Mit großem Wasserkübel und nach Gefühl den Rebstock beregnen - das ist die Praxis bei vielen Winzern in Unterfranken. Noch. Der Weinbau der Zukunft sieht anders aus und setzt auf Technik, Live-Daten und digitale Vernetzung. Sechs Beispiele, die zeigen, wie Hightech den Weinbau am Main bereits jetzt schon verändert.
1. Smartphone-App: Bewässerung per Klick
Wenn frühmorgens um 4.30 Uhr die Wassertropfen auf seine Rebstöcke fallen, hat Florian Loos vom Bett aus seinen Weinberg unter Kontrolle: per Smartphone-App. Der Öko-Winzer aus Dingolshausen im Landkreis Schweinfurt könnte theoretisch auch in Bali am Strand liegen und die Wasserventile am Hang mit einem Fingerwisch steuern: Klick auf "Silvaner West", Wasser tröpfelt auf die Parzelle mit den Silvaner-Reben.
Natürlich gibt es für den Juniorchef in den Sommermonaten immer genug zu tun, um nicht einfach am Strand zu liegen. Aber zumindest um die Bewässerung macht sich der Winzer nur noch wenig Gedanken, seit er 2020 die Bewässerung digitalisiert hat. Dank App bewässert Loos noch vor Sonnenaufgang, wenn die Verdunstung am geringsten ist.
"Mir geht es nicht darum, meinen Ertrag zu steigern", sagt der Dingolshausener, "sondern darum, dass es meinen Rebstöcken trotz Trockenheit dauerhaft gut geht."
2. Frostschutzberegnung: Sprühregen als Kälteschutz
In Veitshöchheim (Lkr. Würzburg) an der Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) beschäftigt sich Daniel Heßdörfer mit dem Weinbau von morgen: am Weinhang "Wölflein", in einem 3,5 Hektar großen Freiluftlabor. Zwischen den Reben hier verlaufen zwei Wasserschläuche. Heßdörfer, der zu Bewässerungssystemen im Weinbau promoviert hat, wurde schon gefragt, ob durch die eine Leitung kaltes und durch die andere warmes Wasser fließe.
Nette Idee. Aber die LWG hat hier schlicht die erste und nach eigenen Angaben bislang einzige Anlage in Deutschland eingerichtet, die Tröpfchenbewässerung mit Frostschutzberegnung kombiniert. Zwei Bewässerungstechniken, deshalb zwei Schläuche, erklärt der Forscher.
Bewässert wird nicht nur, wenn es trocken ist, sondern auch, wenn es nach den Eisheiligen im Mai nochmal gefriert. Dann startet eine gezielte Sprüh-Beregnung, wodurch sich auf den frostempfindlichen Knospen eine Eisschicht bildet. Ein beliebtes Fotomotiv sind diese Eiskristalle. Doch der Hintergrund ist ernst: Durch den Klimawandel treibt die Weinrebe immer früher im Jahr aus, sagt Heßdörfer, oft bereits vor Ostern. Die Eishülle schütze vor Frostschäden.
3. Messstäbe: Sensoren messen die Bodenfeuchte
Von der Modellweinlage der LWG aus schaut Daniel Heßdörfer auf den Main, aber immer häufiger geht sein Blick nach Israel und Australien. Dort vertrauen Winzer bereits wie selbstverständlich technischen Helfern im Alltag. Manchmal sind diese Helfer unsichtbar, so wie auf der Experimentierfläche in Veitshöchheim.
Im Boden sind Messstäbe von einem Meter und länger eingelassen, dazu zwei Sensoren ganz nah am Rebstock. "Wir messen so die Bodenfeuchte und können sagen, wie tief das Wasser eindringt", erklärt Heßdörfer. Das Prinzip: Elektromagnetische Spulen registrieren die Leitfähigkeit. Je mehr Wasser im Boden, desto besser ist diese.
