Die Landwirtinnen und Landwirte haben einen langen Atem: Seit dem Jahreswechsel protestieren sie gegen geplante Agrar-Subventionskürzungen der Bundesregierung. Zuletzt fuhren rund 240 Traktoren hupend durch Karlstadt (Lkr. Main-Spessart), um auf die Probleme in der Landwirtschaft aufmerksam zu machen. Doch nicht alle protestieren friedlich, bei Hofheim (Lkr. Haßberge) zum Beispiel wurde ein Lkw-Reifen in Brand gesetzt, Landwirte blockierten mit abgelegten Misthaufen und Strohballen den Verkehr.
Die aktuellen Bauernproteste waren auch Thema beim Landfrauentag des Bayerischen Bauernverbandes (BBV) in Waigolshausen. Die Redaktion hat nachgefragt, wie die Bäuerinnen und Erzeugerinnen zu den Protesten stehen und wo sie politischen Handlungsbedarf sehen. Das sagen fünf Landwirtinnen aus dem Landkreis Schweinfurt.
1. Barbara Göpfert (45) aus Fuchsstadt/Stadtlauringen: "Wir wollen an den Verhandlungstisch mit der Politik"
"Mein Mann und ich kommen aus der Landwirtschaft, sind dieser eng verbunden, bewirtschaften unseren Hof aber im Nebenerwerb. Auch wenn wir nicht davon leben müssen, kämpfen wir für die Interessen der Landwirtinnen und Landwirte. Die vielen Auflagen, die immer wieder auf uns zukommen, betreffen uns auch. Wir brauchen die bäuerlichen Familienbetriebe, weil sie den sorgsamen Umgang mit ihren Flächen und der Natur kennen. Bei den großen Betrieben, die als GmbH geführt werden und wo Landwirte nur noch als Angestellte arbeiten, ist das eine andere Geschichte.
Mir gefällt nicht, was in Frankreich bei den Protesten passiert, massenweise Mist auf den Straßen und brennende Reifen. Auch bei den Vorfällen bei uns hat sich der BBV dagegen ausgesprochen. Wir wollen die Bevölkerung auf die Probleme aufmerksam machen und an den Verhandlungstisch mit der Politik. Das ist das, was ich vertrete und was ein Großteil unserer Landfrauen und Landwirte vertritt: Verhandeln, an einen Tisch setzen und darüber reden.
Die Auflagen werden immer mehr, wodurch es eine geringere Ernte gibt. Die Gewinnspanne wird kleiner und wir sind immer mehr vom großen Markt abhängig. Dass der Getreidepreis 2023 verhältnismäßig hoch war, war laut Prognose ein einmaliger Ausreißer aufgrund der Ukraine-Krise. Es heißt immer, 'ihr bekommt 40.000 Euro im Jahr oder verdient 130.000 Euro', davon müssen aber Versicherungen und Mitarbeiter bezahlt werden. Es wird verglichen, was ein Angestellter verdient und was ein Landwirt herausbekommt. Das geht aber nicht auf. Dazu kommt, dass ich, wenn ich die Auflagen erfüllen möchte, mehr Geld investieren muss. Erfülle ich sie nicht, verdiene ich noch weniger. Viele Landwirte sind verzweifelt, oft auch allein auf dem Hof, sie können nicht mehr. Das treibt sie auf die Straße."
2. Birgit Meyer-Bedenk (51) aus Schallfeld: "Manchmal hat man keine andere Wahl"
"Ich bin auf einem Bauernhof groß geworden und habe einen Landwirt geheiratet. Wir betreiben Ackerbau, Bullen- und Fressermast, haben Esel, Alpakas und Kleintiere. Ich bin schon vor einigen Jahren bei Protesten in Würzburg mit dem Bulldog mitgefahren. Diesmal war ich bei den Protesten in Biebelried dabei, um Geschlossenheit und Entschlossenheit zu zeigen. Meine Erfahrungen waren durchweg positiv, auch weil der BBV und der LSV, der Verein Landwirtschaft verbindet Deutschland, gut miteinander agiert haben. Das würde ich mir auch für die Zukunft wünschen.
