
Man könnte meinen, es herrscht in der mainfränkischen Wirtschaft nur eitel Sonnenschein. Die Auftragsbücher sind voll, die Arbeitslosigkeit geht gegen null, die Konjunkturaussichten beruhigen (noch). Andererseits haben in den vergangenen Monaten regionale Unternehmen wie René Lezard, LHG, Bavaria Yachtbau, Gebrüder Götz, Leoni oder SKF mit Meldungen aufhorchen lassen, wonach sie in der Krise stecken oder zumindest heftig unter Druck stehen.
Wie passt das alles zusammen? Wohin steuert Mainfrankens Wirtschaft - auch mit Blick aufs globale Geschehen? Professorin Barbara Hahn, seit 2001 Lehrstuhlinhaberin für Wirtschaftsgeographie an der Uni Würzburg, hat Antworten.
Prof. Barbara Hahn: Das ist ehrlich gesagt nicht so ungewöhnlich. Es gibt immer Unternehmen, die schwächeln. Aber es werden daneben auch viele neue Unternehmen gegründet. Klar, es wird immer dann berichtet, wenn ein Unternehmen mit einer größeren Zahl von Mitarbeitern gefährdet ist oder schließt. Durch neue Unternehmen kommt aber ein Mitarbeiter nach dem anderen hinzu. Ich sehe also dieses Problem nicht so ganz.
Hahn: Das kann man nicht so leicht beantworten. Denn jedes Unternehmen steht anderen Herausforderungen gegenüber und macht deshalb vielleicht unterschiedliche Fehler. Man sollte zunächst unterscheiden zwischen dienstleistenden und produzierenden Unternehmen. Das sind sehr unterschiedliche Bereiche. Dann gibt es Unternehmen, die bei der Digitalisierung Fehler nicht erkannt haben oder zu spät eingestiegen sind.
Hahn: Ich möchte nicht über einzelne Unternehmen sprechen, weil man sie dann sehr genau untersuchen müsste. Es wäre jetzt nicht fair, auf Einzelfälle einzugehen. Bei den produzierenden Unternehmen muss man bedenken, dass sie in Wertschöpfungsketten eingebunden sind. Die Komponenten kommen vielfach aus allen Teilen der Welt, da können viele Fehler gemacht werden – zum Beispiel, wenn die Konkurrenz nicht richtig erkannt wird, wenn zu teuer eingekauft wird, wenn die Nachfrage nicht richtig eingeschätzt oder falsch investiert worden ist. Es gibt sehr viele Erklärungsansätze, warum manche Unternehmen kriseln.
Hahn: Nein, dass ist nicht seltsam, sondern ein Beweis dafür, dass es gleichzeitig schwächelnde und florierende Unternehmen gibt, die alles richtig machen. Preh ist zum Beispiel international gut aufgestellt und sehr innovativ, denn die Elekromobilität ist ein wichtiges Standbein des Unternehmens.
Hahn: Ja, natürlich. Der Handelskrieg USA/China schafft neue Ungleichgewichte im Handel. Es ist außerdem nicht auszuschließen, dass US-Präsident Trump in Kürze die Zölle für die Importe von Fahrzeugen in die USA anhebt. Damit hat er gedroht, und das wird er dann vermutlich auch machen. Das kann sehr schnell passieren. Wir haben in der Region Fahrzeugzulieferer, die werden dann darunter leiden. Die USA sind das Land, in das Deutschland die meisten Exporte liefert. Schwierig ist immer diese Ungewissheit, was passieren wird.
Hahn: Jedes Unternehmen hat etwas zu befürchten. Es gibt keine, die sagen können: Wir sind so gut aufgestellt, dass wir uns nicht weiterentwickeln müssen. Das geht nicht.
