Prozesse vor dem Amtsgericht sorgen immer auch für Überraschungen und emotionale Momente. Besonders wenn dort Fälle verhandelt werden, die auch über die Region hinaus für Aufsehen sorgen. Das sind die sechs Gerichtsverhandlungen aus dem Jahr 2023, die in Erinnerung geblieben sind.
1. Überraschung im Zeugenstand: Bestohlener will Geld von Diebin nicht zurück
Im Dezember 2022 besucht ein Mann eine unter Betreuung stehende Frührentnerin in deren Wohnung. In einem Moment der Unaufmerksamkeit klaut die Frau die Börse aus der Jackentasche des 34-Jährigen, darin befindet sich Bargeld in Höhe von 380 Euro. Im November 2023 steht die Frührentnerin wegen dieser Tat vor dem Amtsgericht Haßfurt.
Den Geldbeutel samt Bankkarten habe er von der geständigen und reumütigen Diebin bereits wieder zurückerhalten, sagt der Bestohlene vor Gericht. Das Bargeld, das sich darin befand, jedoch nicht. "Ich verzichte auf das Geld. Ich kenne ihre finanzielle Situation", erklärt er im Zeugenstand zur Überraschung der Anklage und des vorsitzenden Richters. Zudem habe er kein Interesse daran, dass die 42-jährige Beschuldigte bestraft werde.
Richter Patrick Keller stellte das Verfahren mit Zustimmung des Staatsanwalts ein. Und das, obwohl die Angeklagte bereits vier einschlägige Vorstrafen wegen Diebstahls auf dem Kerbholz hat. Als Auflage muss sie 500 Euro an die "Haßfurter Tafel" zahlen.
2. Zwist in Kirchengemeinde: Streit um Sträucher landet vor dem Amtsgericht
Es ist ein Nachbarschaftsstreit, der im Juni 2021 quasi auf "heiligem Boden" seinen Höhepunkt erreicht. Weil ein Mann im Pfarrgarten einer Kirchengemeinde zwei sechs Meter hohe Haselnusssträucher auf Stock setzt, sie also kurz über dem Boden abschneidet, erstattet der Geistliche Anzeige wegen Sachbeschädigung.
Der Fall landet im Juli 2023 vor dem Amtsgericht Haßfurt. Dort vergibt der Pfarrer seinem Schäfchen die Sünde nicht. Offenbar auch, weil vom Angeklagten kein Wort der Reue zu vernehmen ist. Die Parteien einigen sich am Ende trotzdem. Der Beschuldigte muss der Kirchengemeinde einen Schadensersatz in Höhe von 700 Euro zahlen. Die Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren daraufhin ein. Zahlen muss der Sünder außerdem eine Geldauflage für einen gemeinnützigen Zweck in Höhe von circa 400 Euro, mit diesem kleinen "Ablasshandel" war die Sache für die Justiz erledigt.
3. Erschossene Hündin Mara: Richter glaubt Version des angeklagten Jägers nicht
Im Juli 2022 erschießt er die Hündin eines österreichischen Touristenpaars auf einer Wiese nahe der Knetzgauer Schleuse, im November 2023 muss sich der Jäger für diese Tat vor dem Amtsgericht Haßfurt verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann vor, "ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund getötet zu haben". Der Jäger sagt, die Hündin habe einen Hasen gehetzt, er habe schießen müssen. Die Besitzer von Hündin Mara sagen, ihr Vierbeiner habe wegen eines Hüftschadens kein Tier jagen können.
Der Vorfall und auch der sich anschließende Prozess vor dem Amtsgericht sorgen bundesweit für Aufsehen. Nach zwei Verhandlungstagen steht fest: Richter Patrick Keller glaubt den Ausführungen des Jägers und Jagdpächters nicht, er spricht den 77-jährigen Angeklagten der Tötung eines Wirbeltiers ohne vernünftigen Grund schuldig. Der Jäger muss dem Urteil zufolge 140 Tagessätze zu je 40 Euro Strafe bezahlen sowie die Verfahrenskosten tragen. Außerdem wird die Waffe eingezogen, mit der er geschossen hatte.
Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig, und das könnte noch eine Weile so bleiben: Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Verteidiger haben gegen das Urteil Berufung eingelegt. Damit wird es in Sachen der erschossenen Hündin juristisch noch einmal von vorne losgehen.
4. Raser von Horhausen: Keine Bewährung für den Verursacher des tödlichen Unfalls
Es ist ein Unfall, der über die Region hinaus für Bestürzung sorgt. Eine 55-jährige Frau verliert im April 2022 bei der Kollision ihres Kleinwagens mit einem SUV auf der Mainbrücke Horhausen ihr Leben. Der Verursacher, ein damals 32-jähriger Mann aus dem Haßbergkreis, entfernt sich vom Ort des Geschehens. Polizeibeamte nehmen ihn am Tag darauf zwischenzeitlich fest. Im Frühjahr 2023 kommt es schließlich vor dem Amtsgericht zum Prozess gegen den Autofahrer, es wird einer der schwerwiegendsten Fälle der jüngeren Vergangenheit sein, die in Haßfurt verhandelt werden.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann unter anderem "verbotenes Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge" vor. Zeugen und Zeuginnen bestätigten im Laufe des Prozesses die rasante und riskante Fahrweise des Beschuldigten, der alle Punkte einräumte. Das Schöffengericht verurteilte den 33-Jährigen schließlich zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten.
Wer zwischen dem Kreisverkehr von Untertheres und der Mainbrücke bei Horhausen sein Auto, das ein "Geschoss" darstelle, im Grenzbereich ausfahre, der verdiene keine Bewährung, sagte Gillot. Ein Mordmerkmal sah das Gericht anders als die Nebenklage nicht erfüllt. Der Angeklagte verzichtete auf Rechtsmittel, damit wurde das Urteil bereits im Frühjahr rechtskräftig.
5. Ungewöhnliche Strafe: 19-Jähriger darf die Stadt Schweinfurt ein Jahr lang nicht betreten
Er ist ohne Fahrerlaubnis in Schweinfurt unterwegs und wird von der Polizei auf frischer Tat ertappt. Dafür erhalt ein 19-Jähriger aus dem Landkreis Haßberge im September 2023 am Amtsgericht eine ungewöhnliche Strafe. Er muss nicht nur 60 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten, sondern darf die Stadt Schweinfurt sowie die angrenzenden Orte Dittelbrunn und Sennfeld ein Jahr lang nicht betreten.
Der Grund: Alle Straftaten, im Bundeszentralregisterauszug des 19-Jährigen vermerkt sind, hat dieser in Schweinfurt verübt. Darunter etliche Diebstähle, Sachbeschädigung, Körperverletzungen, versuchter Raub, Hausfriedensbruch und zuletzt auch die "Schwarzfahrt". Künftig soll er von seiner Kleinkriminellen-Clique in Schweinfurt ferngehalten werden, die eine Jugendgerichtshelferin als "unheilige Allianz" bezeichnete.
6. Brutale Schlägerei in Obdachlosenunterkunft: Mittäter muss ins Gefängnis
Im August 2020 kommt es in einer Obdachlosenunterkunft in Haßfurt zu einer blutigen Schlägerei. Drei Männer verletzen einen Mitbewohner durch Faustschläge auf Kopf und Rücken schwer. Auch von einem möglichen Einsatz einer Eisenstange ist die Rede. Die Täter rammen den Kopf ihres Opfers gegen die Zimmerwand, schlagen ihm einen Zahn aus und brechen ihm die Nase. Nachdem der Haupttäter und ein Komplize bereits verurteilt wurden, kam es vor dem Amtsgericht Haßfurt zum Prozess gegen den dritten im Bunde.
"Das ist blanker Blödsinn, das stimmt überhaupt nicht", kommentierte der Angeklagte die von der Staatsanwältin vorgetragenen Vorwürfe am ersten Verhandlungstag. Am Ende aber verurteilte das Schöffengericht den 44-jährigen Arbeitslosen wegen gefährlicher Körperverletzung und versuchter Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten – ohne Bewährung.
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