Von brennenden Reifen ist der Landfrauenverband nicht begeistert. Ich persönlich denke, manchmal hat man keine andere Wahl. Doch der friedliche Protest ist immer der bessere Weg, dann haben die Menschen Verständnis. Brennende Heuballen oder Reifen sind im Endeffekt Quatsch, aber man kann manchen Zorn verstehen.
Was sich ändern müsste? Mehr Akzeptanz, beispielsweise dann, wenn ich sonntags mit dem Traktor auf die Straße muss oder wenn ich auf Radwegen fahre, die auch landwirtschaftliche Nutzwege sind. Da würde ich mir wünschen, dass ein Radfahrer mir ein Lächeln oder freundliches Nicken schenkt. Denn ich stehe nicht zum Spaß dort, sondern arbeite. Wenn die Bauern diese Wege nicht hergegeben hätten, wäre da gar nichts, dann müssten die Radfahrer auf der Straße fahren."
3. Nadine Stahl (48) aus Dittelbrunn: "Mir war wichtig, dass wir bei den Protesten gemeinsam auftreten – ob großer Hof oder Nebenerwerb"
"Ich komme ursprünglich nicht aus der Landwirtschaft, sondern habe in einen Nebenerwerbsbetrieb eingeheiratet. Meine Schwiegereltern bauen Kartoffel an und besitzen Hühner. Mein Mann und ich haben beide Berufe. Für uns ist die Landwirtschaft ein Hobby. Ich habe an den Bauernprotesten teilgenommen und war unter anderem in Berlin oder bei Mahnfeuern dabei.
Da ist alles überwiegend friedlich gelaufen und ich hatte auch gar keine Bedenken, dass es zu Ausschweifungen kommt oder etwas nicht funktioniert. Da hatte ich Vertrauen. Mir persönlich war wichtig, dass wir bei den Protesten gemeinsam auftreten, unabhängig davon, ob jemand einen großen Hof hat oder im Nebenerwerb landwirtschaftlich tätig ist.
Ein Problem ist das Hofsterben. Ich habe den Eindruck, dass das bereits über Jahre geht. Gerade verstärkt es sich jedoch. Das hängt auch mit dem Generationenwechsel zusammen, weil der Anreiz für junge Leute in der Landwirtschaft zu arbeiten, nicht mehr da ist. Der Verdienst auf einem Hof ist nicht attraktiv, deshalb suchen sich viele einen anderen Beruf. Das heißt aber nicht, dass niemand weiter machen möchte, denn es gibt immer wieder motivierten Nachwuchs von der Landwirtschaftsschule oder dem Studium."
4. Inge Mahlmeister (62) aus Poppenhausen: "Viele verstehen nicht, was wir machen"
"Ich bin seit 40 Jahren in der Landwirtschaft. Mein Mann und ich besitzen einen Betrieb mit Mutterkuhhaltung und Ackerbau. Seit Juli vergangenen Jahres führt unser Sohn den Hof. Mich macht es traurig, wenn ich zehn oder zwölf Stunden arbeite und dann höre 'ihr seid ja selbst schuld'. Viele verstehen nicht, was wir machen.
Als mein Mann den Betrieb von seinem Vater übernommen hatte, war es noch im Vollerwerb. Mein Mann musste aber dann schon nebenbei arbeiten, weil es nicht zur Versorgung unserer Familie gereicht hat. Wir hatten zu wenig Fläche und weitere Flächen zu pachten war nicht möglich. Ein hoher Kostenfaktor sind die Versicherungen, die explodieren und in die Zehntausende gehen. Für uns ist die Landwirtschaft ein Hobby, sonst würden wir es nicht mehr machen.
Bei den Bauernprotesten finde ich die Gemeinschaft gut. Das habe ich auch immer meinen Bauern als Ortsbäuerin von Poppenhausen vorgelebt. Ich habe sie jedes Jahr eingeladen, zum Beispiel zu einem Federweißerabend, da sind alle gekommen. Das Miteinander hat gefehlt, doch die Proteste haben alle etwas mehr zusammengebracht. Die Aktionen sollten aber gewaltfrei und ohne Schäden ablaufen. Mit Reden kommt man weiter, nicht mit Gewalt. Manche blocken da aber ab, das finde ich schlimm."
