zurück
Bad Neustadt
Siemens-Werkleiter Peter Deml: Warum der Standort Bad Neustadt so besonders ist – und was dort geplant ist
Auftragslage, Fachkräftemangel und Energieversorgung: Siemens in Bad Neustadt steht vor vielen Herausforderungen. Und dennoch ist dort Großes geplant.
Der Siemens-Werkleiter von Bad Neustadt, Peter Deml, berichtet im Interview, wie er Fachkräftemangel und Energiekrise angehen will.
Foto: Anand Anders | Der Siemens-Werkleiter von Bad Neustadt, Peter Deml, berichtet im Interview, wie er Fachkräftemangel und Energiekrise angehen will.
Julia Back
 und  Thomas Pfeuffer
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:33 Uhr

Siemens ist einer der wichtigsten Arbeitgeber in Bad Neustadt. Werkleiter Peter Deml spricht im Interview über die aktuelle Lage des Werks und die Herausforderungen der Zukunft.

Frage: Sie sind seit 2015 Werkleiter in Bad Neustadt. Hätten Sie gedacht, dass Sie so lange in der Rhön bleiben?

Peter Deml: Nein, das hätte ich nicht gedacht. In der Regel stellt man sich als Führungskraft auf etwa fünf Jahre ein, da viele Projekte auch Zeit brauchen, bis sie umgesetzt sind. Dass ich jetzt schon fast zehn Jahre hier bin, hat viel mit den Menschen und dem Standort zu tun.

Erst kürzlich kamen rund 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer von 25 Siemens-Standorten aus aller Welt zur Werkleiterkonferenz zu Ihnen. Ist das ein Beleg für die Qualität des Standorts?

Deml: Das würde ich auf jeden Fall unterstreichen. Das zeigt, welche Rolle der Standort Bad Neustadt im Werkeverbund 'Digital Industries' hat. Wir haben hier eine Exzellenz im Bereich Mechatronik. Die Leute waren begeistert.

Was ist denn besonders gut angekommen?

Deml: Man sieht hier die Veränderungen – sie sind begreifbar und verständlich. Eine Cloud sieht man beispielsweise nicht, aber eine Roboterautomatisierung eben schon.

Sie gelten als sehr engagiert für den Standort. Was macht ihn denn innerhalb von Siemens so besonders?

Deml: Es ist der einzige Standort in Deutschland, der sich mit Elektromotorentechnik für die Werkzeugmaschinenbranche auskennt und diese von der Entwicklung bis zur Fertigung anbietet. Das ist ein ganz spannendes Thema.

Aber ginge das nicht von überall auf der Welt? Muss das in Bad Neustadt sein?

Deml: Prinzipiell geht alles irgendwo auf der Welt. Aber es stellt sich die Frage: Habe ich dort die Expertise, die Kompetenz, die Erfahrung? Das ist in Bad Neustadt alles vereint. Und unsere Leute sind unwahrscheinlich engagiert und haben Expertenwissen.

Das klingt nach einem Bekenntnis zum Standort.

Deml: Das ist ein ganz klares Bekenntnis zum Standort Bad Neustadt, das auch von der Geschäftsleitung so unterstützt wird. Wir investieren hier jedes Jahr einen zweistelligen Millionenbetrag.

Es gibt also keine Pläne, Prozesse aus Bad Neustadt weg zu verlagern?

Deml: Aktuell nein. Wir reden aber über Parallelfertigungen. Wir wollen die Kernprodukte an zwei Standorten fertigen. Europa beliefert Europa und Amerika. Unsere Fertigungen in Asien beliefern den asiatischen Markt.

2010 und 2016 sollten viele Arbeitsplätze abgebaut werden. Wie sehen Sie die Entwicklung seitdem?

