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Bad Neustadt
Main-Post-Podiumsdiskussion zum Stellenabbau bei Valeo und Preh in der Rhön: Was die Region jetzt braucht
Wie man Arbeitsplätze vielleicht retten könnte und worauf Rhön-Grabfeld setzen sollte, darüber diskutierten Politiker, Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der Stadthalle.
'Zukunft Rhön-Grabfeld' hieß die Podiumsdiskussion, die Redaktionsleiterin Julia Back (links) und Redakteur Michael Endres (rechts) moderierten. Zu Gast waren (ab Zweiter von links) Thomas Höhn (IG Metall Schweinfurt), Sandro Kirchner (CSU, Innenstaatssekretär), Guntram Nöth (CFO Preh), Caroline Trips (Präsidentin IHK), Thomas Habermann (CSU, Landrat), Daniel Rossmann (Betriebsratsvorsitzender Preh), Michael Werner (Bürgermeister Bad Neustadt, FW), Volkmar Halbleib (SPD, Landtagsabgeordneter) Peter Deml (Werkleiter Siemens Bad Neustadt), Martin Büchs (Geschäftsführer Jopp).
Foto: Silvia Gralla | "Zukunft Rhön-Grabfeld" hieß die Podiumsdiskussion, die Redaktionsleiterin Julia Back (links) und Redakteur Michael Endres (rechts) moderierten.
Ines Renninger
 |  aktualisiert: 04.07.2024 02:45 Uhr

Zweieinhalb Stunden haben Politiker, Unternehmer und Arbeitnehmer am Donnerstagabend bei der Main-Post-Podiumsdiskussion "Zukunft Rhön-Grabfeld: Was die Region jetzt braucht" in der Bad Neustädter Stadthalle intensiv über die wirtschaftliche Lage diskutiert. Moderiert wurde das Gespräch auf dem Podium von Julia Back, Redaktionsleiterin für Rhön-Grabfeld und Bad Kissingen. Redakteur Michael Endres steuerte dynamische Kurzinterviews am Stehtisch bei. 

Angesichts des drohenden Verlusts von über 700 Arbeitsplätzen in der Region waren im Vorfeld Fragen und Erwartungen bezüglich des Abends an die Redaktion herangetragen worden. Die Wahrheit ist: Wer sich ein konkretes Ergebnis erhofft hatte, könnte am Ende enttäuscht nach Hause gegangen sein. Denn ob das Zusammentreffen letztlich Arbeitsplätze gesichert hat, blieb ungewiss. 

Konstruktive Ansätze bei der Main-Post-Podiumsdiskussion

Nichtsdestotrotz machte die Veranstaltung Mut: Über zwei Stunden gelang, was in gesellschaftlichen Auseinandersetzungen dieser Tage bei weitem keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Die Teilnehmenden hörten einander zu und brachten ihre Argumente respektvoll vor. Welche davon verfangen haben, wird sich zeigen.

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Gemeinsam identifizierten Podium und Publikum trotz der Schwere der Situation konstruktive Impulse für Rhön-Grabfelds Zukunft. "Gerade in unsicheren Zeiten ist alles möglich" sei der Ansatz von Caroline Trips, Präsidentin der IHK Würzburg-Schweinfurt, stellvertretend genannt. 

130 Teilnehmer in Präsenz, 500 verfolgten den Livestream

Bei allem Optimismus geriet die auslösende Not nie in den Hintergrund: Zusammen gekommen war man, weil 700 Arbeitsplätze in Rhön-Grabfeld bedroht sind. Für jeden Arbeitsplatz stand ein freier Stuhl in der Stadthalle. Mit gerade einmal 130 Teilnehmern in Präsenz (rund 500 verfolgten die Diskussion im Livestream) blieben allerdings einige unbesetzt.

Mal mehr mal weniger Applaus gab es zu Redebeiträgen aus dem Publikum bei der Main-Post-Podiumsdiskussion.
Foto: Silvia Gralla | Mal mehr mal weniger Applaus gab es zu Redebeiträgen aus dem Publikum bei der Main-Post-Podiumsdiskussion.

Für Rhön-Grabfelds Landrat Thomas Habermann waren "deutlich zu wenig" Interessierte gekommen. "Das muss uns doch betroffen machen und bewegen. Da müsste jeder auf den Beinen sein", monierte er. Nicht Angst, aber durchaus Bedenken, wie sich ein derartiger Arbeitsplatzabbau letztlich auf die gesamte Stadtgesellschaft auswirken könnte, äußerte Bad Neustadts Bürgermeister Michael Werner.