5. Nicole Kuhn (53) aus Werneck: "So wie es gerade in der Landwirtschaft ist, kann es nicht weitergehen"
"Ich besitze eine Dexter-Herde, das sind kleine Kühe. Für mich gibt es keine nachhaltigere Fleischerzeugung als Rinderhaltung auf Weiden. Ich war bei den Protesten, aber mir war wichtig, dass sie friedlich sind und Krankenwagen nicht behindert werden. So wie es gerade in der Landwirtschaft ist, kann es nicht weitergehen: Die Bürokratie wird immer mehr. Der Landwirt ist bald mehr am Schreibtisch als auf dem Acker. Das ist nicht Sinn der Sache.
Es geht bei den Protesten nicht nur um die Dieselrückvergütung, sondern neben der Bürokratie auch um Wertschätzung. Wir haben das Gefühl, dass sich kaum noch jemand Gedanken macht, wo das Essen herkommt. Die Gesellschaft muss sich fragen, ob ihr das Chlorhähnchen aus dem Ausland lieber ist als das regionale Produkt um die Ecke. Das kostet dann aber ein paar Cent mehr.
Die Bauernproteste waren ein Anstoß, jetzt protestieren auch Beschäftigte anderer Branchen – zum Beispiel aus dem Handwerk oder der Pflege – und teilen der Politik mit: So geht es nicht weiter. Ich wünsche mir, dass die Politiker uns fragen, was sie einfacher machen können, damit wir gute Lebensmittel erzeugen können und einen fairen Preis erhalten. Es gibt ein Bedürfnis in der Landwirtschaft, dass es jemanden im Amt gibt, der am besten selbst einen Hof hat und weiß, welche Auflagen umsetzbar sind."
Es gibt den Spruch "hat der Bauer Geld hat's die ganze Welt"
Aber das aufzuzeigen, wie es dazu gekommen ist und wie sich die Situation gerade darstellt sprengt hier den Rahmen der Kommentarfunktion.
Aber die Verbraucher müssen wieder begreifen "stirbt der Bauer stirbt das Land"
Aber selbst bei der Berichterstattung zu den Landfrauen bringt die Presse diese Message nicht rüber.
Da fragt man sich, weshalb der Bauernverband hier nicht schon lange gegengesteuert hat. Wer nachliest, in welchen Aufsichtsräten Herr Rukwied sitzt und dort Vergütungen bezieht, kann sich das denken.
Die Interviews bestätigen auch, dass die Probleme der Landwirte sich über viele Jahre entwickelt haben und auch auf dem Mist früherer Regierungen gewachsen sind.
Vor diesem Hintergrund ist das primitive Einhauen auf "die Grünen" und "die Ampel" doch allenfalls zum Teil gerechtfertigt. Gerade das Herz der Grünen schlägt doch eigentlich für kleinteilig und lokal produzierte landwirtschaftliche Produkte. Das missfällt natürlich den Lobbyisten der industriellen Landwirtschaft.
So aber lassen sich die Bauern aufhetzen, verweigern jeden Dialog und weichen nicht von ihren Maximalforderungen ab. Dabei zementieren die Forderungen nur den schlechten Ist-Zustand. Was es bräuchte, wäre ein echter Wandel mit mehr Selbstbestimmung. Das weiß die Agrarlobby aber zu verhindern. Daran wird auch ein Regierungswechsel nichts ändern.
Weitere Eskalation wird nach hinten los gehen, siehe Oelsnitz. Das ist natürlich zu verurteilen, wie jede weitere Gewalt, egal von welcher Seite.
Aber: Druck erzeugt nun mal Gegendruck, unvermeidlich. Es laufen genug Gestörte mit kurzer Zündschnur herum, denen man nur ausreichend auf den Zeiger gehen muss. Dann passiert sowas.
Außer Spesen -und Ärger, verspielte Sympathien- nichts gewesen.