Corona, Fachkräftemangel, Lieferengpässe: Diese trüben Dauerthemen beherrschen zurzeit die Stimmung der Wirtschaft – in Mainfranken und anderswo. Schaut man genauer hin, wird aber deutlich: Es gibt auch Mutmachendes in der Region. Die entscheidende Frage ist, wo und warum.
Antworten darauf liefert der Konjunkturbericht 2022, den die Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt turnusmäßig am Dienstag vorstellte und für den im Januar 272 von 784 befragten Unternehmen antworteten.
"Heiter bis wolkig", so drückte IHK-Präsident Klaus D. Mapara die Stimmung im Stile einer Wettervorhersage aus. Der Jahresbeginn sei für die Wirtschaft "robust, aber es gibt Dämpfer". Was das im Einzelnen bedeutet:
1. Erholung hält an
Wie die Stimmung ist, drückt die IHK stets mit dem Konjunkturklima-Index aus. Er fasst in einem Wert zusammen, wie die Unternehmen ihre derzeitige und künftige Lage beurteilen. Dieser Wert liegt im Moment bei 121 Punkten.
Er war zu Beginn der Pandemie, also Anfang 2020, innerhalb weniger Wochen von gut 130 auf 86 Punkte abgestürzt. Dann setzte bis zum vergangenen Herbst eine permanente Erholung ein, die laut IHK nun zwar etwas gebremst worden ist, aber weiterhin anhalte.
2. Im Sonnenschein: die Industrie
52 Prozent der befragten Industrieunternehmen gaben zum Jahreswechsel gegenüber der IHK an, dass sie gute Geschäfte machen. Das Stimmungsbarometer ist damit auf dem höchsten Stand seit drei Jahren. Gut 80 Prozent der Betriebe seien zufriedenstellend oder gut ausgelastet, heißt es in dem Konjunkturbericht.
Von 2022 erwartet die regionale Industrie freilich nichts Bahnbrechendes. 62 Prozent der Unternehmen gehen davon aus, dass die Geschäfte unverändert bleiben, nur 28 Prozent sehen eine Belebung auf sich zukommen.
3. Im Schatten: Handel und Tourismus
Regelrecht abgestürzt ist die Laune der Händler in Mainfranken. Grund: Das Auf und Ab der Corona-Regeln hat nach einer deutlichen Erholung der Geschäfte Mitte 2021 nun dazu geführt, dass der Einzelhandel "überwiegend von schlechten Geschäften berichtet", ist im IHK-Bericht zu lesen.
Alles andere als rosig sieht es auch im Tourismus aus. 93 Prozent der Betriebe seien massiv in ihren Geschäften gestört, so Kammerpräsident Mapara.
4. Was generell die Stimmung trübt
Nahezu zeitgleich zum IHK-Bericht kam aus einer ganz anderen Richtung diese Einschätzung: "Die mittelständischen Industrien sehen einen Lichtschimmer am Horizont. Mehr aber auch nicht - die Kosten belasten zu sehr." Was der Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung in Düsseldorf für Deutschland verkündete, passt auch für das vom Mittelstand geprägte Mainfranken. Gerade die stark gestiegenen Preise für Energie und Rohstoffe "drücken stark auf das unternehmerische Gemüt", sagte IHK-Präsident Mapara.
Kein Wunder: Gas ist im Dezember binnen Jahresfrist im Großhandel um 600 Prozent teurer geworden. Auch Heizöl und Benzin/Diesel haben ein Spitzenniveau auf der Preisskala erreicht. Insofern wird klar, warum in der IHK-Umfrage die Energiepreise momentan als großes Problem für die konjunkturelle Entwicklung angesehen werden.
Immerhin: Die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen im Land und damit zum Beispiel die vom Staat auferlegte Bürokratie werden zwischen Rhön, Spessart und Steigerwald als nicht mehr so schmerzhaft empfunden wie noch im Herbst.
IHK-Konjunkturexpertin Elena Fürst schränkte am Dienstag allerdings ein, dass Dauerbrenner wie Corona oder Fachkräftemangel das Streitthema Bürokratie schlicht überholt hätten. Sie werde von den Unternehmen mittlerweile wohl eher hingenommen.
5. Im Besonderen: Materialmangel, Lieferketten
Dass Betriebe zu wenig Material für ihre Produktion haben, ist im Vergleich zum Beispiel zum Fachkräftemangel ein neues Thema. Aber eines mit Top-Priorität: Denn der IHK-Umfrage zufolge leiden zwei Drittel der Unternehmen in der Region zum Teil erheblich darunter, dass Holz, Stahl, Computerchips oder ähnliche Dinge knapp geworden sind. In ähnlichem Maße sehen die Betriebe die brüchigen Lieferketten als Risiko für ihr Dasein an.
6. Fachkräftemangel: Immer noch keine Lösung
2,8 Prozent Arbeitslosigkeit in Mainfranken: Das ist für IHK-Hauptgeschäftsführer Ralf Jahn Vollbeschäftigung. Deswegen sei die Region "eine Insel der Glückseligkeit".
Aber: Viel Beschäftigung bedeutet viel Nachfrage nach Personal. Dem Konjunkturbericht zufolge wollen 25 Prozent der mainfränkischen Betriebe heuer neue Jobs schaffen, vor allem in der Industrie. Doch woher sollen neue Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kommen?
So bleibt der seit Jahren grassierende Fachkräftemangel – und mit ihm der Mangel an Auszubildenden – neben den hohen Energiepreisen mit Abstand die größte Gefahr, die die Betriebe für ihren wirtschaftlichen Erfolg sehen. IHK-Chef Jahn bedauerte, dass es auch nach Jahren des Werbens nicht gelinge, Schulabgänger in ausreichendem Maße von einer Berufsausbildung zu überzeugen: "Da treten wir leider auf der Stelle."
7. Aussichten für 2022: Gut, aber...
2009 im Zuge der weltweiten Finanzkriseund Mitte 2020 wegen der Corona-Pandemie hatte es die beiden deutlichsten Tiefpunkte im Stimmungsbarometer der mainfränkischen Industrie gegeben. Derzeit liegt der Saldo aus "gutgelaunt" und "schlechtgelaunt" noch im positiven Bereich, wie der IHK-Bericht zeigt.
Demnach gehen 25 Prozent der Betriebe (Herbst 2021: 29 Prozent) davon aus, dass sich in diesem Jahr die Geschäfte verbessern werden. 14 Prozent (13) hingegen erwarten das Gegenteil. Deshalb sprach IHK-Präsident Mapara am Dienstag auch von einem "guten Signal", weil sich die regionale Wirtschaft mit Einschränkungen weiter aus dem Corona-Tal herausarbeite.