Ist grüner Wasserstoff ein zentraler Faktor auf dem Weg in die Klimaneutralität? Nicht nur der Bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger sieht diese Technik als enorme Chance für die Zukunft der Wirtschaft im Freistaat und hat die Bayerische Wasserstoffstrategie initiiert. Auch in den Landkreisen Bad Kissingen und Rhön-Grabfeld sieht man die enormen Potenziale von Wasserstoff als Energieträger der Zukunft. Aber man geht hier noch einen Schritt weiter: Der grüne Wasserstoff soll nicht nur in der Region selbst produziert werden, sondern auch aus Strom, der von erneuerbaren Energiequellen aus der Region kommt. Die Wertschöpfung soll Ort bleiben.
Aber ist eine großtechnische Produktion von grünem Wasserstoff in den Landkreisen Bad Kissingen und Rhön-Grabfeld überhaupt technisch und vor allem auch wirtschaftlich möglich. Diese Frage soll eine Studie klären, mit der jetzt die R3 RegionalEnergie GmbH mit Sitz in Münnerstadt den Technologiekonzern Siemens beauftragt hat. Mit diesem Leuchtturmprojekt könnte die Region Vorreiter in puncto Energiewende und Klimaschutz werden, hieß es bei der Unterzeichnung der Verträge, für die der Münnerstädter Glasherstellers Nipro repräsentative Räumlichkeiten zur Verfügung stellte.
Vertragsunterzeichnung nach einem Jahr Vorbereitung
Nach rund einem Jahr Vorbereitung brachten nun Gunter Häckner und Norbert Schmäling, Geschäftsführer der R3 RegionalEnergie GmbH, sowie Dr. Rainer Saliger von der Projektentwicklung dezentrale Versorgungsprojekte bei der Siemens AG mit ihrer Unterschrift das Projekt auf den Weg. Bei einem positiven Ergebnis der Machbarkeitsstudie, die bis zum Herbst abgeschlossen sein soll, will man sich mit einem oder mehreren Projekten im Rahmen der Wasserstoffstrategie um eine Förderung bewerben.
Es wäre aus energetischer und ökologischer Sicht für viele ein Traum: Windräder und Fotovoltaikanlagen in bürgerschaftlicher Hand erzeugen in den Landkreisen Bad Kissingen und Rhön-Grabfeld Strom, der vor Ort verbraucht wird. Aktuell nicht benötigte Energie wird in Form von günstigem, grünem Wasserstoff gespeichert, den die heimische Industrie aufkauft, um fossiles Erdgas zu ersetzen und selbst CO₂-frei zu arbeiten. Der Betrieb von Lkw und oder Eisenbahnen mit Wasserstoff oder die Rückverstromung wären weitere Optionen, ebenso eine Einspeisung in das Erdgasnetz.
"Wenn man interkommunal zusammenarbeitet und regionale Energieversorger einbindet, könnten Kommunen und Landkreise die Energieversorgung selbst in die Hand nehmen, von der Wertschöpfung profitieren und langfristig für stabile Energiepreise sorgen", sind die Geschäftsführer der R3 RegionalEnergie GmbH überzeugt. Entsprechend laden sie alle interessierten Einrichtungen und Versorger zum Mittun ein. Ihr Ziel sei es, Konzepte zu entwickeln, wie eine bürgerschaftlich getragene Energiewende umgesetzt werden kann. Wie Häckner und Schmäling betonen, erfolgt eine Projektentwicklung durch die R3 ausschließlich für Bürger, Unternehmen und Kommunen in der Region.
Starker Zuwachs an grünem Strom aus der Region erwartet
Durch den Bau weiterer Windräder und Fotovoltaikanlagen wird sich das Angebot an erneuerbaren Energien in den beiden Landkreisen deutlich erhöhen. So ist unter anderem geplant, einen großen kommunalen Windpark mit 15 Windrädern im Bildhäuser Forst zu errichten. Um die enormen Strommengen zu bewältigen, propagiert R3 deshalb die Schaffung sogenannter Energieknotenpunkte.
