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Würzburg
Das sagen Bauern und ein Agrarexperte aus Unterfranken: 5 Dinge, die in der Landwirtschaft besser laufen könnten
Vielen Landwirten fehlt die Wertschätzung für ihre Arbeit - und die wird von Bürokratie dominiert. Ein Gespräch darüber, was Bauern und Bäuerinnen wirklich helfen würde.
Diskutierten beim Besuch in der Redaktion über die Zukunft der Landwirtschaft: (v. li.) Bullenmäster Simon Heim, Agrar-Experte Heiko Lukas von der Regierung für Unterfranken, Landwirt Andreas Hirt und Biobäuerin Yvonne Dengel.
Foto: Silvia Gralla | Diskutierten beim Besuch in der Redaktion über die Zukunft der Landwirtschaft: (v. li.) Bullenmäster Simon Heim, Agrar-Experte Heiko Lukas von der Regierung für Unterfranken, Landwirt Andreas Hirt und Biobäuerin ...
Claudia Kneifel
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:11 Uhr

Was sind die größten Herausforderungen der Landwirtschaft? Ist es vor allem der Preisdruck aus dem Ausland? Die fehlende Wertschätzung von Seiten der Verbraucherinnen und Verbraucher für die erzeugten Produkte? Zu viel Bürokratie?

Die aktuellen Bauernproteste zeigen ein komplexes Bild, denn es geht nicht nur um Kürzungspläne der Bundesregierung. Hinter den Demonstrationen steht eine Mischung aus finanziellen Ängsten, Frustration und dem Gefühl, von der Politik im Stich gelassen zu werden.

Wie geht es Bäuerinnen und Bauern in Unterfranken? Welche Sorgen und Probleme haben sie? Und wie könnte Landwirtschaft besser laufen? Yvonne Dengel, Simon Heim und Andreas Hirt sind im Landkreis Würzburg in der Landwirtschaft tätig und diskutierten beim Redaktionsbesuch mit Heiko Lukas, Agrar-Experte bei der Regierung von Unterfranken, über die Zukunft. Die Frage der Redaktion: Welche fünf Dinge könnten besser laufen?

1. Regional angepasste Auflagen und weniger Vorschriften und Bürokratie

"Stellen Sie sich vor, Sie verdienen Ihr Geld nicht mit Ihrer Hauptarbeit, sondern mit dem Ausfüllen von Formularen", sagt Simon Heim, Bullenmäster aus Euerhausen. Die Bürokratie erdrücke. Andreas Hirt aus Lindflur, der sich auf die Aufzucht von Bullenkälbern spezialisiert hat, stimmt zu: "Die Menge an Anträgen, die wir einreichen müssen, die ausführlichen Dokumentationen, die strengen Kontrollen - all das nervt uns enorm." Fast die Hälfte der Arbeitszeit verschlinge die Bürokratie. 

"Von Garmisch bis Flensburg - eine Regel für alle? Klingt gut, macht aber wenig Sinn", sagt Heiko Lukas. Der Leiter des Sachgebiets Agrarstruktur und Umweltbelange in der Landwirtschaft bei der Regierung für Unterfranken plädiert für regionsspezifische Auflagen statt landesweiter Vorschriften.

Heiko Lukas ist bei der Regierung von Unterfranken zuständig für Agrarstruktur und Umweltbelange in der Landwirtschaft.
Foto: Silvia Gralla | Heiko Lukas ist bei der Regierung von Unterfranken zuständig für Agrarstruktur und Umweltbelange in der Landwirtschaft.

Die neue Düngeverordnung treffe die Landwirte besonders hart, sagt Lukas: "Für jeden Acker gibt es mittlerweile eine andere Verordnung." Das trockene Unterfranken passe nicht in das Schema der bundesweiten Düngeverordnung. Lukas plädiert dafür, dass der Gesetzgeber "zum Schutz der Natur und des Wassers" statt Regeln und Verboten konkrete Ziele formuliert, für die dann vor Ort abgestimmte Maßnahmen erlassen werden. "Das funktioniert nur, wenn es regionalisiert wird."

