
Zukunftsangst und Aufbruchswille: Diese beiden Extreme spiegelte die Podiumsdiskussion von Main-Post, Rhön- und Saalepost sowie Rhön- und Streuboten in der Stadthalle wider. Sie hatte den jüngst angekündigten Stellenabbau der beiden Unternehmen Valeo und Preh in Bad Neustadt sowie deren Folgen zum Thema. Darüber diskutierten Vertreter von Politik, Industrie und Interessensverbänden. Wie kam es zu der Krise? Welche Perspektive hat der Landkreis, der stark von der Industrie geprägt ist? Wie geht es weiter? Diese Redaktion befragte sechs Frauen und Männer im Anschluss an die Diskussionsrunde, was sie mit nach Hause nahmen.
1. Natalie Werner aus Wollbach, 28 Jahre, Konstrukteurin und Ausbilderin bei der Preh GmbH: "Natürlich habe ich Angst, vom Stellenabbau betroffen zu sein"

"Von anderen Firmen wurden heute Möglichkeiten angeführt, eine Krise ohne Stellenabbau aufzufangen. Es ist für mich enttäuschend, dass bei uns gleich die schlimmste Möglichkeit, ein Personalabbau, verkündet wird. Das kam für mich gefühlt von Null auf Hundert. Es schlug komplett ein. Die Azubis sind natürlich alle verunsichert. Wenn nach Sozialplan abgebaut wird, dann werden gerade junge Leute das Unternehmen verlassen. Das wird ein großes Loch hinterlassen. Ohne junge Leute hat ein Unternehmen keine Zukunft.
Die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen bei uns wird nun sicherlich deutlich abnehmen und es wird schwerer, junge Leute für das Unternehmen zu gewinnen. Ich bin seit meiner Ausbildung seit zwölf Jahren bei Preh und natürlich habe auch ich Angst, von dem Stellenabbau betroffen zu sein. Ich habe mir vor eineinhalb Jahren ein Haus gekauft, das gerade renoviert wird. Von meinem Alter her kann ich mit dabei sein. Aber ich bin nur eine von vielen, die in dem Alter sind, mit einem Haus und die eine Familie aufbauen wollen. Ein Sozialplan sagt, dass wir es am ehesten verkraften können. Aber das können wir definitiv nicht."
2. Manuela Michel aus Burglauer, 43 Jahre, Projektmanagerin in der Kreisentwicklung im Landratsamt und Vorsitzende der Kulturwerkstatt Rhön-Grabfeld: "Ich möchte mir gar nicht vorstellen, was ein Jobverlust in einer Familie ausmacht"

"In der Kreisentwicklung beschäftigen wir uns natürlich schon sehr lange mit dem Transformationsprozess, das heißt mit dem Strukturwandel, sowie mit der Entwicklung der Region und darüber hinaus. Dennoch wurden heute ein paar Themen angesprochen, die mich sehr nachdenklich machen. Zum Beispiel, wie sehr der Abzug von Wissen der Region schaden wird. Wahrscheinlich in einem größeren Ausmaß und nachhaltiger, als es uns im ersten Moment bewusst ist. Mein Vater ist Preh'ler gewesen. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, was ein Jobverlust in einer Familie ausmacht, wenn der Haupterwerbstätige wegbricht. Und was bedeutet das letztendlich für die ganze Region, wenn die Kaufkraft nachlässt? Jede Branche – das Handwerk, die Gastronomie, der Tourismus – werden letztendlich davon betroffen sein."
3. Klaus Granzow aus Bad Neustadt, 86 Jahre, ehemaliger Stadtbaumeister von Bad Neustadt: "Die Veranstaltung vermittelte auch Optimismus"

