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Kitzingen
Der Laster-Landkreis: Wie Logistiker das Kitzinger Land verändern – und warum ein Politiker von Wahnsinn spricht
Das Gesicht des Weinlandkreises ändert sich seit einiger Zeit: Immer mehr Speditionen und Logistikzentren siedeln sich an, die Lkw-Dichte steigt. Wohin führt das?
Sie bestimmen das Straßenbild: Die Zahl der Laster im Landkreis steigt stetig, immer mehr Logistiker siedeln sich an.
Foto: Michael Endres | Sie bestimmen das Straßenbild: Die Zahl der Laster im Landkreis steigt stetig, immer mehr Logistiker siedeln sich an.
Frank Weichhan
 |  aktualisiert: 14.05.2024 02:46 Uhr

Die Frage, wie sehr das Transportgewerbe in den vergangenen Jahren Besitz vom Landkreis Kitzingen ergriffen hat, lässt sich an vielen Beispielen beantworten. Etwa im Mainfrankenpark. Was Ende der 1990er-Jahre als Freizeit- und Spaßpark begann, hat grundlegend sein Gesicht verändert. An beiden Einfahrten: große Logistiker. Die Tankstelle: voll mit Lastern. Im ehemaligen Imax-Kino: ein Logistiker. Und in der ehemaligen Disco "Capitol" siedelt sich gerade eine Spedition aus Österreich an.

Verändert hat sich im Mainfrankenpark noch etwas: der Zustand der Straßen. Wer genau hinschaut, kann unschwer erkennen, welche Spuren die Laster hinterlassen. Vieles ist schlichtweg platt gefahren. Der Sanierungsbedarf in dem Dettelbacher Industriegebiet zeigt sich deutlich. 

So sieht das künftige s.Oliver Logistik-Zentrum in Dettelbach auf dem ehemaligen Fulgurit-Gelände im Industriegebiet aus.
Foto: Panattoni | So sieht das künftige s.Oliver Logistik-Zentrum in Dettelbach auf dem ehemaligen Fulgurit-Gelände im Industriegebiet aus.

Ein paar Kilometer weiter. Auch im zweiten Dettelbacher Industriegebiet darf gestaunt werden: Laster reiht sich an Laster. Eine ähnliche Präsenz wie im Mainfrankenpark. In Stoßzeiten rollen die Lkw im Minutentakt. An der Zufahrt zur B 22 musste nicht zuletzt deshalb auch eine Ampel her. Die noch gar nicht so lange zurückliegende Zeit ohne Anlage erscheint heute schlichtweg undenkbar.

Ein neuer Gigant in Dettelbach

Dabei befindet sich der neue Gigant, das s.Oliver-Logistiklager, noch gar nicht im Vollbetrieb. Auf 125.000 Quadratmeter baute das Textilunternehmen aus Rottendorf in Gewerbegebiet Ost einen Standort für seine gesamte Gruppe, von dort aus sollen jährlich bis zu 60 Millionen Kleidungsstücke auf Reisen gehen.

Die Visualisierung zeigt das Logistikcenter, das in Rüdenhausen geplant ist.
Foto: Garbe Industrial Real Estate | Die Visualisierung zeigt das Logistikcenter, das in Rüdenhausen geplant ist.

Von dem, was sich da seit geraumer Zeit getan hat und bis zum heutigen Tag tut, zeugen unzählige Schlagzeilen. Zuletzt wurde aus Rüdenhausen von einem neuen Logistikcenter berichtet, das sich auf einem sieben Hektar großen Grundstück ausdehnen will. Ein weiterer Gigant an der A 3. 

Logistikzentren in neuen Sphären

Eine Autobahnabfahrt vorher hat sich bei Geiselwind ein noch größerer Gigant angesiedelt: das Puma-Logistikcenter. Der Sportartikelhersteller ließ dort von einem Investment-Unternehmen für 200 Millionen Euro bauen und stieß in kaum für möglich gehaltene Sphären vor. Entstanden ist ein europäisches Logistikzentrum, nach eigener Aussage eines der modernsten der Welt.

Europäische Dimension: das Puma-Warenlager in Geiselwind.
Foto: Leander Rambichler-Praxmarer | Europäische Dimension: das Puma-Warenlager in Geiselwind.

Höher, größer, weiter – die Logistikcenter stoßen in immer neue Dimensionen vor. Der Landkreis Kitzingen ist dabei besonders attraktiv: Die Schnittstelle von A 3 und A 7 sorgt für Begehrlichkeiten – und ständig neue Ansiedlungen. Oder auch Erweiterungen: Im Dettelbacher Industriegebiet rüstete das Logistik-Unternehmen Dachser mit einer Halle für 15.000 Palettenstellplätze in einer rund 10.000 Quadratmeter große Halle nach. 

