"Marianne, ich brauche deine Hilfe." Diesen Satz hat Marianne Fritz in den vergangenen sieben Jahren unzählige Male gehört. Und sie hilft gerne. Die Mellrichstädterin ist eine Macherin, eine, die anpackt, wo helfende Hände gebraucht werden. Und dabei kann sie auf ein treues Team an Unterstützern zählen.
Der Mellrichstädter Helferkreis für Asyl, der sich Solidaritätsteam nennt, hat sich in der Flüchtlingskrise 2015 zusammengefunden und ist bis heute für Menschen auf der Flucht und Asylbewerber da. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle waren es über 100 Frauen und Männer, die den Neuankömmlingen die Eingewöhnung in die fremde Umgebung so leicht wie möglich gemacht haben. Heute sind es rund 30 Aktive, die tatkräftig anpacken, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Sie helfen nun auch Familien, die vor dem Krieg in der Ukraine geflüchtet sind, sorgen für Unterkünfte und Wohnungen, Essen und Kleidung. Und vor allem für menschliche Wärme nach den schlimmen Erfahrungen in den Kriegsgebieten.
Hier klappt Integration: Was die Mellrichstädter stolz macht
Marianne Fritz und ihre engste Mitstreiterin, Christa Hein, lenken die Hilfsangebote und die Anfragen nach Unterstützung in geregelte Bahnen. So wie in den vergangenen sieben Jahren. Doch nun dürfen sie neben ihren langjährigen Helfern auch auf neue Helfer bauen, und diese machen die beiden Frauen gerade sehr stolz. Mehrere syrische Flüchtlinge möchten weitergeben, was sie selbst an Gutem erlebt haben. Sie sind nun auch für die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine da.
"Flüchtlinge aus Syrien helfen Flüchtlingen aus der Ukraine. Für mich das beste Beispiel für gelungene Integration", freut sich Marianne Fritz. Rund 40 anerkannte Flüchtlinge aus Syrien, zumeist Familien, leben im Stadtgebiet und sind mittlerweile recht selbstständig, auch wenn der Kontakt zu Marianne Fritz noch eng ist. Die meisten wohnen privat, haben Arbeit und wollen sich eine neue Existenz aufbauen. "In ihrer Heimat haben sie keine Perspektive", weiß Fritz.
Wer Hilfe bekommen hat, gibt sie auch in Mellrichstadt gern weiter
Knapp 60 Geflüchtete aus der Ukraine, zumeist Frauen und Kinder, sind in Mellrichstadt und den Stadtteilen untergekommen und haben eine Welle der Hilfsbereitschaft erlebt. Zum einen von den Mellrichstädtern, die Wohnungen, Möbel, Kleidung und Dinge des täglichen Bedarfs zur Verfügung stellen. Zum anderen von mittlerweile acht ehemaligen Flüchtlingen aus Syrien, die Möbel schleppen sowie Betten und Schränke aufbauen.
"Uns wurde geholfen, und jetzt unterstützen wir euer Team", hört Marianne Fritz dabei oft. "Das sind schöne Momente, die mich weiter antreiben und motivieren." Dass die syrischen Neubürger etwas zurückgeben wollen, freut sie sehr. Es zeugt von Anerkennung und Zusammenhalt. Erst recht, wenn es heißt: "Erst wurde unser Land zerbombt, jetzt die Ukraine. Da ist Hilfe selbstverständlich."
Marianne Fritz: Die Meisterin der Organisation
Dafür braucht es aber auch eine starke Leitfigur, bei der die Fäden zusammenlaufen. Und die weiß, an welche Türen sie klopfen muss. Marianne Fritz ist eine Meisterin der Organisation. Um Wohnungen für die Geflohenen aus der Ukraine zu finden und einzurichten, laufen bei ihr die Strippen heiß. Und die ehemalige Lehrerin versteht es, die Hilfen in die rechten Bahnen zu lenken. Doch das geht nicht von allein. "Ohne das Team geht gar nichts", macht die 71-Jährige deutlich.
"Humanitäre Krisen zeigen, dass es viele Leute gibt, die sich um andere kümmern und somit etwas beitragen für einen guten Zusammenhalt in der Gesellschaft", sagt Marianne Fritz. "So etwas macht eine Stadt auch lebens- und liebenswert." Die ukrainischen Frauen und Kinder erfahren in Mellrichstadt eine beispiellose Solidarität. "Wir wollen die Menschen nicht bedienen, sondern helfen, sich zurechtzufinden", sagt Marianne Fritz.
