Noch nie zuvor gab es so viele minderjährige Flüchtlinge ohne Begleitung, die im Landkreis Schweinfurt registriert sind. Im Januar waren es 36, die das Jugendamt betreut hat. "Der Strom wird nicht abreißen", ist sich Udo Schmitt, Leiter des Kreisjugendamts, sicher. Viele der Gestrandeten landen zunächst im Ankerzentrum, der einzigen zentralen Anlaufstelle für Geflüchtete in Unterfranken.
Was kaum jemand weiß: Für Menschen, die nicht volljährig sind, ist nicht das Ankerzentrum, sondern das Jugendamt zuständig, das seit langem personell am Anschlag arbeitet. Dessen Leiter, Udo Schmitt, beantwortet die Fragen der Redaktion, was aus den jungen Menschen wird, die sich alleine auf die Flucht begeben und es bis hierher geschafft haben.
Wie viele unbegleitete Geflüchtete leben derzeit im Landkreis Schweinfurt?
Zum 31. Januar wurden vom Jugendamt 36 unbegleitete minderjährige Ausländer (UMA) betreut, davon 19 im Landkreis Schweinfurt, neun im Jugendwohnen bei Kolping in der Stadt Schweinfurt und die weiteren acht in Jugendhilfeeinrichtungen in anderen Landkreisen. In den Jahren ab 2019 hatte sich die Zahl der minderjährigen Flüchtlinge zwischen elf und 19 im Jahr bewegt.
Welcher Nationalität gehören sie überwiegend an?
Die jungen Menschen kommen überwiegend aus Syrien und Afghanistan.
Wie gelangen sie nach Deutschland?
Den Fluchtgeschichten der Betroffenen nach reisen viele über den Balkan, aber auch einige über Italien und die Schweiz ein.
Wieso werden viele vor dem Ankerzentrum für Geflüchtete bei Geldersheim abgesetzt?
Nach Informationen des Jugendamts werden sie, nachdem sie vorher andernorts aufgenommen wurden, ins Ankerzentrum weitergeleitet. Dabei spielt eine Rolle, dass teilweise bei Alleinreisenden die Altersfeststellung nicht immer eindeutig ist bzw. Minderjährige auch im Verbund mit Verwandten oder einer Fluchtgemeinschaft weitergeschickt werden. Es gibt aber auch Jugendliche, welche unvermittelt am Ankerzentrum erscheinen. Das Jugendamt kann nur vermuten, dass sie eventuell von Schleusern abgesetzt oder die Adresse bekommen haben.
Weswegen sind Minderjährige überhaupt alleine auf der Flucht?
Vielen wird von den Eltern die Flucht ermöglicht, um die Jugendlichen vor den Unruhen und Kriegswirren im eigenen Land in Sicherheit zu wissen, in der Hoffnung, dass sie sich eine Existenz aufbauen können. Es gibt auch Fälle, in denen sich die Familie bereits auf der Flucht befindet, getrennt wird oder ein Teil etwa im Iran oder in der Türkei zurückbleibt und die Jugendlichen dann alleine weiterreisen.
Einige, die nicht aufgrund von Krieg oder Verfolgung das Land verlassen, erhoffen sich vermutlich bessere Lebensbedingungen. In jüngerer Vergangenheit gab es nach Kenntnis des Jugendamts auch Fälle, in denen die Jugendlichen "vorgeschickt" wurden in der Hoffnung, dass die Familie nachkommen kann.
Wo werden die Jugendlichen untergebracht?
Bislang erfolgte die Unterbringung in Jugendhilfeeinrichtungen oder in wenigen Fällen in Pflegefamilien. Der bayernweit zu verzeichnende verstärkte Zustrom ab Herbst 2022 hat dazu geführt, dass vielerorts keine Platzkapazitäten in Jugendhilfeeinrichtungen mehr zur Verfügung standen. Es wurden derart viele Jugendliche vorläufig in Obhut genommen, dass diese in einem Gasthaus im Landkreis Schweinfurt untergebracht werden mussten.
