Die Hochschule Würzburg-Schweinfurt veranstaltete in Kooperation mit der Evangelischen Jugendhilfe Würzburg und der Diakonie Jugendhilfe Oberbayern die Fachtagung „Unbegleitete minderjährige Ausländer in Bayern – Die Situation drei Jahre nach dem Beinahezusammenbruch der Jugendhilfe“. 160 Experten und über 40 Studierende nutzten die Vorträge zur Information sowie zum Austausch und zum Diskurs.
Vizepräsident Professor Ralf Roßkopf gab einen Rückblick auf das Jahr 2014: Die Hochschule lud aufgrund deutlich steigender Zahlen von ankommenden, unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen zur ersten Fachtagung ein – die Zahl von achthundert Teilnehmern habe das große Interesse an der Thematik gezeigt. Mit einer wahren Euphorie seien die Menschen seinerzeit den Zügen entgegengeeilt und hätten Flüchtlinge mit „Welcome“-Schildern und Plüschtieren mit offenen Armen und einem hohen ehrenamtlichen Engagement empfangen. Bereits ein halbes Jahr später sei die Hochstimmung deutlich abgeklungen – spätestens die Vorkommnisse in Köln in der Neujahrsnacht hätten die Meinungen kippen lassen, aus einem Miteinander habe sich ein Gegeneinander entwickelt, Vertrauen sei verspielt worden.
Die Hochschule habe seinerzeit neue Studiengänge entwickelt zur Ausbildung von Studierenden, um sie auf die Thematik Flüchtlinge professionell vorzubereiten, Sprachkurse für Flüchtlinge seien angeboten worden, um diese für ein Studium vorzubereiten.
Dr. Hülya Düber, Sozialreferentin der Stadt Würzburg, zeigte anhand von Zahlen, wie schnell sich in nur wenigen Jahren die Situation von Flüchtlingen, besonders die der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, verändert habe: Seien 2011 gerade einmal fünf Kinder und Jugendliche nach Würzburg gekommen, habe sich die Zahl im Jahr 2015 auf 413 drastisch erhöht und sei mit 65 Inobhutnahmen junger Menschen 2017 ebenso stark wieder gesunken.
Innerhalb dieser wenigen Jahre habe man sich mit enormen strukturellen und fachlichen Aufgaben konfrontiert gesehen, die Jugendhilfe sei nicht kollabiert, habe aber auf der Kippe gestanden. Man habe alles nur Mögliche getan, es sei jedoch nicht alles optimal gelaufen. Heute habe sich das System von der bloßen Unterbringung auf die Integration der jungen Menschen verlagert. Die Jugendhilfe stünde vor einer prekären Situation, habe Personal entlassen, Plätze bzw. Standorte abbauen müssen. Gerade der Bereich des Umgangs mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen sei ein politisch hochrelevanter Bereich, der medial kontrovers diskutiert werde. Entscheidend sei es, den Betreuungsumfang passgenau auszurichten und nicht Defizit-orientiert zu diskutieren.
Die Tagungsleiter Dr. Andreas Dexheimer, Geschäftsstellenleitung der Diakonie – Jugendhilfe Oberbayern, und Professor Gunter Adams leiteten über in den Vortragsteil der Fachtagung: Im Sommer 2014 habe eine starke Einreisewelle unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge die bayerische Kinder- und Jugendhilfe mit ihren öffentlichen und freien Trägern vor enorme Herausforderungen gestellt. In den darauffolgenden Monaten seien Verantwortliche mit strukturellen und fachlichen Herausforderungen konfrontiert gewesen. Die Fachtagung wolle sich mit einer differenzierten Betrachtung des Ist-Standes beschäftigen, vor allem mit den aktuellen fachlichen, strukturellen sowie personellen Aufgaben und Herausforderungen der Kinder- und Jugendhilfe.
Im Vortragsteil führte Werner Pfingstgraef (Rummelsberger Dienste für junge Menschen gGmbH) in die „Jugendhilfe für junge Geflüchtete in Bayern“ ein. Andreas Dexheimer zeigte den Weg „Aus dem Heim in die eigene Wohnung – selbstständig werden in der Jugendhilfe“ auf. Anschließend ging Professor Jan Kepert (Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl) auf die „Rechtliche Situation von jungen Geflüchteten“ ein.
Dr. Harald Britze (Bayerisches Landesjugendamt) gab Informationen zu „Qualitätsstandards in der Jugendhilfe“ und führte aus, dass minderjährigen Flüchtlingen die gleichen Hilfen erhalten müssen, wie deutsche junge Menschen. Das gelte auch für junge Volljährige. Professor Gunter Adams (FHWS) beantwortete seine Vortragsfrage „Flüchtlingssozialarbeit – ein sinnvoller Beruf mit Perspektive?!“ mit einen eindeutigen „Ja“. Er erläuterte, wie anspruchsvoll diese Arbeit heute sei und warb für den Zertifikatslehrgang „Flüchtlingssozialarbeit“ des Campus Weiterbildung, der Fachkräfte für diese Arbeit qualifiziert.
Die Teilnehmer brachten sich, so Professor Adams, engagiert in die Abschlussdiskussion mit den Fachleuten ein. Soziale Arbeit mit jungen Flüchtlingen bleibe eine aktuelle anspruchsvolle Aufgabe mit Zukunft.