Siemens ist einer der wichtigsten Arbeitgeber in Bad Neustadt. Werkleiter Peter Deml spricht im Interview über die aktuelle Lage des Werks und die Herausforderungen der Zukunft.
Peter Deml: Nein, das hätte ich nicht gedacht. In der Regel stellt man sich als Führungskraft auf etwa fünf Jahre ein, da viele Projekte auch Zeit brauchen, bis sie umgesetzt sind. Dass ich jetzt schon fast zehn Jahre hier bin, hat viel mit den Menschen und dem Standort zu tun.
Deml: Das würde ich auf jeden Fall unterstreichen. Das zeigt, welche Rolle der Standort Bad Neustadt im Werkeverbund 'Digital Industries' hat. Wir haben hier eine Exzellenz im Bereich Mechatronik. Die Leute waren begeistert.
Deml: Man sieht hier die Veränderungen – sie sind begreifbar und verständlich. Eine Cloud sieht man beispielsweise nicht, aber eine Roboterautomatisierung eben schon.
Deml: Es ist der einzige Standort in Deutschland, der sich mit Elektromotorentechnik für die Werkzeugmaschinenbranche auskennt und diese von der Entwicklung bis zur Fertigung anbietet. Das ist ein ganz spannendes Thema.
Deml: Prinzipiell geht alles irgendwo auf der Welt. Aber es stellt sich die Frage: Habe ich dort die Expertise, die Kompetenz, die Erfahrung? Das ist in Bad Neustadt alles vereint. Und unsere Leute sind unwahrscheinlich engagiert und haben Expertenwissen.
Deml: Das ist ein ganz klares Bekenntnis zum Standort Bad Neustadt, das auch von der Geschäftsleitung so unterstützt wird. Wir investieren hier jedes Jahr einen zweistelligen Millionenbetrag.
Deml: Aktuell nein. Wir reden aber über Parallelfertigungen. Wir wollen die Kernprodukte an zwei Standorten fertigen. Europa beliefert Europa und Amerika. Unsere Fertigungen in Asien beliefern den asiatischen Markt.
Deml: Ich würde eine erfolgreiche Firma nicht daran messen, ob sie 1500 oder 1600 Arbeitsplätze hat. Die entscheidende Frage ist: Welche Technologien für die Zukunft habe ich am Standort und wie kann ich Arbeitsplätze in der Zukunft sichern? Und eines darf man nicht vergessen: Die Beschäftigungsprognose aufgrund der Alterspyramide geht nach unten.
Deml: Wenn wir unser Produktionsvolumen auf diesem hohen Niveau halten wollen und ich weiß, dass uns Mitarbeiter aus Altersgründen verlassen, müssen wir gegensteuern. Eine Möglichkeit ist, das mit einer exzellenten Automation zu machen. Das bedingt aber auch, dass das Qualifikationsprofil der Mitarbeiter steigen muss.
Deml: Ich bin seit acht Jahren hier, aber so turbulent wie es die vergangenen drei Jahre war, ist es mir in meinem gesamten Berufsleben noch nicht ergangen. Während der Corona-Pandemie ging es runter, danach gab es Auftragsspitzen. Jetzt schwingt die Konjunktur wieder ab. Aber diese Auf- und Abschwungzyklen kennen wir und wissen, wie wir damit umgehen.
Deml: Ob es wirklich ein Abschwung ist, kann man aktuell noch nicht beurteilen. Wir fahren auf Sicht und haben verschiedene Möglichkeiten, uns auf eine sich verändernde Auftragslage einzustellen. Kurzarbeit oder gar Angst um den Arbeitsplatz stehen nicht auf unserer Agenda. Was wir tun ist, eine ganze Reihe von Flexibilitätsmodellen zu prüfen, über die wir mit unserem Betriebsrat im Austausch sind. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben etwa ein Zeitsaldo, sie können Urlaub nehmen und man kann auch einzelne Betriebsschließungstage vereinbaren. So kommt man in der Regel gut zurecht. Wir haben hochinnovative Produkte und eine exzellente Performance in unseren Werken. Mit unseren Flexibilitätsmodellen können wir auf Veränderungen der Auftragslage in beide Richtungen gut reagieren.
Deml: Wir mussten ein bisschen kämpfen, konnten aber unsere Ausbildungsstellen besetzen. Wir haben ja eine eigene Ausbildungswerkstatt und einen guten Mix zwischen gewerblichen Mitarbeitern wie Mechatronikern oder Elektrikern und auch dual Studierenden. Daneben schreiben wir vermehrt extern Stellen aus. Wir sehen das Thema Fachkräfte nicht ganz entspannt, aber wir können das managen.
Deml: Stromausfälle im Millisekundenbereich, die man im normalen Haushalt gar nicht merkt, machen uns Schwierigkeiten. Wir sind dazu auch im Gespräch mit dem Überlandwerk. Momentan werden die kritischen Anlagen mit einer Batterie versorgt, die so einen Mini-Blackout überbrückt.
Deml: Im Prinzip arbeiten wir an zwei Themen: an der Energieversorgung und daran, wie wir Energie einsparen können. Wir wollen vom Gas wegkommen. Wir gehen heute davon aus, dass es mittelfristig leichter gelingt, grünen Strom zu erzeugen als grünes Erdgas. Wasserstoff ist eine Option, aber ob die in naher Zukunft greifbar ist, bleibt offen.
Deml: Mich freut es, bei dem Thema Energie auch von Bürgermeister und Landrat miteingebunden zu werden. Das war früher nicht so. Wenn aber die Planungszeiträume nicht Monate, sondern einige Jahre dauern, ist das schon ernüchternd. Natürlich ist es am einfachsten, wenn Energie da erzeugt wird, wo sie auch weiterverarbeitet werden kann. Insoweit begrüßen wir das Thema Windpark.
Deml: Ein großes Thema ist die Nahverkehrsanbindung der Produktionsstandorte. Stichwort: Schichtbusse. Hier ist unser Personalleiter, Hermann Weiland, schon in Gesprächen.
Deml: Wir haben keine eigenen Pendelbusse. Eine Idee wären fahrerlose Shuttlebusse zwischen den Standorten. Aber das ist ein Zukunftsthema.
Deml: Die Veranstaltungsräume in Bad Neustadt sind super. Aber mit Übernachtungskapazitäten ist es schwierig. Bei unserer Werkleitertagung mussten wir die rund 60 Teilnehmenden auf die ganze Region verteilen. Das ist schon mühsam.
Deml: Dass wir nach wie vor technologisch an der Spitze bleiben. Wir müssen die Zukunftsthemen erkennen und besetzen.
Deml: Da gibt es ganz klar Megatrends. Erstens: die Automatisierung, wie beispielsweise Robotersysteme in Kombination mit automatischen Produktionsanlagen. Zweitens das Thema Software und Künstliche Intelligenz.
Deml: Ja, und das funktioniert auch. Die Kunden sind zufrieden.
Deml: Ein ganz großer Schritt wird die Fertigstellung unseres Energiekonzepts sein. Wir planen in den nächsten zwei Jahren eine Ist-Aufnahme aller Gebäude, um festzustellen, welchen energetischen Verbrauch wir haben. Daraus erstellen wir eine Road Map, wie der Standort bis 2030 komplett CO₂-neutral wird. Ich glaube, dass das für den Landkreis und den Standort prägend sein wird, wenn ein Werk mit fast zweitausend Beschäftigten in der Lage ist, CO₂-neutral zu fertigen. Da freuen wir uns darauf, das ist ein großer Meilenstein.