Klimawandel, Energiewende: Die Welt hat parallel zur Corona-Pandemie fundamentale Hürden zu nehmen. Deutschland ist mittendrin und soll nach dem Willen der Bundesregierung 2045 und damit fünf Jahre früher als ursprünglich vorgesehen klimaneutral sein.
Die Energiewende mit dem Abschied von Atomstrom sowie von fossilen Energieträgern wie Kohle und Öl hat große Schnittmengen mit dem Kampf gegen den Klimawandel. Wind- und Wasserkraft, Biogas und Sonnenenergie haben nun fundamentale Bedeutung bekommen. Es herrscht regelrecht Goldgräberstimmung.
Doch wie schon vor Jahren bei Windkraftanlagen kommt nun vermehrt bei Solarparks das Sankt-Florians-Prinzip zum Vorschein: Alle wollen grünen Strom, doch manche die Anlagen nicht vor ihrer Haustür. Auch in Mainfranken ist in jüngster Zeit immer wieder Bürgerprotest gegen die großen Solarparks in der Landschaft aufgekommen. Ein Zankapfel mit heiklen Facetten.
Darstadt bei Ochsenfurt, Oberleichtersbach im Kreis Bad Kissingen, Erlenbach in Main-Spessart, Dürrnhof und Bundorf in Rhön-Grabfeld oder Rentweinsdorf in den Haßbergen: aktuelle Beispiele für Solarparks in Mainfranken, die die Gemüter erhitzt oder in der Kommunalpolitik zumindest für Stirnrunzeln gesorgt haben. Bei allen ist gleich: Es geht vor allem um die Größe dieser sogenannten Freiflächenanlagen und damit um die Folgen für das Ortsbild sowie um den artfremden Verbrauch wertvoller Ackerflächen.
Ja und ja, sagt Belectric-Geschäftsführer Ingo Alphéus. Das Unternehmen in Kolitzheim (Lkr. Schweinfurt) baut und betreibt Solarparks in aller Welt. Für Alphéus gilt: Je größer die Anlage, desto rentabler. Mehr Kilowatt Leistung bedeute weniger Kosten pro Kilowatt. Entscheidend sei allerdings die Entfernung der Solarmodule von jener Stelle, an der der Strom ins Netz gespeist wird. Je größer diese Distanz, desto teurer der Netzanschluss. "Also muss der Solarpark schon aus diesem Grund eine gewisse Größe haben, damit sich das lohnt", so Alphéus.
Einen großen Solarpark in mehrere kleinere und verteilt aufgestellte Elemente zu zerstückeln, sei technisch machbar, rechne sich aber nicht. Denn der Aufwand beim Bau einer geteilten Anlage sei größer. Zudem müsse eine Einigung mit mehr Grundstückseigentümern erzielt werden, was die Sache verkompliziere, so Alphéus.
Wie aus verschiedenen Quellen zu hören ist, stehen Solarpark-Investoren in Mainfranken derzeit Schlange und üben mitunter großen Druck auf Rathäuser aus. Grund: Die Installation von Anlagen rentiert sich wieder mehr als früher, zumal der Umstieg auf Öko-Energie immer mehr in den Blickpunkt der Öffentlichkeit rückt. "Es kommen fast täglich Anfragen", sagt Bad Neustadts Bürgermeister Michael Werner mit Blick auf Solarparkfirmen. Auch im benachbarten Streutal häuft sich das. Um die Goldgräberstimmung und damit den gierigen Griff nach Ackerland zu kanalisieren, wollen Anrainerkommunen nun eine gemeinsame Strategie bei Solarparks festlegen.
Gerade für Landwirtinnen und Landwirte kann ein Solarpark auf dem Acker eine attraktive Geldquelle sein. Erst recht, wenn der Boden nicht der ertragreichste ist. Nach Angaben des Fachmagazins Agrarheute gibt es bis zu 3000 Euro Pacht pro Jahr und Hektar. Und das per Vertrag gesichert für mindestens 20 Jahre. Diese Pacht sei stellenweise das Zehnfache dessen, was mit der klassischen Verpachtung als Ackerland zu erzielen ist. Diese finanziellen Aussichten führen oft dazu, dass sich in den Dörfern Befürworter und Gegner von Solarparks zum Teil regelrecht anfeinden, wie zum Beispiel aus Darstadt zu hören ist.
Indem die Bürger so früh wie möglich in die Pläne für einen Solarpark eingebunden werden, ist Bad Neustadts Bürgermeister Werner überzeugt. Außerdem sollte eine Kommune den Investoren von Anfang an genaue, einheitliche Regeln für die Solarparks vorgeben.
Bad Neustadt zum Beispiel wolle lieber mehrere kleine statt nur große Anlagen. "Ich möchte mich ja an der Energiewende beteiligen", betont Werner. Er hat es aktuell mit einem umstrittenen Projekt im Stadtteil Dürrnhof zu tun.
Genossenschaftliche Beteiligung der Bürger an Solarparks schlägt der ehemalige Grüne-Bundestagsabgeordnete Hans-Josef Fell aus Hammelburg vor. Er gilt als Vordenker der Energiewende in Deutschland und rät Kommunen, eigene Klimamanagerinnen und -manager als beratende Vermittler einzuschalten.