2. Planungssicherheit für mehr als zehn Jahre

"Das Schlimme an der Agrarpolitik ist, dass es alle paar Jahre neue Regelungen gibt", sagt Andreas Hirt. "Ich kann meinen Betrieb nicht alle paar Jahre auf den Kopf stellen, weil die Regierung wechselt oder die EU wieder eine Agrarreform beschließt." Landwirtschaft sei auf längere Zeiträume ausgerichtet. "Wir bräuchten zehn bis zwölf Jahre Planungssicherheit." 

Neue Stallungen zu errichten sei beispielsweise in Deutschland schwieriger als in anderen europäischen Ländern, sagt Heiko Lukas. Die Genehmigungsverfahren seien anspruchsvoll und inzwischen wieder mit hohen und teuren Auflagen verbunden. "Die Bauern überlegen sehr gut, ob sie in neue Stallungen investieren, die zudem ja tier- und umweltschonend sein sollen." Im Ergebnis würden tierische Produkte zunehmend importiert, sagt der Agrar-Experte. 

Simon Heim hat zuletzt 2011 in neue Gebäude investiert. Dringend müsste er einen neuen Stall bauen, sagt der Landwirt. Aber die Marktlage sei zu unsicher und die Baukosten seien sehr hoch. 

Fast die Hälfte der Arbeitszeit verschlinge die Bürokratie, sagt Landwirt und Viehhalter Andreas Hirt aus Lindflur.
Foto: Silvia Gralla | Fast die Hälfte der Arbeitszeit verschlinge die Bürokratie, sagt Landwirt und Viehhalter Andreas Hirt aus Lindflur.

Die Politik habe die Aufgabe, die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Unternehmensführung von Landwirten zu schaffen, meint Andreas Hirt: "Eine wichtige Voraussetzung dafür ist die Wettbewerbsfähigkeit, besonders innerhalb der EU."

3. Regionale Lebensmittel besser kennzeichnen und vermarkten 

Eine Umfrage des Bundeslandwirtschaftsministeriums von 2023 ergab, dass 92 Prozent der Befragten Lebensmittel bevorzugen, die aus der Region stammen. Mit zunehmendem Alter, Bildungsniveau und Haushaltsbudget steigt die Wertschätzung für regional erzeugte Lebensmittel noch, heißt es im aktuellen Ernährungsreport "Deutschland, wie es isst"

"Es kann mir niemand erzählen, dass Schweinefleisch aus Spanien nachhaltig ist", sagt Simon Heim.  Aber dorthin verlagere sich allmählich die Produktion, weil immer mehr Schweinehalter in Bayern aufgeben. Dabei sei die Schweinezucht lange ein Schwerpunkt der unterfränkischen Landwirtschaft gewesen. 

Die drei Landwirte wünschen sich, dass Verbraucher besser erkennen könnten, woher landwirtschaftliche Produkte kommen. "Bestimmt würden so mehr Menschen zu regionalen Produkten greifen", meint Simon Heim.

"Für uns wäre es wichtig, sicherzustellen, dass auch die importierten Waren gemäß den hier geltenden Sozial-, Umwelt- und Tierschutzstandards produziert wurden", sagt die Neubrunner Biobäuerin Yvonne Dengel. "Und es wäre schön, wenn die Landwirte bei der regionalen Vermarktung auch Unterstützung von den Supermärkten erfahren würden." Letztendlich entscheide der Verbraucher: "Er muss die regionalen Produkte auch kaufen."

4. Unsinnige Vorschriften abschaffen

In Deutschland dürfen männliche Küken aus der Legehennenzucht seit Januar 2022 nach dem Schlüpfen nicht mehr getötet werden. Betriebe ziehen die männlichen Küken als sogenannte Bruderhähne auf - aber es fehlt die Verwertung. "Etliche  Verbraucher wären zwar bereit, für ein Ei aus einem Bruderhahnprojekt ein paar Cent mehr zu bezahlen, den Bruderhahn will aber niemand", sagt Yvonne Dengel, die Legehennen hält und die Bio-Eier direkt vermarktet.

Landwirtin Yvonne Dengel hat einen Betrieb in Neubrunn und hält Legehennen.
Foto: Silvia Gralla | Landwirtin Yvonne Dengel hat einen Betrieb in Neubrunn und hält Legehennen.

"Bruderhähne müssen in Drittländer exportiert oder zu Hundefutter verwertet werden. Das Thema war von der Regierung nicht zu Ende gedacht", sagt die Biobäuerin. Brütereien in Deutschland müssen daher aufgeben, die Produktion von Legehennen verlagere sich ins Ausland. Auch Dengel bezieht ihre Junghennen mittlerweile aus Österreich.

