Das Thema Klimaschutz ist in Schweinfurt angekommen: Der Stadtrat beschloss nun, dass die Stadt bis 2035 klimaneutral sein soll, die Verwaltung selbst sogar bis 2030. In einer gut vier Stunden dauernden, intensiven und teilweise sehr kontroversen Debatte einigte man sich auch auf Maßnahmen, wie dieses Ziel erreicht werden soll.
"Der Klimawandel ist Fakt und wir müssen uns darauf einstellen, die Stadt dafür fit zu machen", betonte Umweltreferent Jan von Lackum. Und: "Die Stadt muss als Vorbild vorangehen und wird das auch tun." Klimaneutralität bis 2035 bedeutet, dass in Schweinfurt innerhalb der nächsten 14 Jahre der Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase wie CO2 auf null reduziert wird.
Dass das Thema gerade in der Schweinfurter Innenstadt dringlich ist, dürfte mittlerweile in großen Teilen der Stadtbevölkerung Konsens sein und wird nicht nur von Gruppen wie Fridays for Future so gesehen, sondern unter anderem auch von den sehr aktiven Agenda-Gruppen. Die Stadt heizt sich in den immer wärmer werdenden Sommern immer weiter auf, die Bäume haben bereits deutliche Hitzeschäden und es mangelt an Wasser. Der weltweite Klimawandel ist vor Ort zu spüren, was auch der anerkannte Klimaforscher Professor Heiko Paeth von der Universität Würzburg durch seine kontinuierliche Forschung in den vergangenen Jahren bestätigt.
Für Schweinfurt ist Klimaschutz nicht neu, seit 2015 gibt es ein Klimaschutzkonzept. Es war eines der ersten in der Region. In diesem setzte sich die Stadt das Ziel, den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um 20 Prozent gegenüber 2014 zu reduzieren. 54 Maßnahmen stehen dafür im Konzept, die teilweise abgewickelt oder dauerhafte Aufgaben sind. Gleichwohl gestand Jan von Lackum zu, dass die bisherigen Bemühungen nicht ausreichen: Der Energieverbrauch wurde bisher nur um drei Prozent gesenkt. Es muss also viel mehr und viel schneller getan werden als bisher.
Diese Erkenntnis ist in der Europäischen Union, beim Bund und beim Freistaat auch angekommen. Gerade deren Vorgaben und Fördergelder sind für die Stadt entscheidend, nun konsequent zu handeln und sich selbst nicht nur ambitionierte Ziele zu geben, sondern diese auch mit Maßnahmen zu unterfüttern. Deutschland will bis 2045 klimaneutral sein und bis 2030 die Treibhausgasemissionen um 65 Prozent gegenüber 1990 senken. In dem Zusammenhang ruhen auch die Hoffnungen auf der neuen Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP, die entsprechende Förderprogramme auflegen muss.
Die Verwaltung schlug einen Strauß an Projekten vor, die sie bei einer Klausurtagung im Sommer entwickelt hat. "Unsere Hauptaufgabe ist es, die Privatleute zu erreichen, um das ambitionierte Ziel zu erreichen", betonte Jan von Lackum. Der Umweltreferent sucht den Schulterschluss mit der Großindustrie als Chance für die Stadt: "Schweinfurt als Innovations- und Wirtschaftsstandort und Weltstadt des Kugellagers könnte hierbei eine besondere Vorreiterrolle zukommen: Die Vereinbarkeit von Klimaschutz und Wirtschaft."
Beschlossen wurde, dass das Klimaschutzkonzept erneuert und ein Klimaanpassungskonzept sowie eine Klimafunktionskarte erstellt werden, mit Vorschlägen für konkrete Bauleitplanung im Sinne des Klimaschutzes. Außerdem setzen die Stadtwerke auf den Ausbau von Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen und prüfen, wo man in der Stadt Parkplätze überbauen könnte, wie das bei ZF schon geschehen ist. Außerdem sollen alle Dächer städtischer Liegenschaften, wo statisch möglich, eine PV-Anlage zur Erzeugung regenerativen Stroms bekommen.
Die Stadtbus-Flotte soll auf E-Busse umgerüstet, die Ladeinfrastruktur für Elektroautos ausgebaut werden. Auch die klimaneutrale Fernwärme in Schweinfurt wird wichtiger, sie soll ausgebaut werden. Mit dem Gemeinschaftskraftwerk soll über den Bezugspreis verhandelt werden, um ein wettbewerbsfähigeres Angebot zu haben. Gerade beim Anschluss von Bestandsgebäuden, die noch Ölheizungen haben, "gibt es riesiges Potenzial", so der Umweltreferent.
