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Main-Spessart
Naturpark, Nationalpark, Biosphäre? Warum der Politiker und Forstler Eberhard Sinner stattdessen einen Spessart-Kongress fordert
Sinner (CSU) war als Abgeordneter und Staatsminister strikt gegen einen Nationalpark und hat darüber sogar öffentlich mit seinem Bruder debattiert. Für ein Biosphärenreservat ist er aber offen.
Eberhard Sinner (CSU) war als Abgeordneter und Staatsminister strikt gegen einen Nationalpark Spessart
Foto: Thomas Obermeier | Eberhard Sinner (CSU) war als Abgeordneter und Staatsminister strikt gegen einen Nationalpark Spessart
Carolin Schulte
 |  aktualisiert: 04.07.2024 02:46 Uhr

Was bringt ein Biosphärenreservat dem Spessart? Darüber wird in den Stadt- und Gemeinderäten aktuell eifrig diskutiert. Dabei merkt man, dass die schwierige Nationalpark-Debatte, die in der Region 2017 geführt wurde, noch nicht überwunden ist. Bei öffentlichen Veranstaltungen kann man den Eindruck gewinnen, dass die früheren Nationalpark-Gegner heute aus Prinzip gegen ein Biosphärenreservat sind. Nicht so Eberhard Sinner: Der frühere Staatsminister und studierte Forstwissenschaftler war Kämpfer gegen den Nationalpark, steht einem Biosphärenreservat jedoch offen gegenüber. Warum?

Herr Sinner, Sie waren 2017 ein lauter Gegner eines Nationalparks im Spessart. Warum?

Eberhard Sinner: Ich hatte mit dem Thema Nationalpark schon sehr lange zu tun. Nicht ohne Grund ist der Bayerische Wald der erste Nationalpark in Deutschland gewesen. Wenn man dort die Natur Natur sein lässt, dann entwickelt sich automatisch eine höhere Biodiversität. Aber wenn ich das im Spessart machen würde, wäre das nicht der Fall. Dann hätte ich einen Nationalpark, dessen Markenzeichen die Eiche sein soll, in dem aber keine Eiche mehr vorkäme. 

Weil dort ohne Eingriffe des Menschen mittelfristig die Buche die Eiche verdrängen würden, weil sie den jungen Eichen das Licht wegnimmt. Ob das wirklich passieren würde, darüber gingen die Expertenmeinungen auseinander.

Sinner: Das kann jeder selbst beobachten, der mal in einen Eichen-Buchen-Mischwald geht und sieht, wie die Buche den Eichen in die Krone wächst. Wenn eine Eichel in einen Bereich mit vielen jungen Buchen fällt, hat sie keine Chance, es ist viel zu schattig. Ich bin im Spessart aufgewachsen und habe im Spessart gearbeitet, da nehme ich es mit jedem auf, der etwas anderes behauptet. Wenn man den Spessart weiterdenken möchte, dann wäre ein Biosphärenreservat wesentlich sinnvoller als ein von oben übergestülpter Nationalpark.

Wie kann man ein Biosphärenreservat schaffen, ohne es von "oben" vorzuschlagen und voranzutreiben?

Sinner: Jetzt haben die Landräte und Kreistage angefangen, das ist nicht von oben aus München.

Viele Menschen scheinen das trotzdem so zu empfinden.

Sinner: Beim Nationalpark Bayerischer Wald oder dem Biosphärenreservat in der Rhön war das auch ein Prozess und nicht nur "easy going". 

Ist das Projekt Biosphärenreservat zu schwer zu vermitteln? 

Sinner: Bei dem Stichwort gibt es einen Erwartungshorizont und einen Befürchtungshorizont – und die klaffen weit auseinander. Das sieht man an den Beschlüssen der Gemeinden. Ein Bürgermeister hat zu mir gesagt: Wie soll ich denn meinem Vater erklären, was ein Biosphärenreservat bringt?

In der BR-Diskussionsrunde "jetzt red i" haben Sie Hubert Aiwanger statt eines Biosphärenreservats ein "Eichenprogramm" vorgeschlagen. Was meinen Sie damit?

Sinner: Man muss einfach konkret fragen, was können wir für die Zukunft des Spessarts machen, wenn wir die Eiche als Alleinstellungsmerkmal erhalten wollen? Wenn ich alte Eichen haben will, dann muss ich auch Flächen mit jungen Eichen schaffen. Das passiert im Moment viel zu wenig. Das heißt, dass ich Saatgut und Jungpflanzen brauche. Das ist ein Kraftakt, das weiß ich aus meiner Zeit als Forstamtsleiter in Gemünden. Aber wenn ich das nicht mache, ist das aus meiner Sicht ein grober Verstoß gegen die Nachhaltigkeit. 