"Es war eine hochwertige Veranstaltung. Das Podium war mit Fachleuten und politischen Verantwortungsträgern gut besetzt. Es hätten etwas mehr Besucher da sein können. Das ist bedenklich. Trotz des besorgniserregenden Themas hatte die Veranstaltung einen positiven Effekt. Sie vermittelte auch Optimismus. Es wurde nicht nur gejammert, sondern die Hoffnung geweckt, dass eine Lösung gefunden wird. Ob für alle 420 Preh-Mitarbeiter – das weiß ich nicht. Das sind hochwertige Arbeitskräfte. Hoffentlich finden sie einen anderen Arbeitsplatz. Aber der wird wahrscheinlich leider mit einem Ortswechsel verbunden sein."
4. Janis Heller aus Lebenhan, 41 Jahre, Ingenieur in der Entwicklungsabteilung von Siemens und Stadtratsmitglied: "Für die Region ist es wichtig, dass die Akteure miteinander reden"

"Es war eine sehr ausführliche und interessante Diskussion. Natürlich sind an der einen oder anderen Stelle Fragen offen geblieben. Zum Beispiel, was die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konkret erwartet. Es ist noch nicht klar, wer und welche Mitarbeiter betroffen sind. Es muss nun konstruktiv diskutiert werden, welche Zukunft die Beschäftigten haben und ob es bei der Zahl 420 bleibt. Auf diese Fragen habe ich heute natürlich auch keine Antworten erwartet. Interessant waren die unterschiedlichen Positionen der einzelnen Akteure auf dem Podium. Ich hätte mir noch gut einen Vertreter aus dem Handwerk vorstellen können. Für die Region ist es wichtig, dass die Akteure da waren und miteinander redeten. Entscheidend ist nun, dass man weiter in Kontakt bleibt, weiter miteinander spricht und zielgerichtet nach vorne blickt."
5. Eva Böhm aus Ostheim, 58 Jahre, Lehrerin und stellvertretende Landrätin: "Wir müssen nun alle zusammenhalten"

"Es wurden heute sehr viele Aspekte angesprochen, aus einem interessanten Teilnehmerkreis heraus. Sicherlich wird es keine Patentlösung geben, so eine Art Blaupause, anhand derer man weiß, wie man agieren muss. Wir müssen nun alle zusammenhalten und weiter innovativ und vorausschauend sein. In der Vergangenheit war es schon öfters der Fall, dass aus einer Krise etwas Neues entstand. Es steht zu hoffen, dass es auch diesmal gelingt. Wir im Landkreis Rhön-Grabfeld können viel erreichen und brauchen uns nicht zu verstecken. Wir haben tolle Betriebe, wir haben tolle Mitarbeiter und damit viel Know-how. Das sind Aspekte, die nicht vergessen werden dürfen."
6. Sebastian Uhl aus Mellrichstadt, 27 Jahre, Mitarbeiter in der Qualitätssicherung und Entwicklung bei Preh sowie Betriebsrat: "Ein extremer Schlag gegen den Familienspirit"

"Ich nehme heute vor allem die Aussage von Herrn Nöth (Anm. d. Red.: Guntram Nöth, CFO bei Preh) mit nach Hause, dass Preh weiterhin eine Art Familienunternehmen bleiben will. Die Ankündigung, dass ein so großer Teil der Belegschaft abgebaut werden soll, ist ein extremer Schlag gegen diesen Familienspirit. Ich mache mir Gedanken und habe deswegen auch schlaflose Nächte: Wenn so viele gehen sollten –welche Auswirkungen hat das auf die Restbelegschaft? Natürlich denke ich auch an die Kollegen, die ihren Job verlieren. Aus meiner in Anführungszeichen komfortablen Sicht als gesicherter Betriebsrat geht es mir auch um das Danach. Wie soll unsere Preh-Familie erhalten bleiben? Was macht das psychisch mit den übrig gebliebenen Leuten, wenn ein Teil der Familie so herausgerissen wird? Man kann doch nicht seinen Alltag weiter leben und seinen Job weiter ausführen, als wäre nichts gewesen."