Am Ende spielt alles zusammen: Die Wasserventile öffnen sich automatisch, wenn die Sensoren melden, dass der Boden zu trocken ist und Wasser benötigt wird. Doch Sensoren, Smartphone-App und automatische Ventile machen noch keinen Qualitätswein, sagt Heßdörfer: "Die Highend-Technik hilft mir nur weiter, wenn ich sie auch zielgerichtet einsetze und mit den Daten umgehen kann."
4. Unterflurbewässerung: Wasserschläuche verschwinden unter der Erde
Immer mehr Winzer in Unterfranken vergraben ihr Bewässerungssystem. 40 Zentimeter unter der Oberfläche erstreckt sich dann ein verwinkeltes Schlauchsystem, das das Wasser direkt an die Wurzel transportiert. Etwa zehn Prozent weniger Wasser brauche man im Vergleich zur oberirdischen Tröpfchenbewässerung, sagt Heßdörfer. Die Kosten für Investition und Betrieb seien gleich hoch.
5. Kameras und Pegelsensoren: Wasserstand im Speicherbecken wird automatisch kontrolliert
Irgendwo muss das Wasser aus den Schläuchen und den automatisch angesteuerten Ventilen im Weinberg herkommen. Eine Möglichkeit: Niederschlagswasser aus den regenreicheren Monaten wird in Becken gespeichert. In Veitshöchheim (Lkr. Würzburg) liegen zwei sogenannte Pegelsensoren im Wasserbecken, die den aktuellen Pegelstand an die Pumpe kommunizieren. Wird ein vorab festgelegter Pegelstand im Becken unterschritten, dann wird Wasser ins Becken gepumpt.
Florian Loos hat in Dingolshausen Kameras installiert, die im Blick behalten, wie voll sein Wasser-Speicherbecken ist. Über einen Computer kann der Winzer auch die Brunnenpumpe von überall aus ansteuern: Ein Klick - und der digitale Wasser-Kreislauf setzt sich in Gang. Etwa 150.000 Euro habe sein Weingut in das Bewässerungssystem auf einer Fläche von 2,5 Hektar investiert, sagt Loos.
6. Drohnen: Ein System misst den Trockenstress der Pflanzen
Kein Winzer kann in die Weinrebe hineinschauen oder mit bloßem Auge von außen erkennen, wie es um den Wasserhaushalt innen bestellt ist. Um Trockenstress frühzeitig vorzubeugen, soll Drohnentechnik helfen - mit Radarsystem, FPV-Kamera, Infrarot-Thermometrie. Dazu nähert sich die Drohne auf bis zu 30 Zentimeter dem Blatt und misst kontaktlos dessen abgestrahlte Infrarot-Energie. So erhält der Winzer Aussagen zur Blatttemperatur und zum Trockenstress der Pflanze.
"Findungsphase" nennt Weinbauexperte Daniel Heßdörfer die ersten Experimente mit Drohnen. Wie bei autonomen Robotern sei das Potenzial groß, aber die Technik noch nicht ausgereift, um sie flächendeckend in Unterfranken einsetzen zu können.
Fazit: Technik ist nicht alles - Insekten und Gräser sind wichtig
Technik allein werde die Herausforderungen im Weinberg nicht meistern, sagt Daniel Heßdörfer. Geht es nach dem Forscher, dann sollen in Zukunft nicht nur Drohnen surren, sondern vor allem auch Insekten summen. An den Versuchsfeldern der LWG sind alle Weinhänge begrünt, es gibt ganze Streifen mit Bäumen und Totholz, wo die Natur sich selbst überlassen wird.
"Früher hieß es oft unter Winzern: Da stehen noch Gräser am unteren Weinhang, das wird alles weggemulcht, die nehmen dem Rebstock nur das Wasser weg", sagt Heßdörfer. Dabei sei es wichtig, der Tier- und Pflanzenwelt solche unberührten Oasen zu bieten. Auch um Wasser zu sparen, könnten Gräsermischungen helfen. Denn eine dichte Pflanzenschicht schütze den Boden vor dem Austrocknen und könne dazu beitragen, Nährstoffe wie Stickstoff zu binden.
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