Der Automobilzulieferer Preh will an seinem Hauptsitz in Bad Neustadt 420 von 1700 Arbeitsplätzen abbauen – rund jeder vierte Preh-ler soll gehen. In einem Samstagsbrief rief deshalb Main-Post-Redakteurin Ines Renninger den CEO des Unternehmens, Charlie Cai, dazu auf, für den Standort Bad Neustadt zu kämpfen. Auf ihren Appell hat Cai nun geantwortet:
"Sehr geehrte Frau Renninger,
auch ich erinnere mich gut an unser Gespräch zur wirtschaftlichen Situation von Preh, das ich als sehr konstruktiv empfunden habe. Vor allem erinnere ich mich noch genau an Ihre Frage, ob es Entlassungen bei Preh geben würde. Meine Antwort im März war, dass ich das in der aktuellen Situation nicht ausschließen könne. Und Sie reagierten darauf spontan mit den Worten "das ist aber eine schlechte Nachricht!".
Zu diesem Zeitpunkt befanden wir uns noch mitten in der Bewertung der Situation, ich wollte aber so transparent wie möglich mit Ihnen sprechen. Es waren noch keine Entscheidungen gefallen, dennoch war mir damals schon klar, dass wir am Stammsitz in Bad Neustadt nach fünf verlustreichen Jahren einen hohen Handlungsbedarf zur Verbesserung unserer Wirtschaftlichkeit hatten.
All unseren Programmen für Kosteneinsparungen und Effizienzsteigerungen – unter anderem durch eine unternehmensweite Six Sigma Initiative für Verbesserungsprozesse – stehen tiefgreifende strukturelle Probleme in der deutschen Wirtschaft und im Marktumfeld gegenüber. Diese sind nicht vorübergehender Natur, sondern als längerfristig zu bewerten. Deshalb reichen auch unsere alternativen Maßnahmen, wie Kurzarbeit, nicht aus, denn sie dienen der Überbrückung vorübergehender konjunktureller Probleme.
Preh-Standort in Bad Neustadt muss wirtschaftlich solide sein
Während die Wirtschaft gut lief, waren die Verluste noch zu verkraften, allerdings immer mit der Maßgabe, dass eine Besserung absehbar sein muss. Jetzt, wo sich unsere Investitionen in die E-Mobilität auszahlen sollten, läuft es ganz anders, als die gesamte Branche erwartet hatte. Zwar konnten wir die Ergebnissituation der Preh Gruppe in den letzten drei bis vier Jahren erfolgreich verbessern, doch in der angespannten gesamtwirtschaftlichen Lage müssen wir alles dafür tun, dass jeder Standort für sich wirtschaftlich solide aufgestellt ist. Wir müssen entschlossen handeln, um sicherstellen, dass die gesamte Preh Gruppe stabil bleibt.
Ich lebe und arbeite jetzt seit zwölf Jahren in Deutschland. Mein erstes Kind wurde in Bad Neustadt geboren. Und ja, auch wenn ich für die langjährigen Mitarbeiter, die zum Teil seit 25 oder 40 Jahren hier arbeiten, erst relativ neu dabei bin, fühle ich mich definitiv als Prehler. Ich bin aber nicht nur CEO, sondern zugleich auch Familienvater mit einer Frau und zwei Kindern. Tatsächlich konnte ich in letzter Zeit nicht mehr wirklich gut schlafen und habe darüber nachgedacht, was es für die Familien der Mitarbeiter bedeutet, die nicht bleiben können.
Deshalb habe ich dazu aufgerufen, dass alle Führungskräfte auf einen Teil ihres Jahresgehalts verzichten, damit wir dieses Geld in einer Art Fonds sammeln können, der den ausscheidenden Kollegen zugutekommen soll. Das Management gehört auch zur Preh-Familie. Ich persönlich habe mich verpflichtet, 25 Prozent meines Einkommens in diesen Fonds zu spenden. Dieser hat den Zweck, denjenigen, die Preh verlassen müssen, eine zusätzliche Entschädigung zu geben, das heißt zusätzlich zu ihrer Abfindung.
Preh-CEO Cai will Zeichen der Solidarität setzen
Ich weiß, dass dies ein schwacher Trost ist, wenn man selbst seinen Arbeitsplatz verliert. Aber ich wollte zumindest ein Zeichen der Solidarität setzen. Der Preh-Betriebsrat hatte es ja mit der Menschenketten-Aktion unter dem Motto "Die Preh-Familie hält zusammen" sehr gut getroffen.
In Ihrem Samstagsbrief sprechen Sie das Thema "globales Wachstum" mit einer sehr nachdenklichen, kritischen Tonalität an. Mir ist es daher ein wichtiges Anliegen, kurz zu erläutern, dass globales Wachstum für uns kein Selbstzweck ist, sondern eine Notwendigkeit, die sich aus der internationalen Struktur der Automobilbranche und den Anforderungen unserer Kunden ergibt. Unsere Kunden erwarten von uns zu Recht eine globale Aufstellung, wettbewerbsfähige Preise und einen wirtschaftlichen Erfolg, der uns erst ermöglicht, fortlaufend an allen Standorten in Innovationen zu investieren.
