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Schweinfurt
"Das Geld liegt auf den Dächern": Vernachlässigt Schweinfurt den Photovoltaik-Ausbau?
Bis 2035 will die Stadt Schweinfurt klimaneutral sein. Der Fortschritt läuft schleppend. Der Ausbau der Dachflächen-Photovoltaik geht Kritikern viel zu langsam.
Um ihr Ziel der Klimaneutralität bis 2035 zu erreichen, müsse die Stadt Schweinfurt auf ihren öffentlichen Gebäuden mehr Photovoltaik zubauen, fordert unter anderem Manfred Röder von der Agenda-AG 'Klimafreundliche Mobilität.' Möglicherweise auch auf dem Dach des neuen Rathauses in der Innenstadt.
Foto: Anand Anders | Um ihr Ziel der Klimaneutralität bis 2035 zu erreichen, müsse die Stadt Schweinfurt auf ihren öffentlichen Gebäuden mehr Photovoltaik zubauen, fordert unter anderem Manfred Röder von der Agenda-AG "Klimafreundliche ...
Marius Flegler
 |  aktualisiert: 10.05.2023 09:47 Uhr

Die Stadt Schweinfurt hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2035 klimaneutral zu sein. Manfred Röder, Sprecher der Arbeitsgruppe "Klimafreundliche Mobilität" der Lokalen Agenda 2030 glaubt, dass das grundsätzlich möglich ist. Allerdings aus seiner Sicht nicht mit Oberbürgermeister Sebastian Remelé und dessen Führungskreis. In den letzten Jahren seiner ehrenamtlichen Arbeit habe er den Eindruck gewonnen, die Stadt interessiere sich überhaupt nicht für Klimaschutz.

Ein wichtiger Baustein für die Klimaneutralität ist die Photovoltaik-Technik, auf die sich Manfred Röder spezialisiert hat. Als Ingenieur bei ZF hat er im Bereich der Elektromobilität gearbeitet und begann damit, sich intensiver mit "grünem Strom" auseinander zu setzen. Er selbst besitzt Photovoltaik-Anlagen auf seinem Privathaus und berät zum Thema. In Schweinfurt gebe es etliche ungenutzte öffentliche Dachflächen, kritisiert Röder. So könnten etwa Dächer von Schulen, Kirchen und Parkhäusern mit PV-Anlagen bebaut werden.

Stadt Schweinfurt würde vom Photovoltaik-Zubau profitieren

Das wäre eine Win-win-Situation, meint er: Für die Anlagen falle zwar erst einmal eine höhere Investition an, sie zahlen sich aber praktisch auch von selbst wieder ab. "Das Geld liegt auf den Dächern, man muss es bloß ernten." In der Folge würden der Stadt nicht nur Einnahmen zufließen. Sie könnte auch ihren Bürgern aufzeigen, dass sie sich aktiv an der Energiewende beteiligt. Außerdem profitieren auch die Umwelt, sowie die Gesellschaft von der grünen Form der Energiegewinnung.

"Das Geld liegt auf den Dächern, man muss es bloß ernten."
Manfred Röder, Sprecher der AG "Klimafreundliche Mobilität" der Lokalen Agenda 2030

Dass solche Projekte praktisch keine Nachteile haben, zeigt auch das Beispiel ZF. Das Unternehmen hat bereits einen Mitarbeiterparkplatz mit 880 Stellplätzen und einer Fläche von 14.000 Quadratmeter an der Ernst-Sachs-Straße mit einem Dach aus Photovoltaik-Modulen überzogen, die nicht nur einen Teil des Energiebedarfs des Hauses decken, sondern gleichzeitig die Autos der Mitarbeitenden vor Witterungseinflüssen, wie etwa der Mittagshitze im Sommer, schützen.

ZF macht es vor: 2020 überdachte der Industriebetrieb einen seiner Mitarbeiterparkplätze mit Photovoltaik-Modulen. 
Foto: ZF Friedrichshafen AG | ZF macht es vor: 2020 überdachte der Industriebetrieb einen seiner Mitarbeiterparkplätze mit Photovoltaik-Modulen. 

Hat die Stadt das Potential ihrer Liegenschaften im Blick?

