockenheit dem unterfränkischen Boden angetan haben: Ehemals grüne Wiesen sind gelb und verbrannt, lassen sich farblich kaum von abgemähten Feldern unterscheiden – und das ist, erklärt Lunz, für Anfang August sehr ungewöhnlich.

Gerade rund um den Rekordhitze-Ort Kitzingen sind Wälder erkennbar geschädigt: Gruppen vertrockneter, brauner Laubbäume sind im Waldgrün klar auszumachen. Richtung Rhön werden die Wälder dichter, größer und dunkelgrüner: Klar, im Mittelgebirge regnet es eben doch noch mehr als im Kitzinger Weinanbaugebiet. Über der Rhön weht der Wind auch stärker, was dazu führt, dass die kleine Cessna ab und zu mal ein paar Meter absackt.

Für den Piloten ist das kein Problem. Wer, wie Benjamin Schumacher, hauptberuflich Lufthansa-Pilot ist und üblicherweise Hunderte von Passagieren im Düsenjet nach Südost-Europa fliegt, der kennt sich mit Luftlöchern jeder Art aus.

Was macht ein Lufthansa-Pilot an seinen freien Tagen? Fliegen!

Aber was veranlasst eigentlich diesen Mann, der am Vortag noch einen modernen Airbus nach Zypern geflogen hat, tags drauf ein 40 Jahre altes Kleinflugzeug – allerdings mit neuem Motor – über Unterfrankens Waldgebiete zu steuern? Und das auch noch ehrenamtlich?

"Ich habe gerade freie Tage", erzählt Schuhmacher. Beim Aero-Club Schweinfurt e.V, angesiedelt auf dem Flugplatz Schweinfurt-Süd, hat der jetzige Berufspilot vor Jahren seine ersten fliegerischen Erfahrungen gesammelt. Dem Verein selbst und auch der Flugbereitschaft Unterfranken fühlt sich der Grettstädter deshalb nach wie vor stark verbunden.

Die Luftbeobachtungsflüge müssen in den nächsten Tagen weitergehen

Binnen zwei Stunden hat die Cessna jetzt nach der Vorrhön auch die Haßberge und die Hohe Rhön mit dem Kreuzberg überflogen. Rauchfäden sind über keinem dieser Waldgebiete zu sehen. "Keine besonderen Auffälligkeiten", wird Matthias Lunz nach dem 370 Kilometer langen Flug im Bericht an die Regierung von Unterfranken schreiben.

Schweinfurts Fabrikhallen tauchen jetzt auf, dann die vierspurige A70. Die kleine Cessna sinkt und landet auf der vergilbten Schweinfurt-Süd-Graspiste. Obwohl die Sonne bald untergehen wird, ist es draußen immer noch heiß. Die Luftbeobachtungsflüge werden und müssen, das hat die Regierung von Unterfranken schon angekündigt, in den nächsten Tagen weitergehen.

Luftbeobachtung zum Zweck der vorbeugenden Waldbrandbekämpfung

Anordnung: Bei sehr hoher Waldbrandgefahr ordnen die bayerischen Bezirksregierungen Flüge zur Luftbeobachtung an. Aufgabe der Teams, bestehend aus einem Piloten und einem Luftbeobachter, ist es, Waldbrände möglichst früh zu erkennen, die Brandstelle exakt zu lokalisieren und die Feuerwehren für die Brandbekämpfung zu alarmieren. 
Piloten: Die Flüge zur Luftbeobachtung werden von Piloten der Luftrettungsstaffel Bayern e.V. durchgeführt. Verteilt auf 32 Stützpunkten stehen in Bayern über 300 ehrenamtliche Piloten mit 150 Flugzeugen und fünf Hubschraubern zur Verfügung. In Unterfranken sind aktuell über 30 Piloten einsatzbereit. Die Bezirksregierungen zahlen für die Flugkosten; aktuell 240 Euro pro Stunde für eine viersitzige und 150 Euro pro Stunde für eine zweisitzige Maschine. Die Piloten allerdings fliegen ehrenamtlich und werden für ihren Einsatz nicht bezahlt. 
Luftbeobachter: In ganz Unterfranken stehen aktuell 38 Luftbeobachter zur Verfügung. Die Leute sind im Hauptberuf alle staatliche Angestellte; üblicherweise aus der Regierung, den Landratsämter, der Feuerwehr oder dem Forst. Auch sie bekommen für ihre Einsätze kein Geld, allerdings für die Einsatzzeit einen Freizeitausgleich. 
Routen: In Unterfranken starten die Luftbeobachtungsflüge auf der Ostroute über die Hassberge, die Rhön und den Steigerwald ab den Flugplätzen Schweinfurt-Süd und Hassfurt. Von Hettstadt und Mainbullau bei Miltenberg wird die Westroute über den Spessart abgeflogen. 
Einsätze: Im Jahr 2022 hat die Regierung von Unterfranken bereits an 20 Tagen Luftbeobachtungsflüge angeordnet. Im Jahr 2020 waren es 23 Tage, im Jahr 2019 20 Tage und im Jahr 2018 30 Tage. Das bisherige Rekordjahr war der Hitzesommer 2003, in dem insgesamt 73 Einsatzflüge stattfanden. 
Einsatzbilanz: Allein in diesem Jahr konnten in Bayern bei über 300 Beobachtungsflügen schon 70 Wald- und Flächenbrände festgestellt werden. In Unterfranken entdeckten die Luftbeobachter in diesem Jahr acht Waldbrände, 18 Flächenbrände und zwei brennende Gebäude.
Quelle: Regierung von Unterfranken, Bayerisches Innenministerium
 
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  • W. W.
    Einfach mal Danke sagen an die beiden Luftbeobachter und deren Kollegen. Ebenso auch an die vielen anderen freiwilligen ehrenamtlichen Helfer im Feuerwehr- und Rettungswesen.
    Ihr macht alle einen hervorragenden Job.
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