Welche Erstmaßnahmen trifft das Jugendamt?
Sobald das Jugendamt Kenntnis davon erhält, dass ein Minderjähriger sich ohne Erziehungsberechtigten im Ankerzentrum aufhält, stellen Sozialpädagoginnen und -pädagogen des des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD) das Alter fest. Kann eine Minderjährigkeit nicht ausgeschlossen werden, werden die Betroffenen vorläufig in Obhut genommen und kommen in eine Jugendhilfeeinrichtung.
In Einzelfällen, wenn sie sich in Begleitung von Verwandten befinden, wird versucht, von den Eltern eine Personensorgevollmacht zu erhalten, um die Jugendlichen nach Möglichkeit nicht durch eine Trennung von Bezugspersonen zu traumatisieren. Auch bei der Unterbringung in angemieteten Unterkünften stellt das Jugendamt die Betreuung sicher; dabei wird es von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern unterstützt. Gerade die Versorgung in den ersten Tagen ist laut Jugendamtschef Udo Schmitt sehr aufwändig.
Wie werden die Jugendlichen weiterbetreut?
Innerhalb von etwa 14 Tagen werden die Betroffenen im Rahmen der bundesweiten Verteilung nach dem Königsteiner Schlüssel einem Jugendamt zugewiesen. Dort erfolgt zunächst ein Clearing: Es wird der genaue Jugendhilfebedarf festgestellt und danach werden im Regelfall die Jugendlichen in einer Einrichtung oder auch in Pflegefamilien untergebracht.
Welche zusätzliche Unterstützung ist möglich?
Sie ist laut Jugendamt abhängig von den situativen und örtlichen Gegebenheiten. Der zentrale Punkt ist immer das Sprachverständnis. Es gibt Integrationsklassen an den Schulen, wobei auch dort teilweise die Kapazitäten erschöpft sind. Je nach personellen Ressourcen haben auch Einrichtungen interne Sprachkurse angeboten. Im Rahmen der stationären Jugendhilfe wird versucht, die Jugendlichen durch Vermittlung westlicher Werte zu integrieren, sie in soziale Netzwerke einzugliedern und auch beim Übergang in die Selbständigkeit ambulant zu betreuen.
In welcher gesundheitlichen Verfassung befinden sich die jungen Geflüchteten in der Regel?
In der Regel sind sie bei guter Gesundheit. Vereinzelt bestehen unterschiedliche medizinische Probleme (orthopädisch, Nierenerkrankung, Verletzungsfolgen). Bei vielen Jugendlichen spielen psychische Belastungen eine Rolle. In unterschiedlicher Ausprägung – von "normaler Stressbewältigung" bis hin zu depressiven Episoden, Panikzuständen oder posttraumatischen Belastungsstörungen.
Wie kann man sie in Schulunterricht bzw. Berufsausbildung integrieren?
Die Chancen der Integration ins Berufsleben stehen und fallen mit der sprachlichen Verständigung. Die persönlichen Voraussetzungen sind ganz unterschiedlich: Manche Jugendliche haben im Heimatland regulär eine Schule besucht, andere wiederum wurden kaum unterrichtet. Entsprechend unterschiedlich müssen sie an das Bildungssystem herangeführt werden. Letztlich werden die Möglichkeiten definiert durch die Ressourcen der Integrationsklassen oder die Möglichkeiten und dem Engagement der Regelschulen.
Wie geht es mit ihnen weiter, auch ohne Jugendamt?