Zu intransparent, keine verwertbaren Sicherheiten, Baurisiko bei neuen Anlagen: Finanzexpertin Judit Maertsch vom Verbraucherservice Bayern in Würzburg sieht solche Geldanlagen kritisch. Sie seien nur für risikobereite Anleger geeignet, die Verträge oft kompliziert. "Lesen Sie unbedingt die Risikohinweise im Verkaufsprospekt und nehmen Sie sie ernst", ist ihr Tipp an potenzielle Anleger. Maertsch geht von 3 bis 5 Prozent Zinsen pro Jahr bei Solarpark-Anteilen aus. Das sei zwar mehr als bei sichereren Geldanlagen. Aber: "Höhere Zinsen bedeuten immer höheres Risiko." Und: Es sei für den Laien oft schwierig zu erkennen, ob ein Investor durchweg seriös ist.
Dem hält Fell entgegen: Die Risiken bei Solarparks seien nicht anders als bei anderen Geldanlagen. Wichtiger aus seiner Sicht: Alle, die ihr Geld in grüne Anlagen investieren, förderten den Klimaschutz. Das sieht Windparkbetreiber Karsten Schuster aus Ochsenfurt ähnlich. Die finanzielle Beteiligung von Bürgern an Windkraft- und Solaranlagen sei gleichermaßen attraktiv.
Er ist eines der Hauptargumente der Solarpark-Gegner. Die bei Bundorf geplante Anlage zum Beispiel hätte eine Fläche von umgerechnet fast 170 Fußballfeldern, die bei Darstadt brächte es immerhin noch auf die Hälfte. Das sei viel zu viel und vergeude wertvolles Ackerland, war etwa die Kritik im Fall Bundorf. Dem hält das bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) in seinem "Praxis-Leitfaden für die ökologische Gestaltung von PV-Freiflächenanlagen" entgegen: Werde bislang bewirtschaftetes Ackerland für Photovoltaik (PV) genutzt, könne dies zur Artenvielfalt unter den tischförmigen Solarmodulen beitragen.
Das 70 Seiten starke LfU-Werk stammt von 2014, dient aber heute noch Kommunen wie jenen im Streutal als Empfehlung, wie mit dem Ansturm von Solarpark-Investoren umgegangen werden kann. Eine der Kernaussagen: Solche riesigen Anlagen sollten in erster Linie dort errichtet werden, wo sie das Landschaftsbild nicht stören und wo die Fläche sowieso schon von Menschenhand verändert worden ist - wie etwa auf ehemaligen Militär- oder Firmengelände, an Autobahnen oder Schienenstrecken sowie auf landwirtschaftlich uninteressanten Böden.
Außerdem muss es nicht immer Ackerland sein: Mittlerweile gibt es in Deutschland auf Seen schwimmende Solarparks. Der erste davon in Bayern wurde im vergangenen Oktober bei Dettelbach (Lkr. Kitzingen) in Betrieb genommen. Und wenn es dann doch ein Acker sein muss, dann gibt es bereits hochstehende Solarmodule, die darunter niedrig wachsende Feldfrüchte wie Kartoffeln zulassen. "Die Fachleute nennen das Agri-Photovoltaik", erläutert Belectric-Chef Ingo Alphéus. Solche Anlagen seien zwar noch "sehr teuer", könnten aber in den kommenden Jahren eine attraktive Lösung sein. Ähnlich sieht das Energie-Vordenker Fell.
Ja, sagt Fell. Für ihn sind die Pariser Klimaschutzziele nur zu erreichen, wenn hierzulande insbesondere die Sonnenenergie 20-mal mehr pro Jahr genutzt werde als heute. Um das zu schaffen, brauche es unter anderem Solarparks. Zusammen mit Windkraft würden sie künftig den größten Teil der Energieversorgung ausmachen.
Die 10H-Regelung habe in Bayern faktisch zu einem Ausbaustopp von Windkraftanlagen geführt, meint Geschäftsführer Karsten Schuster von der Volta Windkraft GmbH in Ochsenfurt. Schuster gilt als einer der Pioniere von Windnutzung im Raum Würzburg. Die 10H-Regelung legt seit sieben Jahren fest, dass eine Windkraftanlage mindestens das Zehnfache ihrer Höhe von Wohnhäusern entfernt sein muss. Für Schuster ist mit Blick darauf besonders bitter: Ein Windpark erzeuge bei gleicher Leistung mindestens doppelt so viel Strom wie ein Solarpark, bezogen auf die beanspruchte Fläche sogar das 20-Fache. Außerdem hätten Windkraftanlagen den Vorteil, dass sie auch nachts und in der dunklen Jahreszeit Strom erzeugten. Insofern sei grundsätzlich die Kombination von Energie aus Wind und Sonne wichtig.
Diese Einstellung sei eine der "größten Bremsen gegen den Klimaschutz", ist Energie-Vordenker Fell überzeugt. Wenn die Menschheit nicht "radikal umschwenkt" und den Ausbau von grüner Energiegewinnung deutlich voranbringe, dann werde sie "schon ab 2050 in eine unbeherrschbare irdische Heißzeit abgleiten".