Wo man auch hinschaut – die Logistiker sind schon da. Dabei reichen bestehende Industriegebiete wie das ConneKT in Kitzingen, in dem der Automobilzulieferer Schaeffler sein Europäisches Dienstleistungszentrum hat, schon lange nicht mehr aus. Die grünen Wiesen werden zugebaut. Einer der ersten Logistiker war die Post mit ihrem Paketzentrum, das 1994 in Kitzingen startete. Ein Beispiel dafür, wohin sich der heute Trend entwickelt, ist das geplante Logistik- und Technologiezentrum der Firma Geis in Haidt. Auch hier ist Größe alles: Das 8,4 Hektar große Grundstück neben dem Holzwerk Haidt gehört Geis bereits.

Auf dieser Fläche, die knapp zwölf Fußballfeldern entspricht, soll in zwei Bauabschnitten ein 15 Meter hohes Gebäude entstehen. Der Vorentwurf geht von vier Hallen aus, die am Ende rund 40.000 Quadratmeter, also knapp die Hälfte des Grundstücks, einnehmen könnten.

Wenn sich Widerstand regt

Neu ist hier allerdings etwas: Es regt sich zunehmend Widerstand. Der Protest formiert sich. Bürgerinitiativen organisieren Protestmärsche. Haidt wehrt sich. Auch in der Politik kommt das Thema an: Die fröhliche Begrüßung der Neuansiedlungen ist kein Automatismus mehr. Vergangenen Sommer gab es in den Kreisgremien erstmals hitzige Debatten um die Ansiedlung immer neuer Logistikzentren. Dass es so nicht weitergehen kann, mahnte SPD-Kreisrat Robert Finster. Im Wirtschaftsausschuss sendete er eine klare Botschaft: "Wir sollten uns Gedanken machen, wie man diesen Wahnsinn aufhalten kann."

Der Wahnsinn – damit waren die Logistizentren gemeint. Finster zur Seite sprangen die Grünen; die Fraktionssprecher Andrea Drexelius und Klaus Sanzenbacher unterzeichneten eine entsprechende Stellungnahme.

Auch in der Öffentlichkeit drehte sich zuletzt der Wind. Klaglos hingenommen wird die Laster-Schwemme nicht mehr. So gab es beispielsweise in einem Leserbrief die Warnung vor einer "Umstrukturierung des Weinlandkreises Kitzingen, der bislang so erfolgreich für seinen Tourismus wirbt, zu einem Techno-, Inno- und Logistik-Landkreis". 

Die Bedürfnisse der Bevölkerung

Im Landratsamt selbst macht man sich auch Gedanken. Wirtschaftsförderer Frank Albert verweist darauf, dass "die Logistikbranche aufgrund des geänderten Konsumverhaltens beständig wächst". Es gelte, "hier einen guten Ausgleich zwischen Wirtschaftsinteressen und den Bedürfnissen der Bevölkerung zu finden". Bei einer "zu hohen Dichte an Logistikunternehmen" schwinde die Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung, betont Albert.

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Direkten Einfluss habe man dabei allerdings nicht: "Bei kommunalen Gewerbegebieten entscheiden die Kommunen selbst durch Verkauf ihrer Flächen sowie durch Aufstellung des Bebauungsplans, welche Gewerbe sich ansiedeln." Aktuell habe man "einen sehr guten Branchenmix und eine große Bandbreite von Kleinbetrieben bis hin zum Weltmarktführer" – diesen Mix gelte es zu erhalten, heißt es aus dem Landratsamt.

Eine der Folgen der Laster-Schwemme: Es fehlt an Rast- und Parkplätzen entlang der Autobahnen. Hier stehen die Fahrzeuge auf dem Parkplatz Sandberg auf der A 3 nahe dem Biebelrieder Kreuz.
Foto: Thomas Obermeier | Eine der Folgen der Laster-Schwemme: Es fehlt an Rast- und Parkplätzen entlang der Autobahnen. Hier stehen die Fahrzeuge auf dem Parkplatz Sandberg auf der A 3 nahe dem Biebelrieder Kreuz.

Ist der Mix in Gefahr? Sind es womöglich schon zu viele Logistiker? Oder ist das gar erst der Anfang? Für die Bewertung hilft ein Blick auf die Zahlen, die der IHK Würzburg-Schweinfurt vorliegen. Sie zeigen, dass der optische Eindruck nicht täuscht, was die vielen Speditionen betrifft.

In den Branchen Güterbeförderung im Straßenverkehr, Umzugstransporte, Frachtumschlag, Spedition, Logistische Dienstleistungen sowie Paket-, Express- und Kurierdienste gibt es im Landkreis aktuell 65 Firmen, die im Handelsregister eingetragen sind. Dazu gesellen sich, so die Pressestelle der IHK auf Anfrage, weitere rund 80 entsprechende Firmen, die als Kleingewerbe angemeldet sind. Tendenz: steigend.