Befinden sich die Jugendlichen in einer Maßnahme des Jugendamtes, lernen sie zunächst die Gegebenheiten des Alltags kennen, erleben oftmals erst wieder Sicherheit und ein stabiles Umfeld, passen sich in das soziale Umfeld an, erlernen die Sprache und versuchen im schulischen/beruflichen System Fuß zu fassen. Manche müssen auch erst über therapeutische Intervention stabilisiert werden. Je nach persönlichen Fähigkeiten und Entwicklungsfortschritten "werden sie zu einer selbständigen Lebensführung begleitet", formuliert das Jugendamt das Ziel.
Viele erhalten nach Erreichen der Volljährigkeit Unterstützung durch die Jugendhilfe und werden nach der Entlassung aus der stationären Maßnahme noch ambulant unterstützt. In einigen Fällen gelingt es, dass Eltern oder Verwandte ausfindig gemacht werden können und sie dann bei ihnen leben können.
Welche Bleibeperspektiven haben sie?
Fast alle haben einen Asylantrag gestellt. Im Landkreis Schweinfurt ist bisher nur ein Fall bekannt, bei dem ein Jugendlicher zurückgeführt wurde. Im Rahmen der Jugendhilfe haben geflüchtete Minderjährige Schulabschlüsse oder Ausbildungsstellen erlangt. Damit ergeben sich gute Chancen auf eine Integration und positive Bleibeperspektive. Letztlich wird diese aber bestimmt durch die Vorgaben des Ausländerrechts.
Andererseits stellt man sich schon die Frage, Welches Eltern oder welches Elternteil sein eigenes Kind (dann auch oft noch ohne Papiere) auf die gefährliche Route schickt in das Land wo Milch und Honig fließen?
Dass es für alle riskant ist, steht außer Frage, dass es unterschiedliche Motivationen gibt zwischen Ukraine und Syrien/Afghanistan ist auch klar, und dass wir Hilfe leisten müssen, wenn jemand verfolgt wird, ist auch klar, aber wir sollten nicht dikutieren, wer es nötiger hat, wer mehr oder weniger Wert ist, oder warum so und soviel Männer oder Frauen jeden Alters dabei sind.
Die, die es brauchen müssen versorgt werden, aber die Missbrauchsfälle schneller identifiziert und auch konsequent abgeschoben werden!
https://www.fraenkischertag.de/region/bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-in-der-kritik-messerangreifer-und-axt-attentaeter-von-wuerzburg-bei-einreise-selbst-juenger-gemacht-art-157375
https://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/fluechtlinge-warum-vor-allem-maenner-nach-deutschland-kommen-a-1051755.html
https://www.unhcr.org/dach/at/frauen-auf-der-flucht
Aus der Ukraine kamen fast ausschließlich Frauen und Kinder - sowohl Mädchen, als auch Jungs.
Nur die alle anderen Staaten schicken ausschließlich männliche Kinder los.
Hierzu wäre eine Erklärung doch mal interessant
susorf20512503 hat allen, die es selbst nicht differenzieren können, eine fundierte Antwort gegeben.
Auch sind viele der Herkunftsländer patriarchalisch geprägt, daher sind männliche Jugendliche dort tendenziell besser (aus)gebildet und ihnen wird daher wohl eher zugetraut, nach der Flucht im Ankunftsland wirtschaftlich erfolgreich zu sein, um die Familie entweder nachholen zu können oder aus der Ferne finanziell zu versorgen.
Auch wären/ sind weibliche Jugendliche auf oft monatelanger Flucht unter anderem aufgrund ihrer körperlichen Unterlegenheit zusätzlichen Gefahren ausgesetzt: Vergewaltigungen, sexuelle Ausbeutung etc.
Und da den Familien auch nur begrenzte finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, eine tausende € teure Flucht zu finanzieren, setzen sie dann eben auf männliche Nachkommen.
Weil die Ukraine also, bis auf wenige Ausnahmen mit Sondererlaubnis, Männer seit einem Jahr nicht mehr ausreisen lässt, kommen davon auch nur so wenige bei uns an.
Fragen Sie mal bei den Jobcentern nach, wieviel Männer inzwischen Leistungen beziehen!