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Würzburg/Schweinfurt
Rekord-Hitze: 5 Gründe, warum Unterfranken der Temperaturen-Hotspot in Bayern ist
Der Norden Bayerns ist wärmer und trockener als der Süden. Rekord-Hitze wird meist in Unterfranken gemessen. Der Würzburger Klimaforscher Heiko Paeth erklärt, warum das so ist.
Hitzetage mit mindestens 30 Grad und oft darauffolgende Tropennächte, in denen die Temperaturen nicht unter 20 Grad abkühlen, schränken die Lebensqualität vieler Menschen ein.
Foto: Liudmila Chernetska, Getty Images | Hitzetage mit mindestens 30 Grad und oft darauffolgende Tropennächte, in denen die Temperaturen nicht unter 20 Grad abkühlen, schränken die Lebensqualität vieler Menschen ein.
Angelika Kleinhenz
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:16 Uhr

Heiß, heißer, Unterfranken: Der bisherige Hitzerekord in Bayern liegt bei 40,4 Grad. Er wurde am 25. Juli 2019 im unterfränkischen Kahl am Main (Lkr. Aschaffenburg) gemessen. In diesem Jahr hat Kitzingen einmal mehr seinen Ruf als eine bayerische Hitze-Hochburg verteidigt: Am 20. Juli meldete die Stadt mit 39,6 Grad den bislang höchsten Wert im Freistaat. Im Jahr 2015 hatte Kitzingen sogar den deutschen Hitzerekord aufgestellt – mit 40,3 Grad. Den aktuellen Rekord hält Duisburg mit 41,2 Grad, gemessen am 25. Juli 2019.

Unterfranken scheint der Hitze-Hotspot Bayerns zu sein. Und nicht nur das: Bad Königshofen (Lkr. Rhön-Grabfeld) hatte nach 2019 und 2020 auch 2021 wieder die zweifelhafte Ehre, die Stadt mit den geringsten Niederschlägen in Bayern zu sein. Warum leidet Unterfranken besonders oft unter Hitze und Trockenheit? Heiko Paeth, Klimaforscher und Professor für Geographie an der Universität Würzburg, nennt fünf Gründe:

1. Tiefster Punkt Bayerns liegt in Unterfranken

Je höher ein Ort liegt, desto kühler sind dort in der Regel die Temperaturen. Doch mit Höhe kann Unterfranken nicht punkten. Im Gegenteil: Der tiefste Punkt Bayerns liegt in Kahl am Main (Lkr. Aschaffenburg). Der Ort selbst liegt 107 Meter über dem Meeresspiegel. Der niedrigste Punkt liegt im Main an der Kahlmündung auf 101,7 Metern. München liegt etwa 350 Meter höher als die Innenstadt von Würzburg. Deshalb seien die Münchner automatisch weniger von Hitze bedroht als die Würzburger, sagt der Geographieprofessor. Würzburg liegt etwa 170 Meter über dem Meeresspiegel. Der tiefste Punkt Würzburgs liegt mit 166 Metern am Alten Kranen und am Neuen Hafen.

Trockene Ackerböden sind durchfurcht von tiefen Rissen.
Foto: Alfred Schott | Trockene Ackerböden sind durchfurcht von tiefen Rissen.

2. Mittelgebirge sorgen für Trockenheit 

Eine zentrale Rolle für die Trockenheit in Unterfranken spielen die umliegenden Mittelgebirge. Unterfranken wird im Nordwesten vom Spessart und im Norden von der Rhön abgegrenzt. Aus dieser Richtung kommen meist die Luftmassen, die Feuchtigkeit und Bewölkung ins Maindreieck bringen, so der Klimaforscher. Sprich: Die Mittelgebirgslagen stehen diesen Luftmassen im Weg. Und in Unterfranken bleibt es trocken, weil sich die Wolken bereits auf der windabgewandten Seite der Mittelgebirge auflösen. Ohne Bewölkung aber treiben im Sommer, wenn die Sonne hoch am Himmel steht, die vielen Sonnenstunden die Temperaturen weiter nach oben. Denn je stärker die Sonneneinstrahlung im Sommer an einem wolkenlosen Himmel ist, desto mehr heizt sich die Region auf.

3. Hänge und Kessellage verstärken die Hitze

Hinzu kommen weitere topographische Besonderheiten in Unterfranken, zum Beispiel die vielen Hanglagen am Main. Heiko Paeth sagt: "Es ist kein Zufall, dass wir hier in Franken das größte bayerische Weinanbaugebiet haben." Auf den nach Süden exponierten Hängen treffen die Sonnenstrahlen in unserer Klimazone fast senkrecht auf den Boden, erklärt der Klimaforscher. Durch die Kessellage kann die Luft weniger zirkulieren und die Hitze staut sich.