Preh-CFO Nöth: Die Transformation kommt nicht so schnell wie erwartet

Während von Valeo niemand Zeit gefunden hatte, stellte sich der Chief Financial Officer (CFO) von Preh, Guntram Nöth, auf dem Podium den Fragen. Zum Einstieg zitierte Moderatorin Julia Back anonym junge Prehler mit ihren Ängsten und Nöten

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"Natürlich machen die Aussagen sehr betroffen", gestand Nöth, bevor er die Gründe des Unternehmens erläuterte, 420 Stellen in Bad Neustadt abbauen zu wollen. Die Transformation hin zur Elektromobiliät komme nicht in der Geschwindigkeit wie erwartet. Preh kämpfe mit Widrigkeiten wie massiv ansteigenden Personalkosten, Energiekosten und einer zunehmenden Regulierung. "Wir müssen das Unternehmen so aufstellen, dass es in Zukunft wettbewerbsfähig ist." Er habe auch eine Verantwortung für die, die am Ende bei Preh bleiben werden.

Thomas Höhn: "Ist die Welt in der Krise muss die ein oder andere Marge stecken bleiben."

"Sie haben eine Verantwortung für alle, die jetzt bei Preh sind, nicht nur für die, die bleiben", widersprach Preh-Betriebsratsvorsitzender Daniel Rossmann, der vor allem die fehlende Einbindung des Betriebsrats im Vorfeld kritisierte und appellierte, nicht heute die Fachkräfte freizusetzen, die man in zwei Jahren händeringend brauche.

'Kosten sind nicht alles', appellierte Landrat Thomas Habermann (Mitte) Richtung Preh-CFO Guntram Nöth (rechts). Moderiert wurde die Veranstaltung von Redaktionsleiterin Julia Back.
Foto: Silvia Gralla | "Kosten sind nicht alles", appellierte Landrat Thomas Habermann (Mitte) Richtung Preh-CFO Guntram Nöth (rechts). Moderiert wurde die Veranstaltung von Redaktionsleiterin Julia Back.

"Kosten sind nicht alles", verwies Landrat Habermann auf Innovation und Verlässlichkeit als die Stärken der Rhön-Grabfelder. Die Transformation hin zur E-Mobilität sei prinzipiell richtig, erklärte Landtagsabgeordneter Volkmar Halbleib (SPD): "Die Delle muss man halt auch mal aushalten können und überbrücken." Als Impuls des Abends wolle er gesetzt wissen, "dass möglichst viele von den 420 bleiben können". Noch etwas zugespitzter formulierte es Thomas Höhn, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Schweinfurt: "Wenn die Welt in der Krise ist, muss die ein oder andere Marge vielleicht auch mal stecken bleiben."

Warum Brückenlösungen für Preh nur bedingt infrage kommen

Zur Sprache kamen mögliche Brückenlösungen als Alternativen: Höhn warb für Arbeitszeitreduzierungsmodelle, Siemens-Werkleiter Peter Deml beispielsweise berichtete aus seinem Unternehmen von flexiblen Zeitkonten und zusätzlich freien Tagen, die genutzt würden. Rossmann äußerte abschließend die Hoffnung, am Ende "nicht über Köpfe, sondern über Geld" zu reden. Nöths Aussage, Preh stünde nicht vor einem temporären, sondern einem strukturellen Problem mit zu hohen Personalkosten in Bad Neustadt im Vergleich zu anderen Standorten, dämpfte allerdings allzu große Hoffnungen.

Im Laufe des Abends wurde viel, aber nicht ausschließlich über Preh gesprochen. Insbesondere im Hinblick auf Entwicklungspotenziale Rhön-Grabfelds und der Industrie vor Ort klangen diverse Lösungsansätze an. Investitionen in Aus- und Weiterbildung seien das Gebot der Stunde, forderte IHK-Vorsitzende Trips. Landrat Habermann erinnerte an die Siemens-Krise 2010. Damals war ein Technologietransferzentrum als Impulsgeber angesiedelt worden. Analog dazu könnte er sich aktuell eine "Stärkung des Clusters Automotive-Landkreis", zu dem er im weitesten Sinne auch die Region Schweinfurt zählt, vorstellen. 