Die Stadt Schweinfurt hat nach eigenen Angaben etwa 146 Liegenschaften "aller Art." Zieht man Mobilfunkmasten, Aussichts- und Stadttürme, Tiefgaragen und Parkplätze ab, bleiben 98 Liegenschaften mit einem "Gebäudekörper" übrig. Von diesen 98 Gebäuden sind gerade einmal vier mit Photovoltaik-Anlagen bebaut. Hinzu kommen die Dr. Georg-Schäfer Berufsschule und das Leopoldina Krankenhaus, die zumindest teilweise mit PV-Modulen bestückt sind. Dies geht aus einer Anfrage von Grünen-Fraktionssprecher Holger Laschka an die Stadtverwaltung, Anfang August im Ferienausschuss, hervor. 

Des Weiteren schilderte Bauverwaltungsamtsleiter Werner Duske damals, dass die Errichtung von PV-Anlagen auf 15 weiteren Gebäuden, wie etwa dem neuen Parkhaus in der Mainberger Straße, in Planung sei. Genaue Angaben zum Zeitpunkt macht die Stadt nicht. In den meisten Fällen soll die Prüfung im Rahmen der Sanierungsplanung durchgeführt werden – also erst dann, wenn die Gebäude in unbestimmter Zukunft einmal saniert werden müssen, oder bei Neubauten, wie etwa der Grundschule mit Kindertagesstätte und Sporthalle in Bellevue. 

Schlechte Bilanz bei der Eignungsprüfung der Gebäude

Außerdem gibt die Stadt an, sechs weitere öffentliche Gebäude auf den Zubau von PV geprüft zu haben. Die Albert-Schweitzer Schule, die Feuerwache in der Adolf-Ley-Straße und die Schillerschule seien grundsätzlich geeignet. Die Ludwig-Erhard-Berufsschule II sei "weniger geeignet", bei der Körnerschule komme aufgrund der Ausrichtung und der Dachform nur eine Gebäudeseite in Frage. Beide Liegenschaften schließt die Stadt für den PV-Zubau aus. Genauso wie das Museum Georg Schäfer, das ebenfalls aufgrund der Dachaufbauten nicht geeignet sei. 

Zählt man nun alle von der Stadt aufgeführten Gebäude zusammen und zieht diese von den 98 Gebäudekörpern ab, die potentiell für die Installation einer PV-Anlage in Frage kommen könnten, bleiben 71 übrig, zu denen die Verwaltung überhaupt keine Angaben macht. Für mehr als 70 Prozent der betreffenden Bauten der Stadt ist also aktuell kein Handeln vorgesehen.

Zum gezielten Ausbau von PV-Anlagen gibt es keine konkreten Pläne

Doch für das Ziel der Klimaneutralität ist ein festes Datum gesetzt. Auf die Frage nach einem Zeitplan für die Überprüfung heißt es von der Stadtverwaltung: "Es existiert kein Fahrplan, in dem mit Monat und Jahr festgeschrieben wurde, wann die bisher noch ungeprüften öffentlichen Gebäude überprüft werden. Sobald und soweit Sanierungsmaßnahmen vorgenommen werden, wird die Prüfung der PV-Anlagen-Eignung vorgenommen." Dass es keine konkreten Pläne für den gezielten Ausbau von PV-Anlagen auf städtischen Gebäuden gibt, kommentierte Holger Laschka im Ferienausschuss lakonisch: "Das ist schade."

Auch für kritische Gebäudekörper könnten Lösungen gefunden werden

Kommt die Stadt zum Entschluss, ein Gebäude sei ungeeignet für den PV-Zubau, begründet sie dies oft mit der zu geringen Tragfähigkeit der Dächer, oder dem Denkmalschutz. Doch dafür gebe es Lösungen, sagt Manfred Röder: So könnten an Außenwänden etwa Fassadenmodule, leichtere "flexible Module" für Dächer mit geringerer Tragfähigkeit oder PV-Ziegel (Indach-Variante) für die Bedachung denkmalgeschützter Gebäude wie etwa Kirchen verwendet werden. 

"Eine Landesgartenschau kostet auch ein Schweinegeld, die produziert aber nie Strom."
Manfred Röder

Wenn man nur möchte, meint Röder, sei vieles möglich: "Eine Landesgartenschau kostet auch ein Schweinegeld, die produziert aber nie Strom. Es wäre schöner, wenn die Stadt Lösungen aufzeigt, statt nur Schwierigkeiten zu benennen. Die Argumente sind mir zu dünn, zeigt mir eure Prüfberichte", wendet sich der ehrenamtlich Engagierte an die Stadt und zweifelt an, dass eine angemessene Prüfung der individuellen Flächen überhaupt vorgenommen wurde.

