Maximilian Zang läuft zwischen seinen jüngsten Reben auf und ab. Immer nur ein paar Meter, sein Blick nach unten auf die Gräser gerichtet. "Der Boden muss federn wie ein Mini-Trampolin", sagt Zang. Der Boden federt, der Winzer ist zufrieden.
Hier auf dem höchsten Punkt des Nordheimer Kreuzbergs im Landkreis Kitzingen hat Zang 2019 seine Jungreben angepflanzt. Und bei Reben ist es wie mit Kindern: die Jüngsten machen am meisten Arbeit. Drei Jahre lang hat der Öko-Winzer die Rebstöcke in den trockensten Wochen des Jahres mit Wasser aus dem Hausbrunnen und dem Main bewässert. In diesem Sommer, hofft der 28-Jährige, schaffen sie es zum ersten Mal, ohne seine Bewässerung auszukommen. Dann kann er alle seine Flächen ohne Zusatzberegnung bewirtschaften.
Guter Wein auch ohne künstliche Bewässerung: Kann das klappen?
Das Nordheimer Weingut Zang hat zehn Hektar Weinfläche – und ein Ziel: pralle Trauben ernten, auch ohne künstliche Bewässerung. An den Weinhängen der Nachbarn sind Wasserschläuche in die Stöcke eingeflochten, die im Sommer das Wasser tröpfchenweise zur Rebe bringen. "Wer darf wann wie viel Wasser entnehmen – das wird in den nächsten zehn bis 20 Jahren das bestimmende Thema sein", sagt Zang. Er formuliert es mit Bedacht – Wasser ist ein emotionales Thema.
Und ein Allgemeingut, das durch die zunehmende Trockenheit immer gefragter und zugleich knapper wird. Viele Winzer um Zang herum schließen sich dem Wasser- und Bodenverband Nordheim zusammen um ihre Flächen künftig gemeinsam zu bewässern. Beim Landratsamt Kitzingen laufen die Planungen zusammen. Von 333 potenziellen Verbandsmitgliedern, davon die meisten Winzer, haben 78 Winzer zurückgemeldet, sich dem Verband nicht anschließen zu wollen, darunter auch Zang.
Wer den Weinbau in Franken auf die Menschen reduziert, die Jahr für Jahr etwa 50 Millionen Liter vergorenen Traubensaft in Flaschen abfüllen, verkennt die Dimension dieses Wirtschaftszweigs: Der Tourismus rund um die Rebe in Franken macht einen Umsatz von jährlich etwa 3,2 Milliarden Euro - das ist mehr als zehn Mal so viel wie die Winzer erwirtschaften. Die Steillagen am Main sind die Visitenkarte der Region, ein Postkartenmotiv, für das sich Marketing-Experten genau so einsetzen wie Hoteliers und Bürgermeister. 200 Winzerdörfer und rund 60.000 Arbeitsplätze hängen von der Branche ab. Vertrocknete und erodierte Weinhänge sind nicht nur ein Problem für die Weinerzeuger, sondern ein Imageschaden für die komplette Region.
Gretchenfrage: Muss man dieses Postkartenmotiv bewässern?
"Ich verurteile niemanden, der zusätzlich bewässert. Mein Weg ist nicht besser oder schlechter, sondern anders", sagt Zang. Aus seinem Auto holt er einen Spaten und sticht in den Boden, der eben noch so schön gefedert hat. Der Boden sei ein Indikator, wie gut es dem Weinstock geht. Wenn sich tiefe Pfahlwurzler wie Löwenzahn oder Disteln zwischen den Weinstöcken wohl fühlten, sei das ein ein Zeichen für verdichteten Boden, nicht wünschenswert. Willkommen hingegen: Wicke, Phacelia und eigentlich alle Gräser, die den Boden vor Sonne schützen und Stickstoff binden.
Zang hält einen Brocken Erde, ein Stück Lebensgrundlage, in seiner Hand und zerbröselt es zwischen den Fingern. Er spricht vom Flugsand aus dem Main, der die Böden hier so besonders macht und das Wasser so schnell versickern lässt. Der 28-Jährige hat Weinbau und Oenologie studiert. Seinen Rebstock vergleicht er mit einem Marathonläufer: Gute Ergebnisse setzten eine gute Vorbereitung, aber auch Geduld und ausreichend Regeneration voraus.
Weniger Wasser heißt auch weniger Ertrag, damit muss Zang leben
Ohne zusätzliches Wasser, das ist Zang bewusst, trimmt er seine Trauben nicht auf Ertrag.Der Nordheimer rechnet damit, dass er auf seinen unbewässerten Flächen bis zu 50 Prozent weniger Ernte einfahren wird als Kollegen, die künstlich bewässern. Und bei langen Dürreperioden droht der Rebe Trockenstress, ein Mangel, den jeder im Weinglas schmecken kann: Vertrocknete Trauben haben unangenehme Bittertöne.
Für manch einen im Ort, sagt Zang, sei er jetzt der Wassergegner, der grüne Öko-Spinner. Aber das haben sie auch schon 1990 zu seinem Vater Rainer Zang gesagt. Er war damals einer der ersten Winzern in Unterfranken, die auf ökologischen Anbau umstellten. Zang will der Natur nur das entnehmen, was sie freiwillig entbehren kann. Er will seinen Wasserverzicht nicht als Marketinginstrument einsetzen, sagt Zang. Auf keines seiner Flaschenetikette soll stehen: "Ohne künstliche Bewässerung", auch wenn einige Kundinnen und Kunden an heißen Sommertagen bereits fragen, ob und wie sie als Öko-Winzer die Pflanzen bewässern.
Zang will seine Weinreben anspornen, auf gesundem Boden ein tiefes Wurzelsystem zu entwickeln. Eine permanente Verwöhnkur mit Wasser von oben sei da nicht hilfreich. Und überhaupt Wasser einfach so entnehmen, Zang versteht die Logik nicht: "Warum darf ich kostenlos Mainwasser in meine Tanks füllen? Der Main gehört mir nicht. Der Main gehört uns allen." Diese Überzeugung hat ihren Preis: Kostendeckend arbeite das Weingut erst bei Preisen von sieben bis acht Euro pro Flasche. Bei Aldi steht der Bio-Wein aus Spanien für 2,49 Euro pro Flasche im Regal, Zangs Cuvées stehen bei Gastronomen mit Stern auf dem Tisch.
Zang packt den Spaten zurück ins Auto und fährt die geteerten Feldwege entlang. "Highways" nennt er die geteerte Asphaltdecke mit Kanaldeckeln am Straßenrand. Er würde sie wieder gerne gegen die Schotterwege eintauschen, die es hier vor der Flurbereinigung gab. Damals, Mitte der 1970er Jahre, als mehr Wasser als nötig da war, ging es vielen Winzern noch darum, das Regenwasser schnell wieder abzuleiten.
Der Ökowinzer zeigt auf die umliegenden Weinhänge: "Zeile an Zeile, Stock an Stock. Diese Form der Monokultur ist nicht mehr zeitgemäß." Er wünscht sich Bäume und Hecken zwischen den Reben, die vor Bodenerosion schützen und die Verdunstung reduzieren. Er hat sich vorgenommen, anzufangen: Nächstes, spätestens übernächstes Jahr will er die ersten Bäume auf seinen Flächen pflanzen.
Gut das es auch solche Winzer gibt.