Die Zeit der Kaiserinnen und Könige ist noch lange nicht passé. Jedenfalls nicht in Bad Kissingen. Beim Festumzug am Rakoczy-Sonntag feiern jedes Jahr nicht nur bayerische Könige, wie Ludwig II. und Maximilian II. oder das österreichisch-ungarische Kaiserpaar Franz Josef I. und seine liebreizende Gemahlin Elisabeth (die in Bad Kissingen Sisi heißt) eine prachtvolle Auferstehung.
Neben zahlreichen längst verblichenen monarchischen Würdenträgern und Würdenträgerinnen sieht man auch andere berühmte Personen, wie den Reichskanzler Otto Fürst von Bismarck oder den seinerzeit angesagten Baumeister Balthasar Neumann, am Festsonntag würdevoll von ihren fahrenden Kutschen heruntergrüßen. Mit dabei sind dann lauter Persönlichkeiten, die in der Regel in Kissingen kurten. Dass der Festzug nach zwei Jahren Pandemie-Pause nun wieder stattfindet, begeistert viele Menschen.
62 glanzvolle Attraktionen kündigen Stadt und Staatsbad GmbH, laut Programm, heuer im Festzug all den Gästen an, die sich gegen 14.30 in den Straßen der Kurstadt rechtzeitig einen Platz mit guter Aussicht gesichert haben. Etwa 350 bis 400 Personen sind am Festzug selbst beteiligt, sagt der städtische Festorganisator Thomas Lutz im Gespräch mit dieser Redaktion.
Sorge wegen möglicher personeller Ausfälle
Neben Fußgruppen und Musik-Kapellen sind etwa 20 Kutschen und zwölf von Pferden gezogene Festwagen mit von der Partie. Aber ob am Sonntag wirklich alle Gespanne, wie vereinbart, dabei sein können? Lutz ist hoffnungsfroh, aber auch etwas unsicher, denn Personalausfälle wegen Corona-Erkrankungen seien nicht auszuschließen. "Stand heute sind aber alle Wagen zu 100 Prozent bestückt", sagt er am Mittwoch.
Zwei Jahre lang fand der Festzug ja nun gar nicht statt. Die Pferdegespanne zusammenzustellen, sei jetzt nicht ganz einfach gewesen, sagt Lutz. Denn manch ein Pferdehalter habe seinen Bestand reduziert oder habe nicht mehr am Festzug teilnehmen wollen. Dank Chalin Broux von der Staatsbad GmbH, die sich laut Lutz richtig reingehängt hat, sind inzwischen alle Gespanne fahrbereit.
Apropos Pferde: Welche Pferde an welchen Wagen gespannt werden können, müsse mit den Besitzerinnen und Besitzern bis ins Kleinste durchgeplant werden, sagt Lutz. Denn ein schwerer Festwagen braucht starke Pferde. Zudem müsse man beispielsweise auch darauf achten, dass die Tiere nicht aufgeregt sind, dass sie wegen der Menschenmassen am Straßenrand nicht scheuen oder daran gewöhnt sind, im Gespann zu laufen.
Pferde vor dem Festzug genau beobachten
Letzteres betrifft zum Beispiel die zwei Vierspänner-Festwagen der Staatsbad GmbH, mit dem Fürsten Férenc Rákóczi und dem bayerischen König Ludwig II. an Bord. Um beim Festzug auf Nummer sicher zu gehen, ist dann am Vormittag schon eine Tierärztin in der Au und beobachtet die Pferde, wenn sie ankommen, erklärt Lutz. Unruhige Pferde müsse man vielleicht auch mal herausnehmen
Was für ihn die schönste Kutsche ist? Natürlich sind alle sehr hübsch hergerichtet, sagt er. Die vier Landauer der Stadt Bad Kissingen hätten natürlich ihre ganz besonderen Reize. Darin sitzen am Sonntag Professor Adolph von Menzel mit Badpächter Friedrich von Hessing, sowie Balthasar Neumann mit dem Stadtphysiker Georg Anton Boxberger. In den anderen beiden Landauern nehmen Ludwig III. aus Bayern und das österreichische Kaiserpaar ein Bad in der Menge.
Dann lässt sich Lutz doch noch dazu verlocken, sein Faible zu nennen: Die vier Victoriakutschen der Stadt Bad Kissingen haben es ihm besonders angetan. Dieser Kutschen-Typ geht angeblich auf einen englischen Wagenbauer namens Cooper zurück, der dieses Gefährt 1869 anlässlich des Einzuges der britischen Königin Victoria und des Prinzen von Wales geschaffen haben soll.
