
In Main-Spessart lebt es sich gut. Das haben in den vergangenen Jahren mehrere Studien bestätigt. Auch in einer im vergangenen September bei der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung veröffentlichten Studie "Ungleiches Deutschland" schneidet der Landkreis in vielen Bereichen gut ab. Doch mit Blick auf die Zukunft sieht die Studie erhebliche Risiken und Herausforderungen für den Landkreis.
Was die Studie untersucht hat
Die Studie untersucht die Unterschiede zwischen "wirtschaftlich aufstrebenden Gebieten" und "vom Strukturwandel betroffenen Regionen". Relevant sind dabei unter anderem Wohlstand, Bildungschancen und Lebenserwartung, sowie die öffentliche Infrastruktur.
Außerdem spielt die Zukunftsfähigkeit der Landkreise und kreisfreien Städte eine wichtige Rolle. Dafür braucht es eine "vorausschauende Strukturpolitik", so die Studie. Dazu gehört eine breit aufgestellte Wirtschaft, Innovationen und eine zukunftsfähige Infrastruktur.
Warum Main-Spessart als Risikoregion mit strukturellen Herausforderungen gilt
Laut der Studie gibt es nur 20 Landkreise oder Städte, die eine höhere wirtschaftliche Konzentration besitzen als Main-Spessart. "Main-Spessart ist von einzelnen Wirtschaftszweigen abhängig und dadurch anfällig für Schocks", sagt Vera Gohla, eine Mitautorin der Studie.
Da jeweils mehr als zehn Prozent der Beschäftigten im Landkreis laut der Studie in der Automobilwirtschaft und der energieintensiven Industrie arbeiten, gilt der Landkreis als eine "Risikoregion". "Diese Wirtschaftszweige sind besonders von der Umstellung auf klimaneutrales Wirtschaften betroffen und gleichzeitig für den aktuellen Wohlstand der Region verantwortlich", sagt Gohla.
Die Agentur für Arbeit (AfA) in Würzburg sieht in der wirtschaftlichen Konzentration "sowohl Chancen als auch Risiken für die Region". In Main-Spessart dominiert das Verarbeitende Gewerbe, wo es bei einem Konjunkturaufschwung schnell zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten gebe. "In Phasen des konjunkturellen Abschwungs sind Arbeitsplätze dagegen stärker gefährdet als beispielsweise in vielen Dienstleistungsberufen", heißt es von der AfA.
Strukturelle Herausforderungen in Main-Spessart
Gerade Main-Spessart scheint es laut der Studie für die Transformation der Wirtschaft "besondere strukturelle Herausforderungen" zu geben. Die Mitautorin Gohla spricht von einer "rückständigen zukunftsfähigen Infrastruktur" im Landkreis. Konkret sieht Gohla drei Bereiche, in denen Main-Spessart im deutschlandweiten Vergleich besonders schlecht abschneidet: die digitale Infrastruktur, den Ausbau erneuerbarer Energien und die Mobilitätsinfrastruktur.
Herausforderung 1: Digitale Infrastruktur liegt im deutschlandweiten Vergleich am unteren Ende
Für die wirtschaftliche Transformation sei die digitale Infrastruktur von großer Bedeutung, so die Mitautorin der Studie. Doch die sei in Main-Spessart "rückständig". Nur rund 30 Prozent der Haushalte haben Glasfaseranschlüsse mit 1000 Mbit/s in Main-Spessart. Der Mittelwert der Landkreise und kreisfreien Städte liegt bei über 60 Prozent, so die Studie.
Vier Förderverfahren in Karsbach für Glasfaseranschlüsse im ganzen Ort

In vielen Kommunen im Landkreis wird der Glasfaserausbau vorangetrieben, um aufzuholen. Das kann man am Beispiel Karsbach sehen. "In Karsbach gab es bis 2011 Internet nur über eine Kupferleitung", sagt der Bürgermeister Martin Göbel. Teilweise nur 1 Mb/s betrug damals die Geschwindigkeit, erinnert er sich. Deshalb sei man in Karsbach aktiv geworden, das vierte Förderverfahren läuft inzwischen. Bis Ende des Jahres sollen überall im Ort Glasfaseranschlüsse liegen. "Schnelles Internet ist sowohl als Geschäftsgrundlage als auch privat sehr wichtig", betont Göbel. Inzwischen gebe es viele positive Rückmeldungen aus der Bevölkerung, weil jetzt auch Homeoffice möglich sei.
Herausforderung 2: Geringer Ausbau von erneuerbaren Energien im Landkreis
Laut der Studie ist zudem die Erzeugung von erneuerbaren Energien ein wichtiger Faktor für wirtschaftliches Wachstum und lukrative Beschäftigungsmöglichkeiten. Dadurch würden die Regionen von niedrigeren Strompreisen profitieren und an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen. "Doch in Main-Spessart ist der Ausbau erneuerbarer Energien unterdurchschnittlich - obwohl es für die energieintensive Industrie besonders wichtig wäre", sagt Gohla.
Gießerei in Lohr wird zu 97 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben

