zurück
Ermershausen
Geflüchtet aus der Ukraine und als Praktikantin in Ermershausen neu angefangen: So geht es Ärztin Olga Salun heute
Seit knapp einem Jahr lebt die 35-jährige Ukrainerin mit ihrer Familie in der kleinen Haßberge-Gemeinde. Doch in Kürze steht für sie ein Umzug an.
Die aus der Ukraine geflüchtete Ärztin Olga Salun durfte bereits kurz nach ihrer Ankunft im Frühjahr 2022 als Praktikantin in der Praxis von Frank Schweinfest in Ermershausen mitarbeiten (Archivbild).
Foto: Rebecca Vogt | Die aus der Ukraine geflüchtete Ärztin Olga Salun durfte bereits kurz nach ihrer Ankunft im Frühjahr 2022 als Praktikantin in der Praxis von Frank Schweinfest in Ermershausen mitarbeiten (Archivbild).
Rebecca Vogt
 |  aktualisiert: 08.02.2024 23:45 Uhr

Einige Koffer und Kisten sind bereits gepackt. "Wir ziehen um nach Nürnberg", sagt Olga Salun und deutet auf die Ecke des Wohnzimmers, in der die besagten Koffer und Kisten aufgestapelt sind. Die 35-jährige Ukrainerin sitzt auf ihrem Sofa in ihrer Wohnung in Ermershausen. Hund Max hat es sich auf dem Teppich gemütlich gemacht. Es sind für Olga Salun und ihre Familie die letzten Tage in dem Ort in den Haßbergen, in dem die Ukrainerin im vergangenen Frühjahr zusammen mit ihrer Mutter und ihren zwei Töchtern sowie Hund Max eine Zuflucht gefunden hatte.

Sie werde die Leute hier sehr vermissen, sagt Salun, vor allem auch mit Blick auf die Menschen aus Ermershausen, in deren Haus sie derzeit ein Stockwerk bewohnt. "Sie sind meine zweite Familie. Sie haben mir sehr geholfen." Auch mit dem Umzug würden sie ihr jetzt helfen, erzählt Salun. Der Abschied fällt der Ukrainerin sichtlich schwer. Aber es bestehe ja die Möglichkeit zu telefonieren, sagt sie dann und ergänzt mit einem Lächeln: "Und sie können mich in Nürnberg besuchen."

Als Praktikantin in Ermershausen neu angefangen

In der Ukraine war Salun anerkannte Ärztin. Als Russland ihr Heimatland angriff und der Krieg ausbrach, floh sie Anfang März 2022 mit ihrer Familie nach Deutschland. Es sei viel besser gewesen, zunächst in einem kleinen Ort als in einer Stadt zu starten, sagt sie, alleine schon wegen der vielen hilfsbereiten Menschen. In Ermershausen erhielt die 35-Jährige die Chance auf einen Neuanfang: Frank Schweinfest ermöglichte der Ukrainerin in seiner Praxis für Allgemeinmedizin eine Mitarbeit als Praktikantin. "Frank hat mir sehr geholfen", sagt Salun und resümiert: "Es war ein gutes Jahr."

Olga Salun in ihrer Wohnung in Ermershausen. Seit knapp einem Jahr lebt die 35-jährige Ukrainerin mit ihrer Familie in der Gemeinde. In Kürze zieht sie nach Nürnberg um.
Foto: Zlata Salun | Olga Salun in ihrer Wohnung in Ermershausen. Seit knapp einem Jahr lebt die 35-jährige Ukrainerin mit ihrer Familie in der Gemeinde. In Kürze zieht sie nach Nürnberg um.

Das Praktikum in der Praxis habe ihr die Möglichkeit gegeben, in ihrem Beruf zu arbeiten und nicht alles zu vergessen, wie Salun mit einem Lachen sagt. Außerdem habe sie so einen Einblick in das deutsche Medizinsystem erhalten. Und nicht zuletzt, habe Schweinfest ihr mit dem Deutsch Lernen beziehungsweise den entsprechenden medizinischen Fachbegriffen geholfen. Es sei für ihn selbstverständlich gewesen, Salun diese Chance zu geben, erklärte der Mediziner damals.

