
Wie stehen die Chancen, dass der Spessart von der Unesco als Biosphärenregion ausgezeichnet werden könnte? Dieser Frage sind die Autoren einer Machbarkeitsstudie über rund eineinhalb Jahre nachgegangen und zu einer positiven Bewertung gekommen. Die Details wurden am Donnerstagabend in der Lohrer Stadthalle vor rund 250 Interessierten vorgestellt, circa 120 Menschen waren per Livestream zugeschaltet.
Der Moderator des Abends und Pressesprecher des Landratsamts Main-Spessart, Markus Rill, machte zu Beginn deutlich, was das Ziel der Studie war: "Wir werden hier heute nicht mit einem Ja oder Nein für eine Biosphärenregion nach Hause gehen oder einen Vorschlag für eine Kernzone bekommen." Es gehe allein darum, ob der bayerische Spessart die formalen Anforderungen erfüllen könnte.
Und das sei durchaus möglich, erklärten Hanns Kirchmeir und Raphael Süßenbacher vom E.C.O. Institut für Ökologie sowie Florian Lintzmeyer vom Büro ifuplan. 37 von 40 erforderlichen Kriterien seien bereits erfüllt oder leicht zu erfüllen. Klärungsbedarf sehen die Autoren der Studie vor allen bei den Punkten Alleinstellungsmerkmale, Kernzone und den Holzrechten.
Alleinstellungsmerkmale des Spessarts müssen geschärft werden
Für eine erfolgreiche Bewerbung sei es wichtig, das Alleinstellungsmerkmal der Region zu konkretisieren, so Süßenbacher. Potenzial sehen die Gutachter in der Kulturlandschaft des Spessarts mit seinen Eichen, Streuobstwiesen und der Verbindung zum Main. Weitere Aspekte könnten die Burgenlandschaft sowie die Förderung regionaler Rohstoffe sein. Gerade die Mischung aus dem Hochspessart und dem urbanen Raum mit größeren Städten wie Aschaffenburg sei aus Sicht der Unesco interessant.

Die Kernzone ist wohl das Thema, das die Menschen am meisten bewegt, auch wenn sie nur drei Prozent der Gesamtfläche ausmacht. In ihr soll der Wald sich selbst überlassen werden. Auf den rund 170.000 Hektar Untersuchungsfläche haben die Gutachter 9500 Hektar identifiziert, die sich für eine Kernzone aus Naturschutz-Sicht eignen würden. Knapp zwei Drittel davon sind Staatswald. Nur rund 5500 Hektar würden benötigt, um die drei Prozent zu erfüllen. Es gebe also grundsätzlich ausreichend geeignete Flächen. "Ein Flickenteppich sollte jedoch vermieden werden", so Süßenbacher.
Bereits jetzt sind 2167 Hektar Naturwaldflächen und damit aus der Bewirtschaftung herausgenommen. Für eine Kernzone kommt davon jedoch nur rund die Hälfte in Frage, da die Flächen mindestens 50 Hektar am Stück betragen müssen. Die Bayerischen Staatsforsten würden rund 2000 Hektar in die Kernzone einbringen. Die restlichen Flächen können von den Kommunen kommen, so hat zum Beispiel Lohr bereits 200 Hektar seines Stadtwalds zugesagt. Auch Privatwald-Besitzer können Flächen einbringen.
Viel Klärungsbedarf bei den Holzrechten
Beim Thema Holzrechte sehen die Gutachter ebenfalls Klärungsbedarf. Hier sei wichtig festzulegen, welche Entschädigungen es für Kommunen und Privatleute gebe, wenn sie Flächen für die Kernzonen zur Verfügung stellen. Die Gutachter betonten aber auch: Lediglich die drei Prozent der Kernzone seien aus der Bewirtschaftung genommen, auf den restlichen 97 Prozent sei Forstwirtschaft weiter möglich. Niemand wolle ertragsreiche Flächen aus der Bewirtschaftung herausnehmen.

Die Machbarkeitsstudie hat auch die Akzeptanz in der Bevölkerung untersucht. Dazu gab es mehrere Bürgerforen und eine nicht-repräsentative Online-Befragung (3180 Teilnehmer). Letztere habe eine positive Grundstimmung ergeben, bei den Bürgerforen gab es aber auch viel Kritik, insbesondere institutionelle Vertreter hätten oft gefestigte Meinungen. Die Gemeinden halten sich laut den Gutachtern mit einer Positionierung noch zurück.
