Das Rakoczyfest steht vor der Tür. Klar, dass die Anspannung größer wird bei all denen, die am Festwochenende 28. Bis 30. Juli in Bad Kissingen an vorderster Front dabei sind. Das gilt auch für das Organisationsteam. Dieser Tage suchte man beispielsweise noch Pferde für die Kutschen und Wägen, die sich am Sonntag beim historischen Festzug durch die Straßen bewegen. Auch 2023 sind wieder knapp hundert Pferde mit von der Partie.
Die meisten Pferdehalterinnen und -halter stellen regelmäßig Tiere fürs Rakoczyfest zur Verfügung, damit all die die Könige und Dichter, Zaren und Baumeister früherer Epochen sich vom Publikum auf den Festwägen bewundern lassen können. "Man hat so seine Kontakte, man kennt sich", sagt Sabrina Hein, die seit 2014 im Orga-Team des größten Stadtfests dabei ist.
85 Pferde für 37 Gespanne
Aber es sind immerhin 37 Gespanne, für die man 85 Pferde braucht. Und nicht jeder Pferdebesitzer und jede Pferdebesitzerin haben jedes Jahr Zeit zu kommen. Nach dem Aufruf des Festteams vergangene Woche ergaben sich etliche neue Kontakte, sagt Hein.
Alles in allem stammen die Pferde, die die Wägen und Kutschen ziehen, meist von weiter her, sagt Hein. So unter anderem von Pferdebesitzern und -besitzerinnen aus Würzburg, Schlüsselfeld, Bad Mergentheim, Nürnberg und Hanau. "Aus dem Landkreis Bad Kissingen ist heuer niemand dabei." Aber zu den 85 Tieren, die Festwägen ziehen, sind noch zwei Pferde aus dem Reitstall von Hans Körner (Arnshausen) sowie zehn Pferde einer historischen Stadtgarde hinzuzuzählen.
Die Besitzerinnen und Besitzer reisen gewöhnlich mit ihren Pferden am Festsonntag in der Früh an. Dann müssen sich die Tiere in der Au erst mal akklimatisieren und zur Ruhe kommen, weiß Hein. "Die Pferde sind festzugtauglich", sagt sie und meint damit, dass sie an größere Menschenmassen gewöhnt sind. Manche Tiere haben sogar schon Erfahrungen bei Riesenfesten gesammelt. Hein: "Wir hatten welche dabei, die beim Oktoberfest mitliefen."
Eine gewisse Prominenz bringen also auch die Tiere von Thomas Drechsler (Nürnberg) mit, denn er war mit seinen Pferden zum einen öfter beim Rakoczyfest, aber auch schon beim Rosenmontagszug in Köln dabei. Zum Festzug in Bad Kissingen wird er diesmal sechs Pferde für drei Gespanne mitbringen. Er hat in Nürnberg einen Kutschenhof und veranstaltet mit seinen Planwagen zahlreiche gesellige Fahrten. Auch er sagt: "Die Pferde sind an viele Menschen gewöhnt."
Am Sonntagmorgen in der Au gibt's erst noch Futter und Wasser
Der Kutschenhofbesitzer kommt dann mit den Pferden meist am Festsonntag ein paar Stunden vor dem Umzug in der Au an. "Dann gibt’s erst mal Futter und Wasser für die Tiere." Obwohl die Pferde freilich schon zu Hause vorbereitend gepflegt werden, müssen sie dann in der Au noch etwas "nachgeputzt" werden, sagt Drechsler.
Diesmal haben seine Pferde die Startnummern 11, 33 und 66 – lauter Schnapszahlen also, denen ja bekanntlich das Symbol Glück zugeschrieben wird. Na, dann kann ja beim Festzug gar nichts schiefgehen! Drechsler freut sich sowieso auf Bad Kissingen: "Es macht Spaß dort, weil der Festzug super organisiert ist."
Stuttgarter Stadtgarde präsentiert sich in Bad Kissingen
20 Mal war die Familie von Marco Zahn (Walldürn) schon mit ihren Pferden beim Rakoczyfest vertreten. Er bringt zehn Tiere mit: Zwei, nämlich Alexandra und Sisi, gehören ihm selbst, acht hat er dazu gemietet. Denn er hat für die Stadt Stuttgart eine ganze Stadtgarde zusammengestellt, erzählt er. Diese kommt nun auch zum Rakoczyfest nach Bad Kissingen.
Das Rakoczyfest ist bei den Zahns schon seit ewigen Zeiten eine Familienangelegenheit. Bereits sein Vater sei sehr lange in Bad Kissingen dabei gewesen, erzählt Zahn. Er selbst nimmt auch meist seine beiden Töchter mit. Die laufen dann im Zug neben den Gespannen her. "Denn im Ernstfall können sie die Pferde schnell beruhigen."
Auch Marco Zahns Mutter Inge (82) lässt es sich nicht nehmen, beim Rakoczyfest dabei zu sein. "Sie sorgt dafür, dass alles reibungslos läuft, reibt vor dem Festzug nochmal über das Geschirr der Pferde, schaut, dass die Tiere was trinken und wir alle was essen", beschreibt Zahn lächelnd die Fürsorge seiner Mutter.
Pferde müssen Menschentrubel gewohnt sein
Welche Eigenschaften die Tiere für einen Festzug mit tausenden Menschen mitbringen sollten? Schon im jungen Alter sollten sie mit Menschengruppen in Kontakt kommen, sagt Thomas Drechsler. Bei ihm gelinge das bei den hauseigenen Kutschenfahrten zu festlichen Anlässen, wie Hochzeiten und Junggesellenabschiede. "Da merkt man schnell, ob ein Pferd nervös veranlagt oder eben eine coole Socke ist."
Für Marco Zahn ist klar: "Die Pferde müssen Vertrauen haben." Er habe unlängst mal ein junges Pferd in ein großes Bierzelt mitgenommen. Und staunte: "Der blieb einfach stehen und war ganz ruhig."
Pferde sind von Natur aus Steppenläufer
Auch für Hans Körner, der für den Festzug nur zwei (statt üblicherweise vier) Pferde vor die historische Bad Kissinger Postkutsche spannt, ist es selbstverständlich, dass Pferde nervlich für den Menschentrubel geeignet sein, also darauf vorbereitet werden müssen. "Man kann nicht einfach ein Pferd von der Koppel holen und mit zum Festzug nehmen."
Körner weiß, wovon er spricht. Denn er ist seit 1982 beim Rakoczy-Festzug in Bad Kissingen dabei. Seit 1985 lenkt er die Postkutsche, nachdem sein Vorgänger Berthold Dürrstein ausgeschieden war. Und übrigens: Entgegen landläufiger Behauptungen von Kritikern mache die Hitze den Pferden beim Festzug gar nichts aus, sagt Körner. "Nur der Mensch ist früher Höhlenbewohner gewesen und braucht es kühler. Das Pferd ist von Natur aus ein Steppenläufer, verträgt die Hitze daher gut."