"Es ist verständlich, dass die Verbraucher nicht wollen, dass Küken geschreddert werden", sagt Andreas Hirt. Aber so wie die Vorschrift ist, biete das keine Lösung. "Wir haben in Deutschland die beste Fleischerzeugung, doch aufgrund der hohen Auflagen - ohne die Möglichkeit eines Ausgleichs -hören immer mehr Landwirte auf", warnt auch Heiko Lukas. Hier sei die Politik gefordert, ihre Vorschriften zu überprüfen.

5. Interesse für die Landwirtschaft stärken, Bauern mehr wertschätzen

"Landwirtinnen und Landwirte protestieren nicht nur aus finanziellen Gründen, sondern vor allem aufgrund des Gefühls, dass die Landwirtschaft in der Gesellschaft nicht genügend Wertschätzung erfährt", sagt Simon Heim. Trotz enormer Arbeitsbelastung, relativ wenig Freizeit und mangelndem Verständnis für ihre Arbeit macht den drei Landwirten ihre Arbeit Spaß: "Die Arbeit mit den Tieren im Jahreskreislauf, vom Säen bis zum Ernten, das ist einfach schön. Besonders nach der Ernte bin ich immer ein bisschen stolz, was wir alles geschafft haben", sagt der Bullenmäster. 

Simon Heim liebt seinen Beruf als Landwirt, aber er braucht einen Zukunftsperspektive.
Foto: Silvia Gralla | Simon Heim liebt seinen Beruf als Landwirt, aber er braucht einen Zukunftsperspektive.

Viele Menschen hätten immer noch ein romantisiertes Bild von der Landwirtschaft, das wenig mit der harten und komplexen Realität zu tun hat, meint Yvonne Dengel. "Landwirtschaft, das ist heute sehr spezialisiert. Wir konkurrieren heute mit dem Weltmarkt. Was wir tun, wie wir arbeiten, all die Veränderungen werden von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen."

Durch die Proteste würden die Bauern nun ein Stück weit sichtbar, sagt Heim: "Wenn wir mit unseren Schleppern die Straßen blockieren, dann landen wir im Fernsehen und in der Zeitung. Wir wollen keine Extrawurst, aber wir brauchen eine Zukunftsperspektive."

 
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  • Peter Koch
    Wertschätzung gilt in der Industrie als Lohnersatz der ausser warmer Worte nichts kostet. Ich wollte demzufolge nie Wertschätzung sondern bare Werte, besser war das.
    Und vorsicht Herr Heim, wenn ihnen die Arbeit so viel Spass macht wie sie behaupten kann man das als Hobby betrachten. A weng mehr mehr Jammern muss schon sein sonst denkt der Finanzminister sie fahren zum Spass auf dem Acker rum, so wie er mit dem Porsche am Nürburgring.
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  • Jürgen Huller
    Ich würde alle fünf Punkte sofort unterschreiben. Das sind konkrete Punkte und kein dumpfes Raumgegröle a la "Die Umpfl mu wech und die Grümn münn a wech!"

    Allerdings stelle ich mir den letzten Punkt mit der allgemeinen Wertschätzung schwierig in der Umsetzung vor. Da sehe ich die Politik außen vor.

    Letztendlich hat Wertschätzung auch was mit Image zu tun. Da gibt es andere Berufe, die das gleiche Problem haben: z.B. Metzger, Bäcker, Friseure etc. Alles ehrenwerte Berufe, denen trotzdem wenige Wertschätzung für die geleistete Arbeit entgegengebracht wird.