Von geeigneten Standorten aus soll der Strom in einem optimalen Leistungsmix eingespeist werden. Überschüssige Energie soll dabei kurzzeitig in Batterien gespeichert werden, um besonders die Tag-Nacht-Schwankungen der Solarenergie auszugleichen. Für eine langfristige Speicherung wird mit sogenannten Elektrolyseuren aus dem überschüssigen und daher billigeren grünen Strom grüner Wasserstoff erzeugt.
Bei der Umwandlung von Strom in Wasserstoff fällt auch Wärme an, die, so das Konzept, aufbereitet und beispielsweise für ein Nahwärmenetz genutzt werden soll. Entsprechende Wärme-Abnehmer sind daher bei der Standortsuche für den Elektrolyseur nicht unerheblich.
Dr. Rainer Saliger von Siemens hat bereits solche Machbarkeitsstudien unter anderem für Wunsiedel erstellt. Er freue sich, dass er nun die Region um Münnerstadt auf dem Weg zu einer nachhaltigen, grünen Energieversorgung begleiten dürfe. Bei einem Pressegespräch im Rahmen der Vertragsunterzeichnung unterstrich er, dass für das Gelingen Absichtserklärungen von Firmen wichtig sind, die den erzeugten Wasserstoff verbrauchen.
Erste Pilotabnehmer in der Region haben bereits Interesse signalisiert, grün produzierten Wasserstoff in ihren Prozessen einzusetzen. Darunter Nipro in Münnerstadt, die Siemens-Elektromotorenwerke in Bad Neustadt oder das GKN-Werk in Bad Brückenau. Für Unternehmen sei es ein Glücksfall, wenn direkt vor ihrer Haustüre CO₂-freie Energie in Form von Strom oder Wasserstoff verfügbar sei. Damit würden nicht zuletzt Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze in der Region gesichert.
Interesse bei Nipro, Siemens oder GKN
"Es freut uns, dass die unserseits vorgestellten Konzepte Zuspruch gefunden haben und diese somit in eine Machbarkeitsstudie fließen können", sagte Frank Chwojka, Projekt- und Programmmanager bei Nipro. "Wir werden weiterhin dieses Vorhaben mit höchstem Interesse weiterverfolgen und unterstützen. Was die Umsetzung betrifft, sehen wir zuversichtlich in die Zukunft."
Im Rahmen der Carbon Neutral Strategie des Unternehmens sei es essenziell, bis 2030 alle Energieverbräuche auf CO₂ freie Versorgung umzustellen, sagte Eugen Edelmann, Fertigungsleiter bei Siemens in Bad Neustadt in Vertretung von Werksleiter Peter Deml.
Die Firma GKN Hydrogen in Bad Brückenau zeigt sich erfreut über diese Entwicklung. Matthias Zeier, Business Development GNK Hydrogen, begrüßt die Planung und mögliche Umsetzung des Leuchtturmprojektes speziell hier in der Region ausdrücklich.
Für Münnerstadts Klimamanager, Stefan Richter, der als einer der Vordenker des Projektes gilt, war die Vertragsunterzeichnung nach einem Jahr Vorbereitung ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu einer klimaneutralen Kommune und ein riesiger Schritt hin, die Wertschöpfung der Energiewende vor Ort zu verankern.
Tatsächlich steckt da noch einiges in den Kinderschuhen, es ist aber wichtig am Ball zu bleiben, weil den enormen Energiehunger der Zukunft mit Sonne und Wind begegnen zu wollen ist viel zu blauäugig.
Die ersten Farbfernseher und Digitalkameras waren am Anfang auch zehnmal so teuer, viel zu plump und langsam. Wasserstoff könnte das Zeitalter der E-Mobilität eines gar nicht allzu fernen Tages ablösen, bevor es überhaupt richtig angefangen hat.