Auch auf dem neuen Parkhaus an der Mainberger Straße ist noch keine Photovoltaik-Anlage, wie geplant, installiert. 
Foto: Anand Anders | Auch auf dem neuen Parkhaus an der Mainberger Straße ist noch keine Photovoltaik-Anlage, wie geplant, installiert. 

In der Erklärung der Verwaltung heißt es dazu: "Der bisherige Konflikt, Denkmalschutz versus gestalterische Eingriffe durch PV-Anlagen, wird auf allen Ebenen aktuell neu diskutiert." Für zukünftige Baumaßnahmen werde man "neue technische Produkte" in die Prüfung mit einbeziehen. Sie verweist außerdem auf den Landesgesetzgeber. Dieser müsse gegebenenfalls für eine Klarstellung im Denkmalschutzgesetz sorgen. 

Koordination von Klimaschutz-Maßnahmen verzögert sich wegen unbesetzter Stelle

Doch welche Maßnahmen ergreift die Stadt selbst konkret, um das Ziel der Klimaneutralität bis 2035 zu erreichen? Im Rahmen ihres Klimaschutz-Konzepts hat die Stadt mehr als 50 Maßnahmen definiert. Darunter befinden sich etwa Förderprogramme zur Energieberatung, der Heizungssanierung oder dem Einbau von Regenwasserzisternen.

18 der Maßnahmen sollen von einem bei der Stadt angestellten Klimamanager "koordiniert und vorangebracht" werden, erklärt die Stadt. Diese Vollzeitstelle sei aktuell allerdings unbesetzt. Die Stadt kann also nach eigener Aussage derzeit nicht mit dem Engagement vorgehen, das sie sich selbst vorgenommen hat und räumt ein, dass sich einige Prozesse deshalb verzögern. 

Private handeln, Industrie und Kommune müssen nachziehen

Mit der Teilnahme am "Wattbewerb" engagiert sich Manfred Röder gezielt für den privaten Ausbau der Solarstromgewinnung in Schweinfurt: Hierbei geht es darum, welche der teilnehmenden Kommunen es als erste schafft, ihre Photovoltaik-Kapazität zu verdoppeln. Für die Teilnahme musste er kämpfen, sagt er, denn die Stadt habe zu Beginn gar nicht an dem Wettbewerb teilnehmen wollen. Unter der Bedingung, dass Röder die Öffentlichkeitsarbeit selbst mache, habe die Stadt aber letztlich zugestimmt. 

Durch die Zahlen im Marktstammdatenregister sieht er sich in seiner Arbeit bestätigt: Seit Beginn des "Wattbewerbs" vor rund eineinhalb Jahren habe der Bestand an kleineren, privaten Anlagen eine Leistungssteigerung von 38 Prozent verzeichnen können. Bei den großflächigeren Anlagen hingegen zeige sich kaum eine Veränderung. Doch genau diese benötige es, um eine wirkliche Veränderung herbei zu führen. Zum Gewerbe fehlen Röder die Kontakte, bedauert er. Auch hier würde er gerne mehr Öffentlichkeitsarbeit leisten: "Die Stadt, aber auch das Gewerbe müssen jetzt nachziehen. Die Privaten haben es schon kapiert."

 
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Kommentare
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  • Funkenstern
    Es ist vieles möglich, wenn man wollte.
    Der OB als Huthalter soll sich doch endlich mal positiv positionieren.
    Der Mensch ist für mich ein überbezahlter Totalausfall.
    Der Stadtrat eiert sofort hinterher, nur Grabenkämpfe und nix für die Allgemeinheit.
    Liege ich wirklich so daneben??
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  • cbretscher
    Der Artikel trifft ins Schwarze. Allerdings sind auch die Grünen in SW am PV-Ausbaustillstand auf städt. Gebäuden beteilgt. Sie machen ja nichts.
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  • cbretscher
    Der Artikel trifft ins Schwarze. Allerdings sind auch die Grünen in SW am PV-Ausbaustillstand auf städt. Gebäuden.
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