Frauen aus der Ukraine sind dankbar für die enorme Hilfe
Dafür ist insbesondere das schnelle Lernen der deutschen Sprache wichtig. Für alle Flüchtlinge, die in Mellrichstadt ankommen, bieten fünf ehrenamtliche Lehrer sofort Sprachkurse in der Gruppe an, die gut besucht sind. Was an Einrichtungsgegenständen gebraucht wird, wird gesucht und aufgestellt. Kleidung, Haushaltswaren, Spielzeug und vieles mehr wird im Depot in der Bauerngasse gesammelt und kann von allen, die etwas brauchen, kostenlos abgeholt werden. Es gibt Hilfe beim Einkaufen und Informationen zu Freizeitmöglichkeiten, so dass die Geflohenen Anschluss in der Stadt finden können. Und die Medizin-Gruppe bemüht sich um Termine für die Neubürger bei den Ärzten in der Umgebung.
"Bei den Treffen wird immer deutlich, wie dankbar die Menschen für die Hilfe sind", sagt Marianne Fritz. Sie weiß, dass viele ukrainische Frauen sofort deutsch lernen, arbeiten und sich in das Leben hier einbringen möchten. Auch wenn das erklärte Ziel der meisten Geflohenen die Rückkehr in die Ukraine ist.
Flüchtlingsarbeit in Mellrichstadt funktioniert hervorragend
Bürgermeister Michael Kraus weiß den Einsatz der ehrenamtlichen Helfer in der Stadt zu schätzen. "Die Flüchtlingsarbeit in Mellrichstadt funktioniert hervorragend, das ist dem Solidaritätsteam zu verdanken", lobte er beim Bürgerforum. Marianne Fritz weitet das Lob auf die vielen Unterstützer aus, ohne die all die Hilfe nicht machbar wäre.
Dabei lernen sie selbst viel dazu. Gerade in puncto Digitalisierung konnten sich die Mellrichstädter von den neu angekommenen Syrern einiges abschauen. "Sie sind bestens vernetzt und kennen sich aus in der digitalen Welt", sagt Marianne Fritz. Bei Anträgen und Behördengängen ist Christa Hein mittlerweile eine Expertin und auch im Jobcenter bestens bekannt.
Wie ist das Leben in Deutschland? Und wie in Syrien und der Ukraine?
Auch die Asylsuchenden lernen viel über das Leben in Deutschland und gewinnen Einblicke in das Leben der Helfer, wie Fritz aufzeigt. "Sie erfahren von Anfang an, dass wir Familie haben. Sie kennen unsere Männer und wissen, dass wir auch unsere Enkelkinder betreuen und daher auch andere Verpflichtungen haben. Sie wissen, dass wir sonntags zum Gottesdienst gehen, dass wir aus unserem Glauben Kraft schöpfen und Nächstenliebe als Auftrag gelehrt bekommen haben", beschreibt sie den Austausch. "Im Gegenzug reden sie mit uns über ihren Glauben und wie sie ihn praktizieren. Sie haben uns den Ramadan erklärt und uns zum Zuckerfest und zu Geburtstagsfeiern eingeladen. Auch beim Osterfest, das die Ukrainer eine Woche nach unserem Osterfest gefeiert haben, waren Helferinnen und Helfer dabei."
Oft wird Marianne Fritz gefragt, wie sie das enorme Pensum, das die Flüchtlingshilfe von ihr fordert, bewältigen kann. "Ich antworte dann immer: Wenn Sie auch mithelfen würden, müsste ich nicht so viel machen", sagt sie lachend. Auch wenn es viel Zeit und Kraft erfordert, macht ihr der Einsatz für ihre Mitmenschen Spaß. "Wir im Solidaritätsteam tun das auch für unsere Stadt und die Gesellschaft. Ämter könnten unsere Hilfsleistungen in der Fülle gar nicht stemmen."
Und für all die neuen Erfahrungen und das Lernen über andere Kulturen muss Marianne Fritz ihre Heimatstadt nicht verlassen. So ist es ihr am liebsten. "Ich gehe nicht so gern in die Welt. Die Welt kommt zu mir", schildert sie ihr Lebensmotto. Und behält damit recht: In den kommenden Wochen und Monaten werden weitere Flüchtlinge aus der Ukraine und aller Welt in Mellrichstadt erwartet. Auch sie dürfen auf den unermüdlichen Einsatz von Marianne Fritz bauen.