Ihr Wunsch wäre also, man klammert den Begriff Biosphärenreservat aus und kümmert sich im ersten Schritt intensiv um die Eiche?

Sinner: Warum macht man nicht 2025 einen Spessart-Kongress, zu dem man auch die Hessen einlädt. Dann kann man eine Identität und Zielsetzung für den gesamten Spessart zu erarbeiten. Am Ende hätte man vielleicht zehn Ziele und könnte die Frage stellen: Bringt mir das Biosphärenreservat in diesen Bereichen deutliche Fortschritte oder könnte ich das auch alles mit einem Naturpark machen?

Welche Projekte könnten neben der Eichenverjüngung auf dieser Liste stehen?

Sinner: Die Geschichte der Eiche ist noch nicht geschrieben. Sie entnimmt CO₂ aus der Luft und speichert es im Holz, das dann für Jahrhunderte zum Beispiel im Aschaffenburger Schloss eingeschlossen ist. Daran könnte man anknüpfen und den Spessart als "Carbon Capture and Utilization Region" entwickeln. Das Jagdschloss Luitpoldhöhe liegt an der meistbefahrenen Autobahn Deutschlands, es steht zum Verkauf und könnte das Eingangstor zum Spessart und zu den Märchenschlössern Ludwigs II. werden. Im Hafenlohrtal haben wir das Hofgut Erlenfurt, das sich im Besitz des Freistaats befindet – ein guter Ort für ein Naturerlebniszentrum. Am Bischborner Hof gab es früher ein überregional bekanntes Restaurant. Hier könnte man an das "Wirtshaus im Spessart" anknüpfen und ein Modell für die Wirtshauskultur des 21. Jahrhunderts schaffen. 

Ein Grund, warum das Projekt von vielen abgelehnt wird, sind die Holzrechte, die auch in der Nationalparkdebatte schon eine große Rolle gespielt haben. 

Sinner: Das Thema halte ich für absolut lösbar, weil es gar nicht die Mengendimension hat. 

Wie viel Holz von wie vielen Menschen entnommen wird, ist aber ja gar nicht bekannt. Man weiß nur, wie viele Menschen theoretisch das Recht haben. 

Sinner: Die Spessarter haben Frondienste leisten und die Eichen pflegen müssen. Dafür haben sie nur einen Laib Brot oder noch weniger bekommen und als Gegenleistung, damit sie überleben konnten, die mageren Spessartforstrechte.

Ist so eine Entschädigung denn nicht Generationen später einmal abgegolten? 

Sinner: Nein, das ist ein Recht und das ist nicht einfach abgegolten. Mittlerweile hat man das Recht auch schon modifiziert. Die Lösung kann sein, dass man die drei Prozent geschützte Kernzone eines Biosphärenreservats auch mal außerhalb des Waldes legt. Warum kann ich nicht auch ein Tal stilllegen?

Beide sind vom Fach und hatten doch unterschiedliche Ansichten zum Nationalpark: Im Januar 2017 kamen die Brüder Karl-Friedrich (links) und Eberhard Sinner für eine Podiumsdiskussion zusammen.  400 verfolgten das Streitgespräch in der alten Turnhalle in Lohr.
Foto: Johannes Ungemach (Archivbild) | Beide sind vom Fach und hatten doch unterschiedliche Ansichten zum Nationalpark: Im Januar 2017 kamen die Brüder Karl-Friedrich (links) und Eberhard Sinner für eine Podiumsdiskussion zusammen.  400 verfolgten ...
Die Nationalpark-Frage war auch Streitthema innerhalb Ihrer Familie: Ihr Bruder Karl-Friedrich war Leiter des Nationalparks Bayerischer Wald und für einen dritten Nationalpark im Spessart. Inzwischen ist er verstorben. In Lohr haben Sie beide damals sogar eine Podiumsdiskussion bestritten. Hätte ein Biosphärenreservat Sie in dieser Sache versöhnen können?

Sinner: Mit ihm hätte ich noch viele Gespräche führen wollen. "Versöhnung" haben wir nicht gebraucht. Bei allen Veranstaltungen in der Region zum Nationalpark hat er zum Beispiel bei mir übernachtet. Als Leiter eines Nationalparks hat er aber natürlich gesagt, wenn Seehofer einen dritten Nationalpark anbietet, dann sage ich nicht 'Nein'. 

Bis heute gibt es diesen dritten Nationalpark nicht. 

Sinner: Das Thema ist aus meiner Sicht kommunikativ und inhaltlich völlig falsch angepackt worden. Und das macht jetzt auch die ganze weitere Diskussion schwierig.

 
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