4. Trockenheit verschärft die Hitze

Fällt über lange Zeit kein oder nur wenig Niederschlag, trocknen die Böden in der Sonne aus. Ein Teufelskreis beginnt. Denn trockene Böden absorbieren weniger Sonnenenergie und es findet weniger Verdunstung auf ihrer Oberfläche statt. Dadurch wird es noch wärmer. Heiko Paeth sagt: "Je wärmer und trockener es ist, desto wärmer und trockener wird es."

Einen Effekt hat die Trockenheit auch auf das Mikroklima der Städte. Denn Trockenheit setzt die Kühlleistung der Vegetation herab. Dies ist das Ergebnis der Auswertung der Wetterdaten, die an sieben verschiedenen Standorten im Stadtgebiet Würzburg seit 1. Januar 2018 rund um die Uhr aufgezeichnet werden. Die dichten Baumbestände im Ringpark könnten die Luft um bis zu 3,5 Grad an heißen Sommertagen herunterkühlen, so Stadtklima-Forscher Christian Hartmann. Vorausgesetzt, den Bäumen gehe es gut und sie seien ausreichend mit Wasser versorgt. 

Dies scheint in diesem Jahr durch die anhaltende Trockenheit nicht mehr der Fall zu sein. Die Kühlleistung der Bäume sei aktuell niedriger als im Hitzesommer 2018, so Paeth. Besonders spüren das die Würzburgerinnen und Würzburger. Denn durch den städtischen Wärme-Insel-Effekt ist es im Sommer in der Innenstadt generell heißer als im Umland. An heißen Tagen wurden zwischen der Wetterstation am Würzburger Marktplatz und der Wetterstation in Gerbrunn (Lkr. Würzburg) je nach Tageszeit schon Temperaturunterschiede bis zu 8 Grad gemessen. 

Rekord-Hitze: 5 Gründe, warum Unterfranken der Temperaturen-Hotspot in Bayern ist

5. Azorenhoch rückt durch den Klimawandel näher

Auch die Nähe zum Azorenhoch beeinflusst die Wetterlage in Unterfranken. Generell komme der Süden Deutschlands häufiger in den Einfluss dieses Hochdruckgebiets als der Norden, erklärt Paeth. In Freiburg, das noch weiter im Südwesten und damit noch näher am Azorenhoch liegt, sei es deshalb besonders warm.

Der Klimaforscher warnt: Auf einem wärmeren Planeten würden sich die tropischen Zirkulationszonen weiter ausdehnen. Er sagt: "Die meisten Klimamodelle zeigen, dass sich das Azorenhoch bei steigenden Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre in Richtung Nordosten ausdehnt. Dann kommt es über die iberische Halbinsel und Frankreich zu uns." Der Klimawandel befördere also eine Wetterlage, die mit großer Trockenheit und starker Sonneneinstrahlung einhergehe und relativ lange andauere.

Ausblick: Bleibt Unterfranken ein Hotspot für Hitze und Trockenheit?

Unterfranken sei bereits ein Hotspot des Klimawandels, sagt Klimaforscher Heiko Paeth. Während sich die Erde seit Beginn der flächendeckenden Messungen um 1,05 Grad erwärmt hat, liege die Erwärmung in Unterfranken bereits bei 1,7 Grad. Ohne Maßnahmen, die den Ausstoß der Treibhausgase in die Erdatmosphäre reduzieren, steuere Unterfranken auf eine Erwärmungsrate von 4,5 Grad bis Ende des Jahrhunderts zu. "Ein Drittel haben wir also schon erreicht, zwei Drittel kämen noch hinzu", sagt Paeth. Dies hätte unter anderem eine Versechsfachung der Hitzetage im Raum Würzburg, Kitzingen und Aschaffenburg auf - im Durchschnitt - über 30 pro Jahr zur Folge.

 
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    Was sind die Immobilen dann noch wert, wenn wir in Unterfranken mit noch viel häufigeren Hitzetagen, mit noch höheren Temperaturen rechnen müssen. Wie schaut’s dann mit der Wasserversorgung aus? Ich ärgere mich schon lange über Diskussionen, den Weinbau mit riesigen Subventionen am Leben zu halten, wenn kaum Wasser für die dringend notwendige Begrünung der Städte und Dörfer verfügbar ist.
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  • F. R.
    "Denn durch den städtischen Wärme-Insel-Effekt ist es im Sommer in der Innenstadt generell heißer als im Umland. An heißen Tagen wurden zwischen der Wetterstation am Würzburger Marktplatz und der Wetterstation in Gerbrunn (Lkr. Würzburg) je nach Tageszeit schon Temperaturunterschiede bis zu 8 Grad gemessen."

    Heißt das, dass man zu den offiziellen Daten der Wetterstation in Gerbrunn noch bis zu 8 Grad für die Würzburger Innenstadt hinzurechnen müsste? Dann wäre ja WÜ die mit Abstand heißeste Stadt Deutschlands.

