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MAIN-SPESSART
Gastbeitrag: Sinner gegen Nationalpark Spessart
Von unserem Gastautor Eberhard Sinner
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:13 Uhr

Es zeichnet den Spessart aus, wenn er als gut geeignet für einen Nationalpark bezeichnet wird: Das ist ein Kompliment an alle, die Verantwortung für den Spessart tragen, heute und in der Vergangenheit. Der Spessart ist alles andere als ein Urwald. Die Wälder im Spessart sind seit Jahrhunderten von Menschen geprägt, von Menschen gepflegt und von Menschen in vielfältiger Weise genutzt. Offensichtlich ist dabei ein Zustand entstanden, der höchste ökologische Qualität repräsentiert. Dies alles, ohne dass es dazu eines Zwangs von oben oder besonderer Reglementierungen bedurft hätte. Die Nachhaltigkeit der Waldbehandlung und die Liebe zur Heimat sind die zwei wichtigsten Faktoren, die dem Spessart unter den Wäldern der Welt einen herausragenden Platz sichern.

Prägend für den Spessart ist neben der Buche die Eiche oder genauer gesagt die Traubeneiche. Von Natur aus hat die Rotbuche im Spessart optimale Wuchsbedingungen. Die Buche ist in allen Lebensphasen der Eiche an Wuchskraft überlegen. Initialzündung für die alten Eichenbestände im Spessart war die Not des Dreißigjährigen Krieges mit der Entstehung des Heisterblocks auf durch Waldweide und Brennholznutzung gelichteten Flächen im Hochspessart.

In späteren Jahrhunderten wurde die Eiche im Spessart gesät und in der Bestandspflege systematisch gegenüber der Buche begünstigt. Verwendet wurde und wird ausschließlich einheimisches Saatgut, das in Eichenmastjahren von der Bevölkerung im Spessart gesammelt wird. Ohne gezieltes menschliches Einwirken gäbe es weder den Umfang, das Alter, noch die Qualität der Eichenwälder im Spessart.

Ein Nationalpark schließt menschliche Einwirkung aus. Deshalb wird die Buche die Eiche überwachsen und sehr stark reduzieren. Da die Eiche im Spessart immer mit der Buche gemischt aufwächst, wird das relativ schnell geschehen. An und mit der Eiche leben besonders viele Pflanzen- und Tierarten. Dieser besondere Artenreichtum an den Eichen hängt damit zusammen, dass die Eiche entwicklungsgeschichtlich einen Zeitvorsprung von etwa 30 Millionen Jahren vor der Buche hat. Daher konnten Tiere und Pflanzen viel länger den Lebensraum der Eichen besiedeln. Auch in der Nacheiszeit ist die Eiche deutlich länger präsent. Ein Nationalpark Spessart, in dem die Eiche weniger und die Buche mehr wird, ist deutlich artenärmer als heute.

In allen Naturschutzgebieten in Unterfranken außerhalb des Waldes wird mit Managementplänen, das sind häufig Kahlschläge, massiv eingegriffen, um die Artenvielfalt zu erhalten. Das markanteste Beispiel in den letzten Jahren ist der große Kahlschlag im Naturschutzgebiet Romberg bei Lohr. Von „Natur Natur sein lassen“ kann in den Naturschutzgebieten Unterfrankens außerhalb des Waldes keine Rede sein. Die Artenvielfalt wäre sehr schnell ein Opfer der natürlichen Entwicklung.

Wir suchen weltweit nach Modellen für umweltverträgliches Wachstum und umweltverträgliches Wirtschaften. Der Spessart ist ein exzellentes Beispiel für höchsten ökonomischen Ertrag und höchsten ökologischen Wert. Sonst käme wohl niemand auf die Idee, den Spessart als Nationalpark auszuweisen. Nachhaltige Forstwirtschaft wurde vor über 300 Jahren theoretisch entwickelt. Im Spessart wurde diese Idee konsequent durch Jahrhunderte umgesetzt. Selbst Kriege und Kriegsfolgen, Wirtschaftskrisen und Währungskrisen konnten den Erfolg nachhaltiger Forstwirtschaft nicht ruinieren.

Das konkrete Beispiel: der 67 Hektar große Eichhall im Landkreis Aschaffenburg wurde 2003 als Naturwaldreservat ausgewiesen. Über drei Jahrhunderte wurde dort Holz genutzt, Brennholz, Bauholz, Furnierholz. Der letzte Hieb wurde 2001/2002 geführt. Entnommen wurden zehn Prozent der Eichen. Für 788 Festmeter wurden dabei netto 445 000 Euro erlöst. Eine ökologische Bestandsaufnahme ergab, dass der Eichhall hinsichtlich der Artenvielfalt die Zahlen der seit 75 Jahren ausgewiesenen Totalreservate Rohrberg und Metzger erreicht.

Diese Kombination aus ökonomischem Erfolg und ökologischer Qualität ist weltweit einmalig. Genau diese Kombination ist notwendig, um ressourcenschonend zu wachsen und zu wirtschaften. Deshalb ist diese Einmaligkeit unserer Heimat Spessart erhaltenswert und im Rang höherwertiger als ein Totalreservat durch einen Nationalpark. Der Spessart ist das Flaggschiff der nachhaltigen Forstwirtschaft weltweit. Er ist aber auch Modell für alle anderen Branchen. Nur qualitatives Wachstum auf der Basis der Nachhaltigkeit unter Verzicht auf Zerstörung der Umwelt hat Zukunft. Dieses Alleinstellungsmerkmal zeichnet den Spessart aus.

Nationalparke gibt es weltweit im Dutzend. Was im Spessart seit über dreihundert Jahren entstanden ist, ist weltweit einmalig, unverwechselbar und damit im besten Sinn Heimat.

Daneben gibt es eine ganze Reihe weiterer Argumente, die abzuwägen sind – die Spessartforstrechte, das Management der Wildtierpopulation, speziell der Wildschweine, die Konfliktpotenziale bei Schädlingsbefall in einem dicht besiedelten Gebiet. Im Nationalpark Bayerischer Wald gab es wegen des Borkenkäfers erhebliche Diskussionen. In Unterfranken sind die vom Schwammspinner befallenen Eichen mit der Betroffenheit angrenzender Siedlungsgebiete in Erinnerung. Der Spessart selbst war in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts mitten im Sommer vom Buchenrotschwanz schon einmal völlig kahl gefressen.

Eine dicht besiedelte Region wie der Spessart hat ein anderes Konfliktpotenzial als dünn besiedelte Regionen, in denen die bisherigen Nationalparke bestehen. Im Übrigen gilt für den Spessart im Grunde die gleiche Argumentation wie für den Steigerwald: Was dem Steigerwald recht ist, ist dem Spessart billig.

Eberhard Sinner

Der 71-Jährige, der aus einer Forstfamilie im Spessart stammt, ist Diplom-Forstwirt. Unter anderem leitete er acht Jahre das Forstamt Gemünden (Lkr. Main-Spessart). Eberhard Sinner saß von 1986 bis 2013 für die CSU im Bayerischen Landtag. Von 2001 bis 2008 war er bayerischer Staatsminister für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz, für Europa und als Leiter der Staatskanzlei in München. Heute tritt Sinner, der mit seiner Frau in Lohr lebt, im Internet als „Bavarian Rebel“ an die Öffentlichkeit. mar/FOTO: Roland Pleier
 
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