Bei Preh haben wir uns gut für den Zukunftsmarkt E-Mobility aufgestellt, genauso wie in unseren angestammten Marktsegmenten für Bediensysteme in Pkw und Nutzfahrzeugen. Wir sind als Zulieferer einer der E-Mobility-Pioniere und haben umfangreich am Standort Bad Neustadt investiert. Unser globales Wachstum war immer auch ein Wachstum für unseren Stammsitz Bad Neustadt.
Um genügend Aufträge und Arbeit für das Werk zu beschaffen, hatte ich selbst dafür plädiert, eine 20-Millionen-Investition in eine neue Produktionslinie für E-Fahrzeugkomponenten hier in Bad Neustadt zu tätigen. Allerdings wurde unser Vertrauen in die deutsche Wirtschaftspolitik nicht honoriert. Während wir für eine vergleichbare Produktionslinie in unserem portugiesischen Werk eine ansehnliche Förderung erhielten, weil die portugiesische Politik Investitionen anziehen und Arbeitsplätze schaffen will, gingen wir hier in Deutschland völlig leer aus. Arbeitsplätze in einem kostenintensiven Zukunftssegment zu schaffen und zu sichern, bleibt allein uns überlassen.
Kritik an der Bundesregierung
Dies hat uns umso härter getroffen, weil zu der allgemeinen Konjunkturflaute auch noch eine unerwartete, spontane Streichung der E-Auto-Förderung hinzugekommen ist. Man muss es in dieser Deutlichkeit sagen: Die Bundesregierung hatte sich ursprünglich Transformation auf ihre Fahnen geschrieben, aber ausgerechnet den Konjunkturmotor für Elektromobilität plötzlich und unerwartet abgewürgt. Mit der Streichung der Kaufanreize für E-Fahrzeuge sind die Zulassungszahlen deutlich zurückgegangen.
Unsere Kunden haben auf die sinkenden Absatzzahlen entsprechend reagiert. Sie investieren wieder stärker in die Verbrennertechnologie und produzieren weniger E-Fahrzeuge, was bei uns zu spürbar geringeren Abrufen von Komponenten für Elektromobilität führt. Unsere Kredittilgungen, um die hohen Investitionen in Maschinen und Anlagen zu bezahlen, laufen natürlich weiter. So etwas kann man nicht einfach aussitzen. Das versteht jeder, der für das Haushaltsbudget seiner eigenen Familie verantwortlich ist. In einer solchen Situation gilt es, entschlossen gegenzusteuern.
Es geht letztlich darum, das gesamte Unternehmen abzusichern, nicht nur einen einzelnen Standort. Einfach abzuwarten und auf Besserung zu hoffen, ist nicht die Aufgabe eines CEO. Meine Aufgabe ist es, immer einen Schritt voraus zu sein und zu handeln, solange es noch Handlungsspielräume gibt. Denn am Ende des Tages muss ich die Realitäten unserer gesamtwirtschaftlichen Lage in Deutschland zur Kenntnis nehmen. Der Industriestandort Deutschland büßt seine internationale Wettbewerbsfähigkeit zunehmend ein. Viele unserer Wettbewerber haben bereits reagiert und zum Teil ganze Werke geschlossen. Die Zeitungen waren bundesweit voll von diesen Negativschlagzeilen.
Preh ist technologisch nach wie vor stark aufgestellt und verfügt über eine sehr gute Kundenbasis. Es geht jetzt darum, die Stabilität der gesamten Gruppe zu sichern und diese wirtschaftlich sehr schwierigen Zeiten erfolgreich zu meistern.
Ich möchte die Gelegenheit dieses Briefes aber auch nutzen, die Politik aufzurufen, eine Wirtschaftsförderung zu betreiben, die den Standort Deutschland wieder international wettbewerbsfähig macht!
Auch wenn ich an der Podiumsdiskussion nicht persönlich teilnehmen konnte – ich begrüße Ihre Initiative, Unternehmen, Politiker und Bürger, die einen positiven Beitrag zur Zukunft unserer Region leisten wollen, in einen gemeinsamen Dialog zu bringen.
Beste Grüße
Zhengxin "Charlie" Cai
CEO Preh Group"
Langsam müsste jeder kapiert haben, dass Unternehmen fast gezwungen werden, deutsche Standorte zu schließen um im Ausland mit Erfolg und Gewinnen weiter zu arbeiten, bzw. hier nicht in die Insolvenz zu gehen. Alle anderen europäische Länder haben dadurch auch ein deutliches Wirtschaftswachstum im Gegensatz zu Deutschland. Das Unwort hierfür ist, daß sich widersprechende, Negativ-Wachstum.
Wow