Ein griechischer Philosoph? Ein Druide? Oder Moses, der mit seinem Stab das Rote Meer teilt? Nichts davon. Markus Söders Kostüm, in dem er am Freitag zu "Fastnacht in Franken" kommt und das von seinem Umfeld bis zuletzt wie ein Staatsgeheimnis gehütet worden ist, lässt Raum für Interpretationen und liefert viel Gesprächsstoff - vielleicht nicht ganz ungewollt.
Entsprechend häufig muss der Ministerpräsident jedenfalls in der Maske des Nürnberger Staatstheaters erklären, als was er denn da nach Veitshöchheim gehen will. "Als Stammesältester, der Bayern durch die Stürme der Zeit führt", lautet dann die Formulierung, auf die er sich letztlich festlegt.
Rund zwei Stunden vorher fährt die Söder-Limousine am Bühneneingang vor. Schnurstracks stiefelt der CSU-Chef in den ersten Stock, wo Maskenbildner Armin Häfner bereits darauf wartet, Söder binnen eines Nachmittags um Jahre altern zu lassen. "Wie das Frauen nur aushalten?", fragt der sich, als Häfner einen Pinsel an die Lider setzt. Mit den ersten schwarzen Akzenten unterhalb der Augen, findet der 56-jährige CSU-Chef, "würde ich noch als Football-Spieler durchgehen". Doch als Football-Spieler ging er ja schon 2006 zum Fasching.
Wie Günther Beckstein den jungen Söder inspirierte
Söder und seine ausgefeilten Kostüme gehörten lange Zeit zur BR-Kultsendung "Fastnacht in Franken". Schon 1998 kam er mit seiner Frau Karin Baumüller-Söder als "Waltraud und Mariechen". Zu aufwendigeren Kostümen inspiriert hat ihn, so sagt er, einst sein Vorgänger in der Staatskanzlei, Günther Beckstein. Der zog 2004 beispielsweise als Albrecht Dürer alle Augen in Veitshöchheim auf sich.
Doch kaum 2018 ins Amt des Ministerpräsidenten gewählt, ließ Söder seine Verkleidungen im Schrank, kam im Smoking. Nun erschien er erstmals als Landesvater "verkleidet" bei "Fastnacht in Franken". Geradezu "nackt" habe er sich dort so unkostümiert gefühlt, bekennt Söder jetzt. Das Verkleiden - "ich habe es vermisst".
Im Nürnberger Staatstheater klebt Häfner derweil dem Ministerpräsidenten den Bart an. "Kratzt, stinkt, alles super", kommentiert Söder. Den erfahrenen Maskenbildner bringt das nicht aus der Ruhe. "Mittlerweile kenne ich den Kopf, das Gesicht und die Reaktionen", sagt er. Schon 2010 hat er Söder in den Zauber Gandalf aus "Herr der Ringe" verwandelt - und klebte ihm einen deutlich längeren Bart an.
Würde sich Söder noch einmal als Gandhi verkleiden?
Söder und seine ausgefeilten Kostüme... Schon als Kind habe er sich gerne verkleidet. Als Cowboy, Sheriff oder "ja, auch als Indianer", erzählt er. Und an seiner Stimmlage lässt sich erahnen, was er von Debatten um politisch korrekte Faschingskostüme hält.
2015 kam Söder als Mahatma Gandhi mit braun geschminktem Gesicht zu "Fastnacht in Franken" - ein Kostüm, das heute bei Menschen, die das sogenannte Blackfacing als diskriminierend einstufen, wohl für Empörung sorgen würde. Darauf angesprochen sagt er am Freitag in Nürnberg, in der Maske: "Man darf nicht vergessen", jedes Kostüm "ist eine Hommage". Er würde nie als etwas gehen, was er nicht gut finde. "Gandhi fand ich immer sehr beeindruckend."
Immer wieder kommt das Gespräch an diesem Nachmittag auf andere Schminkaktionen Söders. Nach seinem Auftritt als grüner Shrek 2014 oder als gelber Homer Simpson 2017 habe er noch Tage später Farbreste auf der Haut gehabt. Wer schön sein will, muss eben leiden.
Großer Mann, großer Kopf - und die Angst vor hohen Frisuren
"Hält das auch?", ist die wohl meistgestellte Frage, die Söder Häfner während der zweistündigen Prozedur stellt. "Das häld scho", fränkelt der Maskenbildner jedes Mal mit prüfendem Blick auf den falschen Bart zurück. Schließlich setzt Häfner Söder die Perücke auf. Der Kostümierte sorgt sich um den Platz im Auto. "Ich bin ja von Natur aus schon sehr groß", sagt der 1,94-Meter-Politiker und hofft, dass er sich trotz Perücke normal in den Dienstwagen setzen kann.
Söder ist da ein gebranntes Kind. Als er 2012 als Punk nach Veitshöchheim fahren wollte, passte er mit seinem Irokesen auf dem Kopf tatsächlich nicht in den Dienstwagen. Letztlich sei er in einem kurzerhand gemieteten Transporter nach Unterfranken gefahren worden.
Wenn ein Spitzenpolitiker so viel auf sich nimmt für eine Veranstaltung wie "Fastnacht in Franken", stellt sich die Frage: Warum ist dieser Fernseh-Fasching für die Politik so wichtig? Es sei umgekehrt, korrigiert Söder. "Die Politik ist für den Fasching wichtig." Ohne prominente Gäste wäre das Format des Bayerischen Rundfunks nicht dasselbe, findet der Ministerpräsident und hebt zu einer Lobeshymne auf die Kult-Sendung an.
Das Komiker-Duo Heißmann und Rassau alias "Waltraud und Mariechen", die "Putzfraa" Ines Procter und Kabarettist Michl Müller finde er am besten. Generell hätten die Darbietungen in den Mainfrankensälen eine immens hohe Qualität.
Maskenbildner unterbricht extra seinen Ruhestand für Söder
Ein Personenschützer bringt einen langen Stock in die Garderobe, in der auch alljährlich das Nürnberger Christkind geschminkt wird. Feierabend für Maskenbildner Häfner. "Eigentlich bin ich schon seit drei Jahren in Rente", erzählt er. Doch als im Sommer Söders Sprecherin anrief, "habe ich direkt gesagt, ich freu' mich drauf". Den Ministerpräsidenten wieder zu schminken - "ich habe Spaß daran!"
Dann wird Häfner kurz aus dem Feierabend zurückgeholt. Söder möchte seinen Bart noch einmal fixiert haben. Frisur und Bart würden nach "Fastnacht in Franken" gleich auf der Rückfahrt im Auto wieder runterkommen, sagt Söder. Dann komme immer gleichzeitig ein enttäuschtes "Oooh", weil die Veranstaltung vorbei sei. Und ein erleichtertes "Aaah", weil die falschen Haare endlich weg können.
Während die inzwischen ebenfalls verkleidete Karin Baumüller-Söder zu ihrem Mann geht, kommt Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König (CSU) als Harry Potter aus der Nachbargarderobe. Ein letztes Mal bitten die anwesenden Journalistinnen und Journalisten Söder um eine Erklärung seines Kostüms. Dessen Botschaft sei "Schutz", erklärt Söder knapp. "Und nun gehet hin und berichtet in Frieden."
Na dann.