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Retzstadt
"Wir arbeiten jetzt schon unter Mindestlohn": Retzstadter Landwirt gibt Einblick, warum Subventionen nötig sind
Landwirte müssen oft als Familienunternehmen zu Weltmarktpreisen produzieren. Deshalb gibt es Subventionen. Viel verdienen sie trotzdem nicht, sagt ein Landwirt aus Main-Spessart.
Andreas Köhler (Mitte) hat im letzten Jahr den landwirtschaftlichen Betrieb von seinem Vater Karl (rechts) übernommen und führt mit seiner Partnerin Sabine Winkler (links) den Familienbetrieb weiter. Sie sind auf die Subventionen angewiesen, sagen sie. 
Foto: Heiko Becker | Andreas Köhler (Mitte) hat im letzten Jahr den landwirtschaftlichen Betrieb von seinem Vater Karl (rechts) übernommen und führt mit seiner Partnerin Sabine Winkler (links) den Familienbetrieb weiter.
Autorenköpfe Volos       -  Die neuen Volos sind da: Peter Schlembach startet am 1. April 2023 in ihr zweijähriges Volontariat.
Peter Schlembach
 |  aktualisiert: 17.02.2024 02:55 Uhr

Andreas Köhler und sein Vater Karl sagen, sie sind mit "Herzblut" Landwirte und bewirtschaften in Retzstadt den Köhlerhof. Dort ziehen sie rund 350 Kälber groß. Als ein "Kindergarten für Rinder", beschreibt Andreas Köhler den Betrieb. Daneben betreiben sie Ackerbau. Der Betrieb ist auf Subventionen angewiesen, um zu wirtschaften und trotzdem sagt Andreas Köhler: "Wir arbeiten jetzt schon unter Mindestlohn." 

Die Landwirtschaft wird subventioniert wie kein anderer Bereich in der Europäischen Union. Die Agrarsubventionen waren im Jahr 2021 mit über 55 Milliarden Euro der größte Posten im EU-Haushalt. In Main-Spessart kamen davon laut der Datenbank "Farmsubsidy" knapp 11 Millionen Euro an. Einen mittleren bis hohen fünfstelligen Betrag erhält der Köhlerhof in Retzstadt pro Jahr an Subventionen von der EU. Mit einer bewirtschafteten Fläche von 280 Hektar gehört der Betrieb zu einem der größten in Main-Spessart. Nur etwa 30 Betriebe im Landkreis bewirtschaften mehr als 200 Hektar, schreibt das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Karlstadt. 

Direktvermarktung wegen hoher Auflagen und schwankender Nachfrage eingestellt

Ihre Kälber kaufen die Köhlers auf Märkten ein, wo Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen. Der Verkaufspreis richtet sich meist nach dem aktuellen Rindfleischpreis. Auch das Getreide wird zu Weltmarktpreisen verkauft, sagt Andreas Köhler. Rund 30 Jahre habe die Familie Eier direkt vermarktet. Doch die Auflagen stiegen, das Einkaufverhalten der Bevölkerung habe zu sehr geschwankt, deshalb gibt es seit Januar keine Hühner mehr auf dem Köhlerhof. 

Von dem Verkauf der eigenen Produkte allein können die Köhlers nicht leben, sie sind auf die Subventionen angewiesen. Die EU-Kommission nennt als einen Grund für die Subventionen, dass das Einkommen von Landwirten und Landwirtinnen rund 40 Prozent geringer ist im Vergleich zu einer nicht landwirtschaftlichen Tätigkeit. "In der Industrie würden wir mehr verdienen und weniger arbeiten", sagt Andreas Köhler. Er hat eine Ausbildung zum Landwirt und anschließend seinen Meister gemacht. Zusätzlich kommen pro Jahr vier bis fünf Fortbildungen, so der 30-Jährige. 

Viel Arbeit für einen geringen Stundenlohn 

"Wir haben einen zwölf-Stunden-Arbeitstag und arbeiten auch am Wochenende", sagt Andreas Köhler. Sein Vater ergänzt: "Das ist der einzige Grund, warum wir noch Gewinn machen." Zwischen zehn und zwölf Euro würde sein Stundenlohn vor den Steuern liegen, sagt der 30-Jährige. 