Schriftsteller Theodor Fontane und Poet Viktor von Scheffel machen es sich am Sonntag in solch einem Oldtimer-Gespann gemütlich. Der italienische Komponist Gioacchino Rossini sitzt in einer anderen Victoriakutsche. Ein weiteres dieser Pferdegespanne hat Bismarck für sich gemietet und auch die deutsche Kaiserin Auguste Victoria lässt es sich nicht nehmen, in einer dieser prachtvollen Kutschen vorzufahren.
Die von der Pflege aufwändigste Kutsche ist nicht etwa die, die am hübschesten dekoriert ist. Es sind beispielsweise auch die Wagen, die noch alte Räder aus Holz haben, sagt Lutz. "Die Holzräder müssen wochenlang gewässert werden, damit sie beim Umzug rund laufen."
Der Festwagen der Staatsbad GmbH mit dem Schönbornsprudel und den ehemaligen Rosenköniginnen läuft zum Beispiel auf solchen Rädern. Der Wagen steht dann laut Lutz wochenlang in der Kurgärtnerei, wo der erfahrene Mitarbeiter Manfred Metz ständig den Wasserstand rund um die Räder im Blick hat.
Die Planungen für den Festzug laufen üblicherweise schon im Januar an. Heuer war aber erst im April klar, dass das Rakoczyfest in gewohntem Ausmaß stattfinden darf. Das sitzt den Organisatorinnen und Organisatoren jetzt tief in den Knochen, denn natürlich sind sie nun alle täglich pausenlos im Einsatz.
Aber das lohnt sich sicher. Wenn sich dann mal am Sonntag die ersten Gespanne und Fußgruppen, von der Au kommend, über die Ludwigsbrücke Richtung Stadt in Bewegung setzen, wird auch beim Organisationsteam die Anspannung langsam abfallen. Und auch die Zahl der Gäste wird für die "Macher" des Zugs ein Erfolgserlebnis sein. Lutz spricht von 30.000 Fans, die sich den Festzug jährlich am Sonntag üblicherweise ansehen.
Kleine Änderung im Verlauf des Festzugs
Da gab es in der Vergangenheit aber auch schon andere Zahlen, die Furore machten. Zum Beispiel im Jahr 2000, als das 50. Rakoczyfest gefeiert wurde. Damals schätzte man 40.000 Gäste, die am Sonntag die Straßen säumten – und hinter vorgehaltener Hand wurden noch höhere Zahlen gehandelt. Der Festzug ist dieses Jahr übrigens um eine Ecke kürzer: Von der Hemmerichstraße aus wird nicht mehr Richtung Erhardstraße abgebogen, sondern es geht gleich von dort aus in die Maxstraße (siehe Karte).
Sicher fragte sich so mancher im Vorfeld, ob das Feuerwerk am Sonntagabend wegen der aktuellen Hitze stattfinden wird. "Wir stehen in ständigem Kontakt mit den zuständigen Behörden", sagte Bruno Heynen, Rakoczy-Organisator bei der Staatsbad GmbH, noch am Mittwoch und war hoffnungsvoll, dass das Feuerwerk gezündet werden darf.
Das Feuerwerk am Sonntagabend fällt aus
Doch am Freitag ist dann alles anders: Stadt Bad Kissingen und Bayerische Staatsbad Bad Kissingen GmbH entschieden nämlich am Vormittag, dass das Feuerwerk "aus Sicherheitsgründen" ausfällt, heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung von Freitagmittag. Das Amt für ländliche Entwicklung habe eine "außergewöhnliche Trockenheit" festgestellt, heißt es weiter. Und: "Wir sind umgeben von einem einzigartigen Stadtwald. Da haben wir eine besondere Verantwortung."
Was das Highlight "Die Saale brennt" am Freitagabend gegen 21.45 Uhr angeht, so gibt es hier ein anderes Problem: Der Wasserstand der Saale ist, wegen der Trockenheit, gerade sehr niedrig, sagte Heynen. Aber es dürfte klappen, das Schwanen-Boot mit König Ludwig II. und ein weiteres Boot mit historischen Persönlichkeiten ins Wasser zu lassen und die zahlreichen schwimmenden Lichter auf die Saale aufzusetzen, zeigte Heynen sich am Mittwoch zuversichtlich. Sollte es, wider Erwarten, doch Probleme mit dem Wasserstand geben, werden die historischen Persönlichkeiten dann eben zu Lande an der Saale entlangflanieren.