    Die Frage , die ich mir stelle: Gab es früher mehr Wertschätzung? Oder ist in unserer Ich-bezogenen Gesellschaft einfach der Wunsch nach mehr Wertschätzung größer als früher? Anders gesagt: ist es heutzutage wirklich schlechter als früher oder sind nur die Ansprüche höher?
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  • Christof Bretscher
    Ich finde die Aussagen im Interview sehr konkret und gut dargestellt. Inhaltlich habe ich dazu häufig nur bruchstückhaftes Wissen. Eines kann ich allerdings nicht mehr lesen oder hören: Der inflationär benutzte Begriff der fehlenden „Wertschätzung“ in allen Berufsgruppen wie hier auch bei den Landwirten zu lesen. Es erweckt den Anschein, die ganze Republik fühle sich nicht „wertgeschätzt“ : Leute in der Pflege, in der Erziehung, in Schulen, beim Finanzamt, in der Reinigung, in der Politik, bei den Handwerkern, Bäckern, Metzgern, Ärzten, Straßenreinigung, Müllabfuhr, Zeitungszustellung, Kassen, Banken, Universitäten, der Bahn, LKW-Fahrern, Autobauern, im Verkauf usw.usw. Probleme gibt es fraglos überall, aber mit fehlender Wertschätzung haben die selten zu tun. Wir sollten sehen, dass nicht nur in Deutschland die Zeiten schwieriger geworden sind. Kleinere Brötchen und kurze Schritte sind oft besser als lautstarke Proteste oder rücksichtslose Streiks.
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  • Klaus Fiederling
    Hier ermangelt es leider wiederum deutlich am vernetzenden Weitblick derer, die aktuell an den Mikrophonen, nicht selten kaum erträglichen „Plärrophonen“ stehen.

    Ja, man hat es sich bislang komfortabel in einem fortwährenden Dornröschen-Schönheitsschlaf äußerst bequem gemacht auf dem Ast, an dem jetzt andere zu sägen wagen. - Dornröschen wird in diesem modernen Märchen auf recht grausame Weise wachgerüttelt, bar des weit gefühlvolleren Kusses... zwinkern
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  • Klaus Fiederling
    Man hat die Bauern zwischenzeitlich derart „heruntergedimmt“, dass selbige innerhalb ihrer eigenen Mikroökonomien ohne Prämienmoloch kaum mehr überlebensfähig sein dürfen. Das hat für meine Begriffe allerdings System: Diese gläsernen Bauern auf ihren gläsernen Höfen müssen „spuren“ im hofeigenen Turbo-Hamsterrädchen. Energiegeladene Muskelkraft anstelle von cleveren Geistesblitzen. - Läuft, läuft alles in extrem geordneten Bahnen, formvollendet wie am Schnürchen. Wer erst einmal die Droge der (Funktionärs-)Macht verinnerlicht hat, organisiert sich sehr schnell in entsprechenden Allianzen der Hinterzimmer.

    Leider ist das lemminghafte Bauernvölkchen jetzt aber teilweise aufgewacht - die Vollkatastrophe!?

    Wie wird jetzt eifrigst wieder kanalisiert!?
    In welche Richtung steuern eben selbige Bemühungen!?
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  • Klaus Fiederling
    Ich vermisse hier die ausdrückliche Positionierung, dass man keinen(!) modernen Bauern unzeitgemäß einzig allein heute auf die Nahrungsmittelproduktion reduzieren kann/darf. Damit kann derselbe innerhalb weltweiter Marktverflechtungen allenfalls als nur gefühlt freier Unternehmer wahrlich nicht mehr proaktiv ökonomisch punkten.

    Im NON-FOOD-Bereich liegen gigantische Chancen, an unseren heißhungrig aufnahmefähigen Märkten sich partizipieren zu können. Gerade die Bauern als maßgebliches Puzzleteilchen verschenken hier nach wie vor sehr viel Potential. - Warum!? Behindert von wem!?
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  • Peter Koch
    Die protestierenden Bauern stellen sich doch selbst als der Nährstand der Republik und der ganzen Welt dar um für Verständnis zu werben. Also sollen sie gefälligst Nahrung liefern und sonst nix.
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  • Klaus Fiederling
    Sie sind an Lösungskonzepten offensichtlich nicht interessiert...!?
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  • Peter Koch
    Bei frischem, gekühltem oder gefrorenem Schweine-, Schaf-, Ziegen- und Geflügelfleisch sind Herkunftsinformationen EU-weit verpflichtend anzugeben. Da kann der Verbraucher Aufzuchtsland und Schlachtland lesen und es gilt seit Anfang 2024, unverpackt ab 02.2024. In D umgesetzt hat das erst Özdemir, Klöckner hatte das verbummelt.
    Bei Rindfleisch gab es das schon.
    Wie bitte soll aber die Regionalisierung von Vorschriften ohne mehr Bürokratie stattfinden? Das könnte im Grenzgebiet zwischen BY und BW genau so lustig werden wie die Wahl der Schule.
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