Keine klare Aussage zu Einbindung des hessischen Spessarts
Sie empfehlen deshalb für das weitere Vorgehen eine repräsentative Bürgerbefragung. Die Forderung danach kam auch aus dem Publikum. Ob es die geben wird, entscheiden laut der Main-Spessarter Landrätin Sabine Sitter der Kreistag und Kommunalgremien.
Zu einer möglichen Einbindung des hessischen Spessart-Teils sagten die Gutachter, dass es dadurch zwar Vorteile wie eine bessere Vernetzung gäbe. Die Organisation könne durch die Arbeit über Ländergrenzen aber erschwert werden. Auch die Kernzone müsse dann flächenmäßig größer sein. Aschaffenburgs Landrat Alexander Legler sagte, man wolle die Machbarkeit zunächst nur für den bayerischen Teil untersuchen, eine Zusammenarbeit sei aber möglich.
Rhöner Landrat berichtete von Erfahrungen
Zu Gast in Lohr war auch Thomas Habermann, Landrat von Rhön-Grabfeld, der gleichzeitig Mitglied des Deutschen Biosphären-Nationalkomitees ist. In der Rhön gibt es bereits seit über 30 Jahren eine Biosphärenregion. Er versuchte, die Angst vor dem Begriff zu nehmen und betonte die Idee dahinter: "Wie entwickeln wir unsere Region weiter, ohne unseren Planeten zu schädigen? Wie übergeben wir sie in einem besseren Zustand an die kommenden Generationen?"
Er sagte auch, dass der Mensch in der Biosphäre im Mittelpunkt stehe – im Gegensatz zu einem Nationalpark, wo der Mensch ausgeschlossen sei. Die stillgelegte Kernzone diene dazu, die Entwicklung mit bewirtschafteten Fläche vergleichen zu können. Er habe Verständnis dafür, dass die Diskussion emotional sei, das sei auch in der Rhön so gewesen. Er rief aber dazu auf, sich auch auf sachlicher Ebene eine Meinung zu bilden.
In der Fragerunde gab es zahlreiche Wortmeldungen, darunter viel Kritik an dem Vorhaben. Mehrfach kam die Frage nach den konkreten Vorteilen. Hanns Kirchmeir vom E.C.O. Institut für Ökologie machte klar: Allein durch das Label werde sich nichts verändern. Die bessere finanzielle und personelle Ausstattung biete aber ganz andere Möglichkeiten, als sie der jetzige Naturpark habe. Hier schloss sich Sabine Sitter an: "Wir sind bereits sehr gut aufgestellt, wie die Studie zeigt. Warum sollen wir uns nicht noch das Label abholen und für uns nutzen?"
Freistaat plant keine weitere Stilllegung von Flächen
Von der früheren Lohrer Stadträtin Bärbel Imhof kam der Einwurf, dass der Freistaat Bayern weitere Staatswaldflächen für eine Kernzone zur Verfügung stellen müsse, sonst sei das Projekt zum Scheitern verurteilt. Landtagsabgeordneter Thorsten Schwab erwiderte, dass keine weitere Stilllegung von Flächen geplant sei. Er regte an, eine insgesamt kleinere Fläche als Biosphärenregion auszuweisen.
Bei zahlreichen Wortmeldungen klang an, dass viele Forstleute in der Biosphären-Idee eine Kritik an ihrer bisherigen Arbeit sehen. Das sei nicht so, machten die Gutachter klar. Niemand wolle die Landnutzung verbieten, vielmehr gehe es darum, durch die Zusammenarbeit noch mehr aus der Region herauszuholen. Auch für die Landwirtschaft werde es keine Einschränkungen oder zusätzliche Bürokratie geben.
Wie geht es nun weiter? Die Machbarkeitsstudie ist erst der Anfang eines langen Prozess, an dessen Ende auch immer noch ein "Nein" zur Biosphärenregion stehen kann. Die drei Landkreise werden die Idee weiter in ihre Kreistagsgremien und Kommunen tragen, das grundsätzliche Interesse der Kommunen an einer Beteiligung soll abgefragt werden. "Und wir müssen die Bürgerschaft weiter ins Boot holen", sagte Landrätin Sitter.