Es war ein Kompliment, auf das er wohl gerne verzichtet hätte. Als Ministerpräsident Markus Söder seinen Besuch beim Kissinger Sommer absagen musste, sandte er eine Videobotschaft und hatte ein besonderes Lob für die im Regentenbau anwesenden Kabinettsmitglieder Judith Gerlach und Sandro Kirchner parat: "Ihr zwei seid ein tolles Team, so ein bisschen Marianne und Michael von Unterfranken".
Kirchner schmunzelte es weg. Ob er jetzt mit dem Schlagerstar vergleichbar ist, sei dahingestellt. Sicher ist, dass Kirchner aktuell einen ebenso festen Platz im bayerischen Kabinett hat wie Sänger Michael in der Schlagerwelt. Die politische Karriere des 48-jährigen Premichers nahm in den vergangenen fünf Jahren an Fahrt auf. "Wenn es ums Persönliche geht, war es eine sehr intensive Legislaturperiode", blickt er im Gespräch mit dieser Redaktion in der eher sterilen Atmosphäre des Bad Kissinger Parteibüros bei Schokolade und Mineralwasser auf die Wahlperiode zurück.
Sandro Kirchner folgte auf Gerhard Eck
Seit 2013 sitzt er für den Stimmkreis 603 Bad Kissingen, zu dem auch Teile von Rhön-Grabfeld gehören, im Landtag. Bereits in seiner zweiten Amtsperiode wurde er zum Vorsitzenden des Wirtschaftsausschusses gewählt. "Damit hatte ich eine prominente Aufgabe innerhalb der Fraktion, aber auch des Landtags", sagt er. Im Februar 2022 folgte er auf Gerhard Eck als Staatssekretär im Innenministerium. Die Berufung ins Kabinett – für ihn ein "persönliches Highlight".
Als Kreisrat ist er dennoch weiter nah dran an der Kommunalpolitik. Und: Politik vor Ort sieht Kirchner nicht als Einzelleistung. "Wir haben ein sehr enges Verhältnis mit den Landkreisen, stimmen uns ab und schauen, wo wir als Region einen Stich machen können." Kirchner war früher Libero. Gerne zieht er Vergleiche zum Fußball. "Sich die Bälle zuspielen" – das geht nach Kirchner nicht nur auf dem Platz, sondern zwischen Abgeordneten, Landkreis und Bürgermeistern.
Fragt man ihn nach Projekten im Stimmkreis, könne man "auf einige Erfolge zurückblicken, bei denen es gelungen ist, die Region weiterzuentwickeln", so Kirchner. Als prominentes Beispiel nennt er hierfür das im Rahmen der Behördenverlagerung in Bad Kissingen angesiedelte Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL). "Das sind 100 neue Arbeitsplätze, die in Bad Kissingen entstanden sind, aber auch Investitionen von 50 Millionen." Weitere 100 Stellen sollen durch das LGL-Schulungszentrum entstehen.
Technologietransferzentren in Bad Kissingen und Bad Neustadt
Daneben gebe es in Bad Kissingen große Kompetenz im Bereich der Labortechnologie und nun bald das Technologietransferzentrum (TTZ) für Laboranalytik und Medizintechnik. Für Rhön-Grabfeld verweist er unter anderem auf die Fördersummen für das TTZ für Elektromobilität und die Gründung des Biodiversitätszentrums in Bischofsheim.
Das Biodiversitätszentrum oder das Naturerlebniszentrum am Klaushof sind Themen, für die sich Kirchner schon 2018 öffentlich stark gemacht hat, wo momentan aber wenig vorwärts geht. "Die Standortentscheidung wurde getroffen und das Geld steht zur Verfügung", so Kirchner. "Für die momentanen Fragen sind die Akteure vor Ort gefragt."
Schon beim letzten Wahlkampf waren für Kirchner die Bereiche Daseinsvorsorge und Weiterentwicklung des Wirtschaftsstandorts die wichtigsten Ziele. Hat er sie erreicht? "Das ist kein Prozess, der abgeschlossen ist", sagt er. Bislang seien "Etappenziele" erreicht. Das LGL sei ein "Jackpot", daneben seien 80 Arbeitsplätze durch das Zentrum für Telemedizin entstanden.
Auf die Frage nach einem Thema, das ihm besonders wichtig ist, antwortet Kirchner gewohnt sachlich: "Ich bin Generalist." Seine Aufgaben an einem Projekt festmachen? Das könne er nicht – die Region ist vielfältig, genauso wie die Aufgaben: "Man ist Kümmerer." Eines betont er aber immer wieder: "Ich will den ländlichen Raum stärken!"
Landtagsabgeordneter in Unterfranken, Staatssekretär in München – geht das?
Auf der einen Seite Landtagsabgeordneter für einen Stimmkreis ganz oben in Bayern, auf der anderen Seite Staatssekretär in der Landeshauptstadt im Süden. Kann das gelingen? "Bislang klappt es sehr gut, aber aufgrund der räumlichen Entfernung ist es natürlich schon ein Spagat", sagt er.
Kirchner sieht in seiner Rolle auch einen Vorteil. "Als Mitglied der Staatsregierung habe ich noch einmal einen ganz anderen Hintergrund und auch andere Mechanismen. Insofern sehe ich das als Win-win-Situation."
Seit zehn Jahren sitzt der Premicher im Landtag. Auf seine Favoritenrolle am 8. Oktober angesprochen, bricht der Fußballer wieder hervor. "Das Spiel ist dann vorbei, wenn der Schiedsrichter abpfeift. Und die Wahl ist dann vorbei, wenn am 8. Oktober um 18 Uhr die Wahlurne zu ist."
Kirchner fällt nicht so auf wie seine Parteifreunde aus der Region, Dorothee Bär oder Steffen Vogel. Weder durch tägliche Insta-Storys noch durch schrille Anzüge. Das scheint aber kein Nachteil für ihn zu sein. Er gilt als fleißig und reflektiert. Doch kann es im Politik-Zirkus nicht auch schaden, zu leise zu sein? "Das macht jeder so, wie er will", sagt Kirchner. "Es kommt nicht darauf an, laut zu sein, sondern darauf, gehört zu werden."