    Zu den Erläuterungen warum Ufr. an heißesten in BY ist: das ist alles Stoff der Heimatkunde, die der Freistaat abgeschafft hat, wodurch den Landeskindern Grundwissen fehlt - nicht nur hier, sondern sie wurden auch in vielen anderen Dingen hilflos und ihnen fehlt auch die Grundlage für Geografie im Gymnasium, sie können keine Karten mehr lesen und wurden zu geografischen Analphabeten. Karten sind Grundlage für viele Berufe & Freizeit/ Urlaubsplanung, wo sie wieder hilflos sind
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  • D. P.
    Der Unterschied zur Wetterstation und gemessener Temperatur in der Innenstadt beträgt BIS ZU 8 Grad. Pauschal hinzuaddieren kann man die 8 Grad also nicht. Die Teils starken Unterschiede zwischen Wetterstation und gemessener Werte in der Innenstadt (Schatten, nicht geeicht) kann ich bestätigen. Vor allem Nachts und in den Morgenstunden kann man das beobachten. Ist auch nachvollziehbar, weil im Kessel der Innenstadt kühlt es nicht so schnell ab und es heizt sich schnell wieder auf. Und ja, es kann durchaus sein, dass Würzburg - oder auch andere Städte mit ähnlich bescheidener Lage der Wetterstation - die heißeste Stadt wäre, obwohl die Wetterstation was anderes sagt. Für diese (traurigen) Rekorde werden meines Wissens nur die Daten der offiziellen Wetterstationen herangezogen.
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  • M. F.
    Eine Bitten an Herrn Paeth zur Ergänzung:
    Bei 4,5 Grad Erwärmung bis Ende des Jahrhunderts in Unterfranken, worauf muss sich der Mensch einstellen? Eignet sich Unterfranken dann überhaupt noch als menschlicher Siedlungsraum?
    Es wird ja bereits bei 3 Grad globaler Erwärmung vor verheerenden Folgen gewarnt. Vielen Dank!
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  • D. E.
    x6 macht etwa 90 Hitzetage pro Jahr in Würzburg.
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    Welche Erfahrungswerte bestehen denn für eine Abkühlung von 4,5 Grad? Insbesondere Erfahrungswerte der rezenten Zivilisation?
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  • D. P.
    Sie sind wirklich der Knaller. Sie stellen fest, dass ein Abkühlen um 4,5 Grad nicht gut ist. Wir wären dann wieder in der Eiszeit. Die Zivilisation, wie wir sie heute kennen, wird dann so nicht mehr existieren können. Sie stellen fest, dass es eine Erwärmung um 4,5 in der Vergangenheit noch nicht gab. Trotzdem erleben wir sie gerade und können auch erklären, warum. Haben Sie mal daran gedacht, dass man (in so kurzer Zeit) weder eine Abkühlung noch eine Erwärmung haben möchte und die Auswirkungen in beide Extreme katastrophal sind?
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  • D. P.
    Eine regionale Abkühlung für Unterfranken ist bei dem aktuellen Trend sehr unwahrscheinlich.

    Eine DURCHSCHNITTLICHE Erwärmung von 10-15 Grad in Unterfranken wäre absolut lebensfeindlich.
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  • D. P.
    Ab 3 Grad Erwärmung wird von der Menschheit nicht mehr viel übrig sein. Wetterextreme finden dann regelmäßig statt und zerstören Infrastruktur schneller, als sie wieder aufgebaut ist. Erfolgreiche Ernten werden zur reinen Lotterie. Da auch die globale Infrastruktur ge- und zerstört ist, kann man das nicht wie heutzutage über Importe/Exporte ausgleichen. Man muss davon ausgehen, dass es zu Ressourcenkämpfen kommen wird. Der Meeresspiegel steigt bis zum Ende des Jahrhunderts um 1-2 Meter. In den nächsten Jahrhunderten um etwa 60 Meter. Es wird zu Fluchtbewegungen in küstennahen Regionen kommen. Ein Großteil der Erde wird zur Steppe oder Wüste. Auch hier wird es zu Fluchtbewegungen kommen.

    Es ist halt leider nicht so, dass es einfach nur ein paar Grad wärmer wird und wir uns entspannt anpassen können.

    Zum nachlesen (verlinkt ist Teil 10, weil hier das Inhaltsverzeichnis ist):
    https://www.heise.de/tp/features/Unausweichlicher-Klimawandel-Was-tun-4642785.html
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  • D. P.
    Noch ein Nachtrag, weil ich es zu spät gelesen habe: Mein Kommentar bezieht sich auf die globale Erwärmung. Die regionale Erwärmung fällt für Unterfranken bereits jetzt stärker aus als im globalen Durchschnitt. Die katastrophalen Auswirkungen sind aber vergleichbar. In unserer Region wird der Wald sterben, es kommt zur Versteppung. Unsere Infrastruktur ist für die Hitze und Extremwetter nicht ausgelegt. Eine Anpassung ist aufgrund der Schnelligkeit der Erwärmung und der Häufigkeit der Extreme schwierig bis unmöglich. In der Konsequenz werden die meisten Menschen aus der Region flüchten.

    Man kann es sich einfach nicht vorstellen, was die paar Grad ausmachen. Und eigentlich will man es auch gar nicht wahrhaben.
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