Die Agrarsubventionen der EU sollen den Landwirten und Landwirtinnen nicht nur ein angemessenes Einkommen ermöglichen, sondern sie auch für eine umweltfreundliche Landwirtschaft und Landschaftspflege entlohnen, schreibt die EU-Kommission. Dazu zählt zum Beispiel, dass vier Prozent der Fläche stillgelegt, eine Fruchtfolge eingehalten, Zwischenfrüchte gesät und Erosionsschutz betrieben werden muss, sagt Köhler. Die Grundprämie, die es pro Hektar gibt, wird dabei immer weniger. "Wenn ich weitere Förderung erhalten möchte, sind mehr Leistungen gefordert. Das bedeutet mehr Auflagen, mehr Aufwand und weniger Ertrag." So hat der Betrieb 2022 zehn Prozent weniger Subventionen erhalten als 2021, obwohl die bewirtschaftete Fläche zunahm. 

Eigenes Rapsöl im Tank ist teurer als Diesel 

Außerdem würden die Auflagen manchmal bedeuten, dass sie "gezwungen werden, entgegen der guten fachlichen Praxis zu arbeiten", sagt Andreas Köhler. Zum Beispiel dann, wenn die Auflagen gewisse Zeitpunkte für Arbeiten vorschreiben würden, obwohl diese wegen des Wetters nicht sinnvoll seien. Dazu komme ein hoher bürokratischer Aufwand. "Früher lief die Büroarbeit nebenbei, heute ist es ein Hauptteil der Arbeit", sagt Köhler. 

Rund 7000 Euro Subventionen fielen für den Betrieb Ende 2022 weg, da die Rückerstattung für Rapsöl gestrichen wurde. Ihren eigenen Raps pressen die Köhlers in einer Mühle und nutzen das Öl als Treibstoff für ihre Traktoren, was beim Pressen übrig bleibt, der Rapskuchen, wird an die Rinder verfüttert. "Betriebswirtschaftlich müssten wir aufhören, unser eigenes Öl zu verwenden, weil Diesel selbst ohne die Dieselrückvergütung günstiger ist", so Köhler. Dabei ist es nahezu CO2-neutral und regional, mit dem eigens hergestelltem Öl zu fahren. 

In ihren Traktoren fahren die Köhlers mit selbst gepresstem Rapsöl. Die Subventionen dafür wurden gestrichen. Inzwischen sei es günstiger, Diesel zu tanken. 
Foto: Heiko Becker | In ihren Traktoren fahren die Köhlers mit selbst gepresstem Rapsöl. Die Subventionen dafür wurden gestrichen. Inzwischen sei es günstiger, Diesel zu tanken. 

Wenn, wie ursprünglich von der Bundesregierung geplant, die Dieselrückerstattung und die Kfz-Steuerbefreiung gestrichen worden wäre, würde das den Betrieb nicht akut gefährden, sagen die Köhlers, aber es würde ihn hemmen. "Es kommt zu einem Investitionsstau. Das schadet dem Betrieb und es bleibt weniger für uns übrig", so Köhler. 

Noch gut 1000 landwirtschaftliche Betriebe in Main-Spessart

Von 2022 auf 2023 haben im Landkreis Main-Spessart 25 Betriebe aufgehört und 15 angefangen, schreibt Bernhard Schwab vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Karlstadt. Insgesamt gibt es noch 1039 landwirtschaftliche Betriebe, die einen Antrag auf EU-Direktzahlungen gestellt haben. Vor zehn Jahren waren es noch 1200 Betriebe. Der Anteil der Nebenerwerbsbetriebe liegt bei rund 80 Prozent im Landkreis, und knapp 500 landwirtschaftliche Betriebe bewirtschaften weniger als zehn Hektar, so das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Karlstadt. 

Die Angst einer Existenzbedrohung durch die ursprünglich geplanten Kürzungen der Bundesregierung sei gering, so Schwab. Schwerer würde der Preisdruck, bürokratische Auflagen sowie Kürzungen der Direktzahlungen wiegen. Finanzielle Probleme gebe es vor allem bei Betrieben, die in den letzten zehn bis 15 Jahren größere bauliche Investitionen getätigt haben, schreibt Schwab. Dies betreffe vor allem Viehhaltung, wovon es in Main-Spessart im bayernweiten Vergleich recht wenige gebe. In diesem Bereich gebe es den stärksten Rückgang und die wenigsten Investitionen, so Schwab. 