Deml: Ich würde eine erfolgreiche Firma nicht daran messen, ob sie 1500 oder 1600 Arbeitsplätze hat. Die entscheidende Frage ist: Welche Technologien für die Zukunft habe ich am Standort und wie kann ich Arbeitsplätze in der Zukunft sichern? Und eines darf man nicht vergessen: Die Beschäftigungsprognose aufgrund der Alterspyramide geht nach unten.

Wie reagieren Sie darauf?

Deml: Wenn wir unser Produktionsvolumen auf diesem hohen Niveau halten wollen und ich weiß, dass uns Mitarbeiter aus Altersgründen verlassen, müssen wir gegensteuern. Eine Möglichkeit ist, das mit einer exzellenten Automation zu machen. Das bedingt aber auch, dass das Qualifikationsprofil der Mitarbeiter steigen muss.

Wie ist denn die Auftragslage aktuell?

Deml: Ich bin seit acht Jahren hier, aber so turbulent wie es die vergangenen drei Jahre war, ist es mir in meinem gesamten Berufsleben noch nicht ergangen. Während der Corona-Pandemie ging es runter, danach gab es Auftragsspitzen. Jetzt schwingt die Konjunktur wieder ab. Aber diese Auf- und Abschwungzyklen kennen wir und wissen, wie wir damit umgehen.

Sie befinden sich gerade im Abschwung. Müssen Beschäftigte in Kurzarbeit oder sogar Angst um ihren Arbeitsplatz haben?

Deml: Ob es wirklich ein Abschwung ist, kann man aktuell noch nicht beurteilen. Wir fahren auf Sicht und haben verschiedene Möglichkeiten, uns auf eine sich verändernde Auftragslage einzustellen. Kurzarbeit oder gar Angst um den Arbeitsplatz stehen nicht auf unserer Agenda. Was wir tun ist, eine ganze Reihe von Flexibilitätsmodellen zu prüfen, über die wir mit unserem Betriebsrat im Austausch sind. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben etwa ein Zeitsaldo, sie können Urlaub nehmen und man kann auch einzelne Betriebsschließungstage vereinbaren. So kommt man in der Regel gut zurecht. Wir haben hochinnovative Produkte und eine exzellente Performance in unseren Werken. Mit unseren Flexibilitätsmodellen können wir auf Veränderungen der Auftragslage in beide Richtungen gut reagieren.

Haben Sie genug Fachkräfte?

Deml: Wir mussten ein bisschen kämpfen, konnten aber unsere Ausbildungsstellen besetzen. Wir haben ja eine eigene Ausbildungswerkstatt und einen guten Mix zwischen gewerblichen Mitarbeitern wie Mechatronikern oder Elektrikern und auch dual Studierenden. Daneben schreiben wir vermehrt extern Stellen aus. Wir sehen das Thema Fachkräfte nicht ganz entspannt, aber wir können das managen.

Ein weiterer Standortfaktor ist die sichere Energieversorgung. Ist die gewährleistet?

Deml: Stromausfälle im Millisekundenbereich, die man im normalen Haushalt gar nicht merkt, machen uns Schwierigkeiten. Wir sind dazu auch im Gespräch mit dem Überlandwerk. Momentan werden die kritischen Anlagen mit einer Batterie versorgt, die so einen Mini-Blackout überbrückt.

Wie gehen Sie sonst mit dem Thema Energieversorgung bei sich um?

Deml: Im Prinzip arbeiten wir an zwei Themen: an der Energieversorgung und daran, wie wir Energie einsparen können. Wir wollen vom Gas wegkommen. Wir gehen heute davon aus, dass es mittelfristig leichter gelingt, grünen Strom zu erzeugen als grünes Erdgas. Wasserstoff ist eine Option, aber ob die in naher Zukunft greifbar ist, bleibt offen.

Welche Bedeutung hat dabei die regionale Energieerzeugung, wie beispielsweise die Planungen im Bildhäuser Forst?

