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Bad Neustadt
"Jetzt ist Zusammenhalt wichtig": Preh-Urgestein Egon Friedel zu dem Stellenabbau beim Automobilzulieferer
Egon Friedel war 33 Jahre lang Betriebsratsvorsitzender bei Preh. Auch er ist über den Personalabbau erschrocken. Wie darüber hinaus seine Reaktion ausfällt.
Über 50 Jahre war Egon Friedel mit der Preh GmbH verbunden, anfangs als Auszubildender und schließlich als Betriebsratsvorsitzender. Dementsprechend bewegt auch ihn der geplante Stellenabbau sehr.
Foto: Sigrid Brunner | Über 50 Jahre war Egon Friedel mit der Preh GmbH verbunden, anfangs als Auszubildender und schließlich als Betriebsratsvorsitzender. Dementsprechend bewegt auch ihn der geplante Stellenabbau sehr.
Sigrid Brunner
 |  aktualisiert: 19.06.2024 02:53 Uhr

Egon Friedel arbeitete über 50 Jahre bei der Firma Preh. Er fing als Auszubildender noch unter Walter Preh an, durchlief den Verkauf an Rheinmetall und schließlich auch 2011 den Wechsel zur chinesischen Joyson-Group. Über 30 Jahre lang vertrat er als Betriebsratsvorsitzender die Interessen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Er gilt als "Preh-Urgestein". Bis heute verbinden viele seinen Namen mit dem Unternehmen. Was sagt er zu dem geplanten Stellenabbau bei Preh?

Frage: Was war Ihre erste Reaktion, als Sie erfuhren, dass Preh 420 Stellen streichen will?

Egon Friedel: Zunächst hörte ich nur von der Versammlung in der Stadthalle und dachte mir schon, dass das nichts Gutes bedeutet. Als ich dann von dem geplanten Stellenabbau erfuhr, war ich schockiert. Ich konnte es gar nicht glauben. Natürlich wusste ich von der Kurzarbeit bei Preh. Aber der Personalabbau und dann auch noch in dem Ausmaß kam für mich überraschend.

Was bedeutet das für Bad Neustadt?

Friedel: Die Auswirkungen sind katastrophal. 420 Arbeitsplätze bedeuten 420 Familien. Das zieht Kreise bis in den Handel und in die Gastronomie. Wenn man seinen Arbeitsplatz verliert, muss man natürlich mit jedem Pfennig rechnen. Leider ist es momentan nicht so, dass Firmen groß Personal einstellen.

Wurden Sie in Ihrer Zeit als Betriebsrat bei Preh mit Ähnlichem konfrontiert?

Friedel: In der großen Finanzkrise 2008 wollte Preh über 300 Stellen abbauen. Damals konnten wir die Geschäftsführung davon überzeugen, zunächst alle anderen Möglichkeiten auszuschöpfen. Die Kurzarbeit wurde verlängert und Mitarbeiter wechselten in Teilzeit. Mit der Option, bei einer Besserung der Lage erneut in Vollzeit arbeiten zu können. Bald ging die Auftragslage wieder nach oben und nach etwa sechs Monaten arbeiteten alle wieder in Vollzeit. 

Kann man daraus eine Lehre für heute ziehen?

Friedel: Ich kann die jetzige Situation als Außenstehender nicht einschätzen und möchte deshalb auch nicht mit Ratschlägen kommen. Generell kostet ein Sozialplan viel Geld und Neueinstellungen auch. Das verloren gehende Knowhow der Mitarbeiter gar nicht mitgerechnet. Insofern sollten vor einem Stellenabbau erst alle zur Verfügung stehenden Instrumente ausgereizt werden.

Haben Sie noch viele Kontakte zu Beschäftigten von Preh?

Friedel: Nur zu einzelnen. Ich bin noch in einer Preh-Radfahrergruppe aktiv. Aber die besteht überwiegend aus Rentnern wie mir. Über diese und weitere frühere Kollegen bekomme ich aber das ein oder andere mit.

Was hörten Sie in den letzten Tagen für Reaktionen auf den vorgesehenen Stellenabbau?

Friedel: Die Leute sind schockiert, fast sprachlos und auch wütend. Was man nachvollziehen kann. Für viele ist es unbegreiflich. Die Beschäftigten sind sehr frustriert. 

Was bedeutet es für das Unternehmen Preh selbst? 

Friedel: Es wird nun ein Sozialplan erstellt. Das Arbeitsrecht sagt bei Kündigungen ganz klar, dass jungen Mitarbeitern und Beschäftigten mit kurzer Betriebszugehörigkeit zuerst gekündigt wird. Die jungen Mitarbeiter sind aber die Zukunft des Unternehmens. Diese Arbeitsplätze fallen dann weg.

Kann man die jetzige Situation als größte Krise bei Preh seit Jahren bezeichnen?

Friedel: In meiner Zeit als Betriebsratsvorsitzender gab es keine einzige betriebsbedingte Kündigung. Die letzte Kündigungswelle war um 1982 mit über 100 Entlassungen. Insofern kann man das schon sagen.

Was hoffen Sie nun für Preh und deren Beschäftigte?

Friedel: Ich hoffe, dass in Verhandlungen Lösungen gefunden werden, um die Arbeitsplätze zu erhalten. Dabei habe ich vollstes Vertrauen in den jetzigen Betriebsrat und in die Gewerkschaft. Diese werden alles versuchen. Außerdem hoffe ich auf die nötige Unterstützung von außen, von der Politik und von der Bevölkerung. Wichtig ist, dass nun alle Mitarbeiter von Preh zusammenhalten und sich gegenseitig unterstützen. 

Egon Friedel

Egon Friedel wurde 1953 in Schmalwasser geboren. 1967 begann er bei der Preh GmbH eine Ausbildung zum Feinmechaniker. Anschließend war er als Facharbeiter in der Versuchswerkstatt und als Siebdrucktechniker in der Forschungsabteilung beschäftigt. 1970 begann sein betrieblicher Weg in der Jugendvertretung. Von 1985 bis zu seinem Ruhestand 2018 war er freigestellter Betriebsratsvorsitzender. Seit 1994 ist er Mitglied des Kreistages von Rhön-Grabfeld.
Quelle: sbr
 
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  • Erich Spiegel
    Arbeitsplatzabbau ist bitter für die Betroffenen. Ich hab ihn auch am eigenen Leib erfahren. Jammern hilft nichts. Man muss sich der Realität stellen. In anderen Teilen der Welt arbeiten sie mehr, länger und für weniger Geld. Bisher ging es gut am Standort Deutschland. Jetzt nicht mehr wegen hoher Energiepreise. Die Betriebe müssen importierte Energie aus USA und Katar teuer bezahlen. Das billige russische Gas fehlt. Die Rechnung geht nicht mehr auf. Die Betriebe verlagern im großen Stil, auch weil sie wissen, dass die Energiewende zu erneuerbaren Energien noch 10 bis 20 Jahre dauert. Erst danach sind die Energiepreise wieder wettbewerbsfähig. Die Regierungen der Vergangenheit bestehend aus CDU, SPD und FDP haben uns in die Abhängigkeit von Russland geführt. Aber deswegen radikale Parteien wie AfD zu wählen ist der falsche Weg. Die AfD zieht zwielichtige Figuren an wie die von China und Russland bestochenen Spitzenkandidaten der EU Wahl, die Herren Krah und Bystron.
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