Was vom Besuch des Wirtschaftsministers Aiwanger zu erwarten ist

Innenstaatssekretär Sandro Kirchner (CSU), einst selbst Preh-ler, verwies auf den Transformationsfonds. Aufgabe der Region sei es nun, helfende Impulse zu identifizieren und entsprechende Unterstützung abzurufen. Klar ist in Kirchners Augen, dass Hilfen am Ende keine singuläre Lösung für ein Unternehmen, sondern ein Gesamtpaket für die Region sein müssten.

Aktuell erarbeite man Ideen, die beim Besuch von Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger am Freitag, 5. Juli, erörtert werden sollen, so Habermann. Bespielt werden sollen dabei laut Habermann auch die Themen Elektrolyse und Grüner Wasserstoff im Zusammenhang mit dem Bürgerwindpark Bildhäuser Forst.

Wie die Situation bei Siemens und Jopp ist

Aiwanger selbst hatte zur Podiumsdiskussion nicht kommen können, aber eine Videobotschaft gesendet, in der er unter anderem das Verbrenner-Aus kritisierte. Seine Botschaft ließ das Publikum in Teilen ratlos zurück: "Wir reden in Bad Neustadt nicht über ein Verbrenner-Problem", brachte es Jopp-Geschäftsführer Martin Büchs auf den Punkt. "Hier werden Jobs in der E-Mobilität abgebaut."

Peter Deml, Werkleiter Siemens Bad Neustadt, (Mitte) im Gespräch mit Main-Post-Redakteur Michael Endres (rechts). Auch Jopp-Geschäftsführer Martin Büchs (links) über die aktuelle Lage in seinem Unternehmen.
Foto: Silvia Gralla | Peter Deml, Werkleiter Siemens Bad Neustadt, (Mitte) im Gespräch mit Main-Post-Redakteur Michael Endres (rechts). Auch Jopp-Geschäftsführer Martin Büchs (links) über die aktuelle Lage in seinem Unternehmen.

Vorsichtig durchatmen ließen die Einblicke von Martin Büchs (Jopp) und Peter Deml (Siemens). Bei beiden Unternehmen ist die Lage zwar angespannt, ein Arbeitsplatzabbau sei aber in naher Zukunft kein Thema. Während Jopp auf Diversifizierung setzt, blickt Siemens interessiert auf das Thema Kreislaufwirtschaft.

Was sich die Industrie Rhön-Grabfeld von der Politik wünscht

Könnten sie Wünsche an die Politik formulieren, wünschte sich Martin Büchs einen annehmbaren Strompreis. Peter Deml hingegen forderte als Vertreter eines Unternehmens, in dem 17 verschiedenen Nationen arbeiten, stabile Verhältnisse in einem Rechtsstaat und  "eine offene Gesellschaft, die Rechtssicherheit bietet".

Rund 130 Interessierte waren am Donnerstagabend in die Bad Neustädter Stadthalle gekommen. 
Foto: Silvia Gralla | Rund 130 Interessierte waren am Donnerstagabend in die Bad Neustädter Stadthalle gekommen. 

"Die Region habe ziemlich viel zu bieten", resümierte Moderatorin Julia Back in ihrem Schlusswort und appellierte an alle Beteiligten, "gemeinsam an einer guten, sicheren Zukunft der Region zu arbeiten".

 
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Kommentare
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  • Stefan Fuchs
    Anbei, wenn ich mir dieses selbstgerechte, unreflektierte Posing der AkteurInnnen anschaue auf dem Foto,
    weiss ich schon wohin das abtrifftet.
    Bad Neustadt schafft sich ab.
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  • Stefan Flessa
    Gehen Sie in die Politik, übernehmen Sie Verantwortung und sorgen Sie dafür, dass sich Bad Neustadt gut für die Zukunft aufstellt.

    Das ist es, was jede Stadt und jedes Land braucht: Leute, die nicht bloß Kritik äußern, sondern bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und zu gestalten, auch wenn die Rahmenbedingungen schlechter werden.
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  • Stefan Fuchs
    Diese Stadt hat abgewirtschaftet.
    "Electro -mobility -City" ,oder wie der Schmarrn heißt ,hat gerade mal einen E- Bus vorzuweisen, und keine Ladestationen am Bahnhof.
    Hauptsache Fördergelder abgegriffen.
    Apropos Bahnhof in Nes, der sieht aus , da will kein Pferd zum Sterben hin.
    Aber Hauptsache bla,bla,bla ,und Kulturhaus.
    Leute ,ihr lebt da in einer ganz komischen Blase
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