Deml: Mich freut es, bei dem Thema Energie auch von Bürgermeister und Landrat miteingebunden zu werden. Das war früher nicht so. Wenn aber die Planungszeiträume nicht Monate, sondern einige Jahre dauern, ist das schon ernüchternd. Natürlich ist es am einfachsten, wenn Energie da erzeugt wird, wo sie auch weiterverarbeitet werden kann. Insoweit begrüßen wir das Thema Windpark.

In welchen Bereichen sehen Sie denn Gesprächsbedarf mit der Stadt Bad Neustadt oder dem Landkreis?

Deml: Ein großes Thema ist die Nahverkehrsanbindung der Produktionsstandorte. Stichwort: Schichtbusse. Hier ist unser Personalleiter, Hermann Weiland, schon in Gesprächen. 

Haben Sie eigene Transportmittel?

Deml: Wir haben keine eigenen Pendelbusse. Eine Idee wären fahrerlose Shuttlebusse zwischen den Standorten. Aber das ist ein Zukunftsthema.

Gibt es sonstige Herausforderungen für Sie?

Deml: Die Veranstaltungsräume in Bad Neustadt sind super. Aber mit Übernachtungskapazitäten ist es schwierig. Bei unserer Werkleitertagung mussten wir die rund 60 Teilnehmenden auf die ganze Region verteilen. Das ist schon mühsam.

Wenn man es auf ein Thema herunterbricht: Was ist die aktuell größte Herausforderung für Siemens in Bad Neustadt?

Deml: Dass wir nach wie vor technologisch an der Spitze bleiben. Wir müssen die Zukunftsthemen erkennen und besetzen.

Was ist das Zukunftsthema für Sie?

Deml: Da gibt es ganz klar Megatrends. Erstens: die Automatisierung, wie beispielsweise  Robotersysteme in Kombination mit automatischen Produktionsanlagen. Zweitens das Thema Software und Künstliche Intelligenz.

Setzen sie Künstliche Intelligenz schon systematisch ein?

Deml: Ja, und das funktioniert auch. Die Kunden sind zufrieden.

Zum Abschluss ein Blick in die Zukunft: Was sind die nächsten Schritte für den Standort?

Deml: Ein ganz großer Schritt wird die Fertigstellung unseres Energiekonzepts sein. Wir planen in den nächsten zwei Jahren eine Ist-Aufnahme aller Gebäude, um festzustellen, welchen energetischen Verbrauch wir haben. Daraus erstellen wir eine Road Map, wie der Standort bis 2030 komplett CO₂-neutral wird. Ich glaube, dass das für den Landkreis und den Standort prägend sein wird, wenn ein Werk mit fast zweitausend Beschäftigten in der Lage ist, CO₂-neutral zu fertigen. Da freuen wir uns darauf, das ist ein großer Meilenstein. 

'Das ist ein ganz klares Bekenntnis zum Standort Bad Neustadt...' Werkleiter Peter Deml sieht sehr positive Perspektiven für Siemens in der Region.
Foto: Anand Anders | "Das ist ein ganz klares Bekenntnis zum Standort Bad Neustadt..." Werkleiter Peter Deml sieht sehr positive Perspektiven für Siemens in der Region.

Zur Person

Peter Deml hat nach seiner Ausbildung zum Werkzeugmacher bei der Siemens AG in Amberg Maschinenbau an der OTH Regensburg studiert. Nach dem Studium war er im Nürnberger Maschinen- und Apparate-Werk in verschiedenen Führungspositionen tätig.
Ab 2006 unterstützte er als Leiter Global Manufacturing die Siemens LD-Auslandsstandorte in China, Tschechien, USA und Indien. Ende 2012 übernahm er die Leitung des Elektromotorenwerkes München. Seit 2015 ist er Werkleiter in Bad Neustadt.
Quelle: jsc
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Bad Neustadt
Julia Back
Thomas Pfeuffer
Fachkräftemangel
Mechatronik
Personalabbau
Siemens AG
Stadt Bad Neustadt
Standorte
Stromausfälle
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top