Der Krieg in der Ukraine tobt weiter. Es ist deshalb durchaus denkbar, dass Deutschland als Sanktion gegen Russland einen Importstopp von russischem Gas verhängt. Gleichermaßen besteht die Gefahr, dass Russland kein Gas mehr nach Deutschland exportiert. Sollte es dazu kommen, könnte dies die deutsche Wirtschaft beeinträchtigen. Wie würde sich der Extremfall auf energieintensive Unternehmen aus Main-Spessart auswirken?
Warema Marktheidenfeld: "Gasembargo könnte zu einem Produktionsstopp führen"
Der Sonnenschutzhersteller Warema mit Sitz in Marktheidenfeld prüft "sämtliche Möglichkeiten, um beispielsweise bei der Energie auf Alternativen umzusteigen oder den Verbrauch von Gas einzuschränken". Dabei könne das Unternehmen bereits auf Photovoltaikanlagen und eine Hackschnitzelheizung zurückgreifen, teilt die Unternehmenssprecherin Lilli Heyer mit.
Das Gas benötigt Warema nicht nur zum Heizen, sondern auch als Prozesswärme in der Produktion. "Vor allem für unsere Pulverbeschichtungsanlagen ist Gas derzeit zwingend erforderlich", sagt Heyer. Da nicht in allen Bereichen auf Alternativen umgestellt werden könne, ist das Unternehmen teilweise auf Gaslieferungen angewiesen. "Bei einem Gasembargo käme es sehr schnell zu massiven Einschränkungen in der Produktion", so Heyer. Das könne "bis zu einem Produktionsstopp führen".
Ein Gasembargo ist für Warema "durchaus realistisch"
"Die Wahrscheinlichkeit eines Gasembargos, egal von welcher Seite", schätzt Warema durchaus realistisch ein. Das Unternehmen beobachte deshalb sorgfältig die aktuelle Situation, eine genaue Prognose sei aber "angesichts der aktuell äußerst volatilen Rahmenbedingungen nicht möglich".
Neben den hohen Energiekosten wirken sich bei Warema auch die steigenden Rohstoffpreise massiv auf die Märkte aus. Das führe "zu einer angespannten Liefersituation und hohen Preissteigerungen bei zahlreichen Warengruppen", so Heyer. Davon seien insbesondere Elektronikbauteile, Kunststoffe, Aluminium und Stahl betroffen. Die zusätzlichen Kosten müsse das Unternehmen, "soweit überhaupt möglich", an die Kundinnen und Kunden weitergeben.
Gerresheimer Lohr: "Teil der systemkritischen Infrastruktur"
Gerresheimer steht "in engem Kontakt mit den Behörden und der Bundesnetzagentur, um uns auf alle Eventualitäten bestens vorzubereiten", teilt Ueli Utzinger mit, der für das Marketing zuständig ist. Das Unternehmen mit einem Standort in Lohr stellt Arzneimittel- und Kosmetikverpackungen aus Spezialglas und Kunststoff her. Insgesamt sei der direkte Einfluss des Krieges in der Ukraine auf das Unternehmen minimal, da Gerresheimer "keine Werke oder direkte Kundenbeziehungen in der Ukraine, Belarus oder Russland" hat. Die Gasversorgung habe Gerresheimer durch langfristige Verträge sichergestellt. "Wir gehen zurzeit davon aus, dass es nicht zu einer Lieferunterbrechung für Gas kommt", so Utzinger.
In der Corona-Pandemie wurde das Unternehmen von den Behörden als Teil der systemkritischen Infrastruktur eingestuft und konnte somit weiterproduzieren. "Wir rechnen damit, dass wir bei einer allfälligen Einschränkung der Gaslieferungen an die deutsche Industrie weiterhin als systemkritisch eingestuft werden", sagt Utzinger. Denn die Produkte von Gerresheimer "stehen für die Versorgungssicherheit in Kliniken, Arztpraxen und Impfzentren. Nur durch unsere Insulin-Pens, Inhalatoren, Mikropumpen, vorfüllbaren Spritzen, Injektionsfläschchen, Ampullen, Flaschen und Behältnisse ist die Verfügbarkeit wichtiger Impfstoffe und Medikamente sichergestellt", schreibt das Unternehmen.
HeidelbergCement Lengfurt-Triefenstein: "Einmalige Kostenexplosion" durch den Ukraine-Krieg
Die Deckung des Energiebedarfs sei für das energieintensive Zement-Unternehmen HeidelbergCement entscheidend, sagt Michael Becker, der das Werk in Lengfurt leitet. Gas als direkten Energieträger verwende das Unternehmen nur in niedrigen Prozentzahlen. In Lengfurt komme Flüssigerdgas (LNG) zum Einsatz, das häufig aus anderen Teilen der Welt kommt. Dennoch könnte sich ein Ende der Erdgaslieferungen aus Russland "auch stark auf Produktion und Verfügbarkeit von Strom auswirken", was "erhebliche Folgen für die Zementproduktion" hätte.
Seit Sommer 2021 seien die Energiepreise deutlich angestiegen, durch den Krieg in der Ukraine habe sich die Situation "nochmals drastisch verschärft", so Becker. "Eine derartige Kostenexplosion ist einmalig." HeidelbergCement sei daher bereits dazu gezwungen, die Preise signifikant anzuheben. "Bei einer weiteren Zuspitzung der Situation werden wir weitere Maßnahmen treffen müssen", teilt der Werksleiter mit.