Keine Planungssicherheit für Investitionen 

Vor zehn Jahren haben die Köhlers eine Million Euro in einen neuen Stall investiert. Weil der Stall damals als "besonders tiergerecht" galt, gab es auch dafür staatliche Förderung. 2021 wurde dann eine neue Tierschutznutztierhaltungsverordnung verabschiedet. Nach den aktuellen Vorgaben dürfte der Stall nur noch zur Hälfte belegt werden, oder es wäre erneut eine Investition von rund 100.000 Euro nötig, um einen komplett neuen Boden zu verlegen. Eine Investition, mit der die Köhlers nicht kalkuliert haben. Die Planungssicherheit fehlt. Wenn die Köhlers jetzt wieder Geld in den Stall investieren, stellt sich ihnen die Frage, welche Verordnung in fünf Jahren gilt und ob dann wieder neues Geld in die Hand genommen werden muss. 

Die Arbeit gefällt den Köhlers trotz aller Schwierigkeiten. Die Hofübergabe von Karl Köhler an seinen Sohn Andreas fand 2023 statt. Der 30-Jährige will zusammen mit seiner Partnerin Sabine Winkler den Betrieb weiterführen. "Es macht Spaß, selbständig zu sein, mit der Natur und den Tieren zu arbeiten", sagt Andreas Köhler und ergänzt: "Ich arbeite auch gerne mehr als acht Stunden, wenn ich am Ende davon auch etwas habe." 

 
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  • Peter Forster
    Ich ziehe meinen Hut vor solchen Mensch wie den köhlers, die mit viel Wissen und Engagement unsre kleinräumige Landwirtschaft noch am Leben erhalten. Bekämen sie keine Subventionen, müsste die Aufzucht und der Feldbau auf Weltmarktniveau erfolgen, also Betriebgrößen von tausenden von Hektaren und Tieren. Mit einer familiär geprägten Landwirtschaft wäre es dann vorbei in D. Wollen wir das? Der ganze Mittelstand hat diesen Land groß gemacht. Sie sind engagiert, arbeitsam, flexibel, innovativ, sozial und menschenah, viel mehr als Großbetriebe und Konzerne, die immer im Rampenlicht stehen. Wenn wir solches behalten wollen, müssen wir sie leben und arbeiten lassen, und nicht mit immer neuen Vorschriften abwürgen! Danke an alle wie Fam. Köhler! Wir unterstützen sie, auch wenn es seinen Preis hat!
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  • Edith Kram
    @GF: Der Bericht spiegelt das ganzen Probleme der deutschen (Land-)wirtschaft wieder.
    Steuern und Energiekosten, aber vorallem die überbordende Bürokratie machen hierzulande die Landwirtschaft und den Mittelstand kaputt.

    Während im eigenen Land zu hohen Kosten produziert werden muss, kommen täglich "billige Kopien" unserer heimischen Produkte ins Land.

    Wie in einem Fernsehbericht zu sehen war, nutzen die großen "Ramschhändler", wie z.B. A....oder neuerdings T..., Lücken in EU-Recht und führen ihre Billigwaren über Belgien in die EU ein, von wo diese meist unkontrolliert nach Deutschland weitergleitet werden.

    Ebenso führen wir täglich zollfreies "künstlich gezüchtetes Wassergemüse und gespritztes Obst" aus Holland oder aus Billiglohnländer ein.
    Diese werden dann hier verkauft, zu Preisen, für die sie hier nicht einmal produziert werden können. Von Personal- und Transportkosten ganz zu schweigen.

    Z.B. in Kroatien ist importiertes Gemüse teuerer als einheimisches!?
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  • Dietmar Eberth
    Bitte geben Sie eine Quelle an.
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  • Klaus B. Fiederling
    was, wenn es unsere engagierten Landwirte einmal nicht mehr gibt? Sie haben oft einen langen Arbeitstag, gerade in den Frühjahrs- und Sommermonaten. Täglich rund um die Uhr! Früh erst bei vielen von ihnen noch in den Stall, dann Kühe und andere Tiere versorgen, später dann aufs Feld, um die Feldarbeit zu verrichten. Abends dann nochmals in den Stall und die Tiere versorgen. Da muß einer schon mit "Herzblut" bei seiner Arbeit dabei sein. Hut ab! Da lohnt es sich noch einen langen Demonstrationsatem zu haben! Kopf hoch!
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