Aktuell hilft Salun noch einmal in der Woche – immer donnerstagnachmittags, wie sie erklärt – in der Praxis mit, bis zum ihrem Umzug Ende Februar. An den Vormittagen besuchte die 35-Jährige zuletzt unter der Woche einen Deutschkurs in Coburg. Mit dem Bus ging es in die oberfränkische Vestestadt, da es von Ermershausen aus keine Busse nach Haßfurt gibt. Olga Salun schloss den Kurs im Dezember mit dem Sprachniveau B1 ab, welches dem Europäischen Referenzrahmen nach die erste von zwei Stufen einer "selbstständigen Sprachanwendung" darstellt.

B2-Kurs in Nürnberg und dann auf die Fachschule

"Der nächste Schritt ist jetzt ein B2-Kurs", berichtet Salun. Sie hofft, dass sie im April mit einem solchen in Nürnberg beginnen kann. In Coburg hätte sie darauf wohl noch bis Jahresende warten müssen, sagt sie. Der Kurs dauere sechs Monate, danach wolle sie die Fachschule besuchen und die Fachprüfung ablegen, erklärt Salun. Im Anschluss könne sie dann auch in Deutschland als Ärztin arbeiten.

"Es ist natürlich schade, aber für sie die einzig vernünftige Lösung", sagt Frank Schweinfest zum bevorstehenden Weggang Saluns aus Ermershausen. Das Angebot an Sprachkursen, die die Ukrainerin für ihren weiteren Weg zurück ins Berufsleben braucht, fehle hier einfach. Salun habe in der Praxis vor allem was die Behandlung anderer Geflüchteter aus der Ukraine betrifft die Arbeit wesentlich erleichtert. "Es war auch ein schöner Einblick in eine Kultur, die gar nicht so weit weg von uns ist, aber zumindest mir nicht so bekannt war", berichtet Schweinfest.

Auch Olga Salun ihrerseits hat die kulturellen Eigenheiten hierzulande kennengelernt. Es gebe in Deutschland jede Menge Briefe, sagt sie und scherzt: "Ich warte auf meinen Brief aus Hogwarts. Damit ich dort zur Schule gehen kann." Mit Blick auf den Umzug erzählt die 35-Jährige, dass sie viele Freunde in Nürnberg habe, die ebenfalls aus der Ukraine stammen. Darunter eine Freundin, die bereits seit 23 Jahren in Deutschland lebt. Salun kennt sie seit ihrem dritten Lebensjahr. "Wir sind zusammen aufgewachsen."

Frieden in der Ukraine oder ein Krieg, der Jahre dauert?

Jeden Tag verfolgt Salun die Nachrichten aus der Ukraine und ihrer Heimatstadt Charkiw, in der ihr Vater und ihr Ex-Mann nach wie vor leben. Es sei besser als im vergangenen Frühjahr, aber immer noch gebe es dort jede Woche Raketenangriffe. "Erst heute zum Beispiel, in der Nacht. Und letzte Woche dreimal", erzählt sie beim Besuch der Redaktion. "Wir hoffen alle, dass der Krieg im Sommer aufhört", erklärt die Ukrainerin. Doch hätten sie das im vergangenen Jahr auch schon für den Winter gehofft.

Ob sie jemals wieder in ihre Heimat zurückkehren wird? "Das ist eine schwierige Frage, die mir viele Leute stellen", sagt Salun. "Ich weiß es nicht. Wir werden sehen." Aber, wenn der Krieg zwei, drei Jahre oder länger dauere, und ihre Kinder hier aufwachsen, dann werde auch sie bleiben. Die ersten Weichen für eine berufliche Zukunft in Deutschland hat die 35-Jährige jedenfalls gestellt und tut dies auch weiterhin, in Ermershausen und ab März dann in Nürnberg.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Ermershausen
Rebecca Vogt
Fachschulen
Kriege
Praktikanten
Stadt Hofheim
Töchter
Ukraine-Russland-Krieg
Ärzte
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top