Wie ist Ihre Meinung zu Logistik-Betrieben im Landkreis Kitzingen? Schreiben Sie uns gern hier einen Kommentar.

 
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  • Elisabeth Hofmann
    alle Politiker rufen vehement nach Ansiedlung von Gewerbebetrieben, Handwerksbetrieben und Produktionsfabriken.
    Jeder bestellt den besten Rotwein aus Italien, Chile oder Südafrika.
    Alle Autofahrer sind es gewohnt, dass in der Werkstatt das Ersatzteil möglichst noch am gleichen Tag verfügbar ist.

    Aber wie sollen die Betriebe produzieren, wenn keine Zulieferteile, Ersatzteile, Rohstoffe angeliefert werden sollen, weil der böse LKW auf den Strassen fährt.
    An wen sollen die Betriebe ihre produzierten Erzeugnisse verkaufen, wenn die bösen LKW nicht mehr zu den Kunden fahren sollen.
    Sollen die Betriebe schliessen ??,weil Sie nichts mehr versenden dürfen. Dann brauchen wir auch keine LKW und keine Logistikbetriebe mehr. Dann wird auch keine Umwelt mehr verpestet, wenn alles still steht. Wer nach Arbeitsplätzen ruft, muss auch dafür sorgen, dass die Logistik funktioniert.
    Lorenz Hofmann
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  • Anton Müller
    Das Einkaufsverhalten vieler Konsumenten verschiebt sich immer weiter Richtung Online-Handel. Die Vorteile für die Kunden sind nun mal kaum von der Hand zu weisen. Man sieht es ja auch am Ladensterben in der Würzburger Innenstadt. Aber irgendwo müssen diese Logistikzentren nun schließlich entstehen. Und im Sinne kurzer Transportwege und Effizienz (die Bahn ist ja noch nicht mal im Personenverkehr halbwegs zuverlässig) bietet sich ein Standort in der Nähe von A3 und A7 logischerweise an...
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  • Jürgen Huller
    So ist das nun mal!

    Wer Straßen baut und Industriegebiete ausweist, wird unausweichlich Verkehr ernten.
    Man kann halt nicht alles haben, Gewerbesteuer und einen ruhigen Ort zum Leben.

    Gell, liebe Höchberger, da könnt ihr euch schon mal auf was gefasst machen.

    https://www.mainpost.de/regional/wuerzburg/vermaechtnis-oder-gigantismus-hoechberg-plant-seit-jahren-ein-modernes-gewerbegebiet-das-stoesst-jetzt-auf-kritik-art-11477625

    Viel Spaß damit.

    Den Eisingern wäre zu raten, aus ihrer Ampel an der B27 einen Kreisverkehr zu machen, um längere Staus von den vielen LKW verursacht, zu vermeiden. So bleibt wenigstens etwas Verkehrsfluss.
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  • Georg Ries
    Werter Herr Huller,
    zu Ihrem Seitenhieb auf Höchberg, das hat die Gemeinde als Grundeigentümer und über die Planungshoheit in der Hand, wer sich da ansiedelt. Sollte man als Kommunalpolitiker wissen!! Schauen Sie mal nach Waldbüttelbrunn! Keine Speditionen, nur "normales" Gewerbe. Also nur kein Neid aus Kist 😉
    Wer als Gemeinde solch monströse Logistikstandorte zulässt, ist selber schuld. Auf Gewerbesteuer braucht man da nicht zu hoffen.
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  • Jürgen Huller
    Ich bin kein Kommunalpolitiker. Wie kommen Sie denn darauf?
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  • Georg Ries
    Dann täusch ich mich. Dachte Sie wollten mal einer werden?
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  • Georg Ries
    Kommentar wurde doppelt abgegeben.
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  • Gerlinde Conrad
    Die Kurier- und Paketdienste sind meist aufdringlich unterwegs und müssen dank unserer intelligenten Verkehrsminister keine Autobahnmaut bezahlen! Die Steigerwaldbahn wird von Kommunalpolitikern stillgelegt, obwohl das Industriegleis auf Steuerzahlerkosten direkt bis zum Postfrachtzentrum geplant, vermessen und versteint war. Hier hätte 1 Lokführer täglich hunderte Postcontainer hin und her befördern können! Aber die wählen wir wieder: "was woll`n mer denn mach!" Die Jugend muss nicht alles "just in time" haben, denn das meiste wird sowieso zurückgeschickt. Wie viel Gewerbesteuer bekommen denn die Kommunen von den Logistikern und wie viele Straßen werden ruiniert und Grünflächen Plattgemacht? K-H.Conrad
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  • Johannes Weisensee
    Da die LKW vermutlich nicht an der Landkreisgrenze halt machen, muss man sicher auch Norma und Schäflein in Gerolzhofen mit berücksichtigen.
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