Grundsätzlich begegneten die Stadträte den Vorschlägen der Verwaltung mit Wohlwollen. Kritik und die Forderungen, deutlich konkretere und verbindlichere Ziele zu setzen, gab es dennoch. Denn Fakt ist auch, dass es in den vergangenen Jahren immer wieder lange Diskussionen darüber gab, ob die Stadt genug in Sachen Klimaschutz macht und verschiedene Anträge, zum Beispiel zum Ausbau der Photovoltaik, an früheren Mehrheiten scheiterten.
Die lakonische Bemerkung von Frank Firsching (Linke), "die Realität hat die Zauderer und Zögerer eingeholt", traf es auf den Punkt. Dennoch konstatierte Firsching, er sei froh, dass "wir Tempo aufnehmen". Das sieht auch SPD-Fraktionsvorsitzender Ralf Hofmann so: "Die Ziele sind bemerkenswert, weil sie den Vorbildcharakter der Stadt zeigen." Er sei froh, dass Klimaschutz nicht mehr als Schreckgespenst, sondern als Chance gesehen werde.
Die SPD forderte aber auch, dass die Maßnahmen konkreter benannt und Ziele klar definiert werden: "Wir müssen nicht nur Ziele formulieren, sondern den Weg dahin klarer machen." Dem schloss sich unter anderem auch Adi Schön (Freie Wähler) an, der darauf hinwies, dass man beim Thema Fernwärme die Kohleverbrennung in der Müllverbrennungsanlage zurückfahren müsse.
Grünen-Fraktionssprecher Reginhard von Hirschhausen war erfreut über das Konzept, denn "wir verbinden die Hoffnung damit, dass wir beim Klimaschutz in die Offensive kommen." CSU-Fraktionschef Stefan Funk befand ebenfalls: "Wir sind auf dem richtigen Weg." Nachhaltig und umweltbewusst zu handeln, sei "kein Teufelszeug". Man müsse aber auch klar machen, was die Maßnahmen für die Finanzen der Stadt bedeuten.
Ulrike Schneider (Zukunft./ödp), seit Jahren als Stadträtin engagierte Kämpferin für mehr Klimaschutz, sieht die Bemühung, übte aber auch deutliche Kritik am Oberbürgermeister und der Verwaltung im Hinblick auf die Vergangenheit: "Ich befürchte Lippenbekenntnisse und keinen ernst zu nehmenden Umsetzungswillen." Die Stadt müsse aus ihrer Sicht "viel ambitionierter vorgehen."
"Kritik und die Forderungen, deutlich konkretere und verbindlichere Ziele zu setzen, gab es dennoch."
Vorschlag für verbindliche Ziele:
ÖPNV
>Neue Stadtbuslinie Schwebheim-Röthlein-Heidenfeld
>Verlängerung Linie "Mozartstraße" durch Carus Park, zu Kessler Field & Yorktown Village
>Neue Bahnhalte: Conn/Niederwerrn (ehem. US-Terminal), SW-West (Höhe Schulzentrum-West), Bergl
>Steigerwaldbahn: wasserstoffbetrieben, mit Ast zu Hbf & Ast via City/FH zu neuem Halt SW-West
>Neue Maxbrücke mit 2 Gleisen in Normalspur
BAULEITPLANUNG
>Höher bauen, wie am Mittelmeer (Flächeneinsparung & mehr Schatten)
>Innnestadtnahe, kompakte Neubaugebiete erschließen (Mönchkutten). Sie reduzieren die weitere Zersiedelung des Landkreises, mit schlecheterem ÖPNV und weiteren Fahrwegen, meist mit Auto!
STADTKLIMA
>Spitalsee wieder anlegen (statt CSU-Prestigeprojekt LGS am Stadtrand!?)
>FSH nicht in Ringanlagen (Vorschlag Grüne)
Im SWer Süden gibt es riesige Hallenflächen. Hier sollte man privatwirtschaftliche Initiativen anregen/fördern, statt viel teuerere Gestänge im Stadtgebiet aufzubauen. Mit dem vielen PV-Stromüberschuss im Sommer könnte man auch Wasserstoff herstellen, mit dem wiederum eine reaktivierte Steigerwaldbahn fahren könnte.
Eins könnte so ins andere greifen - statt den ständigen, unkoordinierten, aktionistischen & populistischen Ankündigungen der Stadt SW, die die Tagblatt-Leser nun schon seit vielen Jahren ertragen müssen - ohne eine Gesamtidee.