Ist die Stadt Schweinfurt klimafreundlich? Manfred Röder, Gründer und Sprecher der Lokalen Agenda-Gruppe "Klimafreundliche Mobilität", sagt nicht Ja, sagt nicht Nein, bemüht eine Skala von eins bis zehn. Die reicht von "schlechter geht es nicht" bis "äußerst gut". Röder vergibt eine Zwei-Drei, also einen Level zwischen "enttäuschend" und "schlecht". Denn, sagt er: Im Rathaus würden Themen wie die Verkehrswende oder der Klimawandel nicht ihrer hohen Bedeutung entsprechend behandelt. Schließlich ginge es um die Abmilderung der bedrohlichen Veränderungen durch den Klimawandel. Und wenn doch die Zukunftsfragen aufschlagen, dann fehle dort nicht nur der Mut, sondern meistens der Wille zum Gestalten, so Manfred Röder. Eine bessere Bewertung gibt es von Röder für das Engagement von doch allerhand einzelnen Bürgern und von Unternehmen. Ihnen gibt der Sprecher der Agenda auf seiner Skala ein "durchschnittlich" an der Grenze zu "gut".
Auch wenn er keinen Namen nennt, so ist doch schnell klar, dass Manfred Röder Oberbürgermeister Sebastian Remelé in Sachen Klimaschutz nicht als Macher einschätzt. Der müsse in seiner Position das Thema spürbar vorantreiben. Im Vergleich mit anderen Städten habe Schweinfurt sowohl in der Verkehrs- wie in der Energiepolitik einen stattlichen Nachholbedarf, meint Manfred Röder, der viele gute Ideen durch "fehlendes Herzblut" im Rathaus ausgebremst sieht. Als Beispiel nennt Röder das Vorgehen in Amberg oder Tübingen, wo es für die Neubaugebiete längst eine Solardachpflicht gibt, während man in Schweinfurt mit der Erkundung der Rechtslage "meilenweit den Notwendigkeiten hinterherhinkt". Mut machen Röder da schon eher die Stadtwerke, etwa durch deren massiven Ausbau des Ladenetztes für die E-Autos.
Als Paradebeispiel für das von Röder kritisierte Abwägen ohne Ende nennt er das Thema "Fahrradfreundliche Kommune". Der Titel wurde der Stadt im Herbst 2019 zuerkannt, allerdings mit allerhand Auflagen, deren Umsetzungen auf sich warten lassen. Der Vorschlag aus der Agenda-Gruppe, die gesamte Innenstadt zur Tempo-30-Zone auszuweisen und in den zentralen Bereichen der Fußgänger und Radler gar auf 20 Stundenkilometer abzubremsen, liege irgendwo auf einer langen Bank, denn das Rathaus wolle niemanden weh tun. Doch so ändere sich nichts. Alles bleibe wie es ist.
Agenda will keine Verbote, sondern mehr Lebensqualität
Ändern will die Agenda-Gruppe die Situation nicht durch Verbote, sondern durch bessere Konzepte, etwa mit durchgängigen Radwegen und einem intelligenten ÖPNV – wie der aussehen könnte, dazu wären Untersuchungen für die Stadt nötig – mit einer verkehrsberuhigten City mit viel Grün auf ehemaligen Parkplätzen. "Mehr Lebensqualität, das ist mehr als das Umsteigen auf das E-Mobil", sagt der Gruppensprecher. Auf Gehör hofft man durch das Einbringen von Sachargumenten, etwa von neutralen Gutachtern. Befürworter für die Reaktivierung der Steigerwaldbahn zu sein, reiche alleine nicht aus. "Wir wollen unsere Standpunkte fundiert vertreten und setzen uns mit Sach- und Fachargumenten objektiv auseinander", so Röder.
Die erst im Februar vor zwei Jahren gegründete Arbeitsgruppe hatte schon 2019 an der Europäischen Mobilitätwoche teilgenommen und den Schweinfurtern in diesem Rahmen ein Familienfest auf dem Marktplatz, Vorträge, Ausstellungen, Workshops, Filme und Diskussionen präsentiert. Die Neuauflage 2020 musste wegen Corona weit kleiner, aber nicht ganz ausfallen. Mit den Vorbereitungen wuchs das Netzwerk der Gruppe, die jetzt "wirklich gut" in Kontakt zu Industrie, Wirtschaft, Politik, zu Verwaltungen und Verbänden stehe, so Röder.
So fehle es auch nicht an den Verbindungen in das Rathaus, doch dort pralle die Erkenntnis, dass für das Klima jetzt und nicht irgendwann etwas getan müsse, auf ganz dicke Bretter und an Führungspositionen auch auf fehlendes Engagement. Als Beispiel nennt Manfred Röder die Arbeitsgruppe, in der sich Radfahrvereine, der Allgemeine Deutsche Fahrradclub und die Agenda mit der Stadtverwaltung über das Erreichen der Ziele einer "Fahrradfreundlichen Kommune" austauschen sollen. Dieser Austausch wurde trotz angebotener digitaler Abstimmung bereits mehrfach seitens der Verantwortlichen ausgesetzt. Und auch der längst angeforderte Bericht über die aktuellen Unfallschwerpunkte beim Radverkehr in der Stadt ist bei der Agenda noch immer nicht angekommen.