Zur energieintensiven Industrie im Landkreis gehört die Gießerei bei Bosch Rexroth in Lohr. Das Unternehmen investiert aktuell in mehrere energieeffiziente Projekte. So spart ein neuer Ofen 2,9 Gigawattstunden Strom pro Jahr, so viel wie 700 Vierpersonenhaushalte. Betrieben wird die Gießerei, wie auch 97 Prozent des gesamten Unternehmens, bereits mit grünem Strom, schreibt der Pressesprecher von Bosch Rexroth.
Herausforderung 3: Unterdurchschnittliche Mobilitätsinfrastruktur in Main-Spessart
"Für die Mobilitätswende kommt dem Schienenverkehr eine besondere Bedeutung zu", heißt es in der Studie. Die Klimaziele könnten nur durch die Verlagerung des Individualverkehrs von der Straße auf die Schiene erreicht werden. Weil in Main-Spessart sowohl die Distanz zum nächsten Bahnhof als auch die Taktung rückständig sind, sei auch dies eine besondere Herausforderung im Landkreis, so Gohla.
Reaktivierung der Werntalbahn wäre ein "Riesengewinn"

Diese Herausforderungen kennt Thüngens Bürgermeister Lorenz Strifsky nur zu gut. Eine Reaktivierung des 1976 stillgelegten Personennahverkehrs entlang der Werntalbahn wäre für ihn ein "Riesengewinn". Thüngen liegt direkt an der Werntalbahn: "Die Schienen sind da, Züge fahren, es hält nur keiner", sagt Strifsky. Besonders für Jugendliche und Senioren sei die Bahn attraktiv, aber eine günstige Zuganbindung sei auch ein Arbeitsplatzfaktor. "Der ländliche Raum sollte nicht abgehängt werden, daher darf man nicht nur den finanziellen Aspekt betrachten", sagt Thüngens Bürgermeister mit Blick auf die Reaktivierung.
Auch im Landratsamt Main-Spessart ist man sich den Herausforderungen des Landkreises bewusst, schreibt der Pressesprecher Markus Rill. Das Leitbild, das der Kreistag verabschiedet hat, "bietet Ansätze und Leitplanken, um diesen Herausforderungen umfassend zu begegnen", so Rill. Konkrete Ziele sind im Leitbild allerdings nicht formuliert.
Wo Main-Spessart besonders gut abschneidet
Richtet man den Blick nicht auf die anstehenden Herausforderungen, sondern auf den aktuellen Status, gehört Main-Spessart zu "Deutschlands solider Mitte", so die Studie. Kinder- und Altersarmut sind jeweils nur halb so hoch wie im deutschlandweiten Durchschnitt. Die kommunalen Schulden pro Kopf liegen mit 934 Euro im Kreis Main-Spessart rund 600 Euro unter dem Mittelwert der Landkreise (1527 Euro). Gleichzeitig liegen die kommunalen Sachinvestitionen pro Person über dem Durchschnitt (667 Euro in MSP zu 467 Euro).

Auch das Bruttogehalt liegt in Main-Spessart (3679 Euro brutto) über dem Mittelwert in Deutschland (3449 Euro brutto). Das Institut der Deutschen Wirtschaft hat kürzlich den Kaufkraftindex veröffentlicht. Dieser sagt aus, wie viel sich die Menschen in der Region leisten können. Hier kommt der Kreis Main-Spessart auf den 57. Platz von deutschlandweit 401 Landkreisen und kreisfreien Städten. Damit das so bleibt, müssten die Kommunen ihre hohen Investitionen nutzen, um die Herausforderungen anzugehen, sagt Gohla und ergänzt: "Für den Landkreis ist es noch nicht zu spät, sich für die Zukunft zu rüsten."
Nichts anderes hab ich von unserer hochgeschätzten Landrätin erwartet. Hauptsache Monat für Monat klinkelt Ihr Portemonnaie.