Hahn: Der Fachkräftemangel. Für die Arbeitnehmer ist er natürlich gut, weil die Löhne steigen werden. Denn wenn das Angebot an Arbeitskräften nicht sehr groß ist, werden die Arbeitgeber mehr zahlen müssen. Unter unseren Studierenden beobachte ich, dass sie schnell eine Anstellung finden – oft schon, bevor sie ihr Masterstudium abgeschlossen haben.
Hahn: Der Fachkräftemangel ist zu lösen. Wir müssen offener sein für qualifizierte ausländische Fachkräfte. Das scheint mir hier in der Region nicht immer der Fall zu sein.
Hahn: Hier steht vor allem der Einzelhandel vor ganz neuen Herausforderungen. Das Konsumentenverhalten hat sich grundlegend verändert, der Anteil der Bestellungen im Internet ist sehr stark gewachsen. Das wird die Struktur des Einzelhandels verändern. Darauf muss er sich einstellen.
Hahn: In Würzburg läuft das schon sehr gut im Vergleich zu anderen Standorten.
Hahn: Auf 8.
Hahn: Wir haben hier eine sehr geringe Arbeitslosigkeit. Uns geht es gut in Mainfranken.
- LHG: Der Lebensmittelgroßhändler in Eibelstadt bei Würzburg mit seinem Ladenkonzept "Um's Eck" meldet Anfang Mai Insolvenz an. Schon im Februar war das Unternehmen in ein Schutzschirmverfahren eingestiegen - ohne Erfolg. Selbst der Insolvenzverwalter sieht für LHG nun keine Überlebenschance.
- Gebrüder Götz: Der 80 Jahre alte Mode- und Schuhe-Händler will das Schlimmste verhindern und legt deshalb im April ein Sanierungskonzept vor. 14 Stellen werden abgebaut, die restlichen gut 400 Mitarbeiter sollen für zwei Jahre auf Teile des Gehalts verzichten. Ob das alles eine Insolvenz abwenden kann, bleibt abzuwarten. Am Mittwoch hieß es: Die Finanzierung und damit die Zukunft des 80 Jahre alten Unternehmens sei gesichert.
- Bavaria: Der Yachtbau-Betrieb in Giebelstadt bei Würzburg rutscht im April 2018 in die Insolvenz und wird im September mit damals 550 Mitarbeitern von einem Finanzinvestor übernommen. Die Rettung ist gesichert, wurde daraufhin verkündet. Doch Anfang Mai wieder eine Schreckensmeldung: 26 Beschäftigte werden entlassen. Bavaria sei trotzdem und weiterhin auf gutem Kurs, hieß es wenige Tage später.
- René Lezard: Der Modehersteller ist in der Region Sinnbild für diese krisenanfällige Branche. Das Unternehmen aus Schwarzach (Lkr. Kitzingen) ging nach einem dreimonatigen Rettungsversuch in Eigenregie im Juni 2017 in die Insolvenz. Schon Jahre zuvor hatte René Lezard gekriselt. Wie es mit dem neuen Investor langfristig weitergeht, ist ungewiss.
- SKF: Im schwedischen Wälzlagerkonzern laufen die Geschäfte gut, doch grassiert ein enormer Kostendruck. Mit der Folge, dass Mitte 2018 für den wichtigen Standort Schweinfurt die Streichung von Arbeitsplätzen erwogen wird. Dieses Vorhaben wird kurz darauf für ein Jahr verschoben. Im April schließlich einigen sich Geschäftsleitung und Betriebsrat auf ein Programm, mit dem in Schweinfurt 100 Millionen Euro pro Jahr gespart werden sollen.
- Preh: Auch der Autozulieferer aus Bad Neustadt ist unter Kostendruck geraten. Folge am Rande: Die 100-Jahr-Feier im Juli wird abgespeckt. Preh legt ein Programm zur Ausgabensenkung auf. Und das, obwohl die Auftragsbücher voll sind und die Belegschaft aufgestockt werden soll.
- Alfi: Der für seine Thermoskannen bekannte Mittelständler aus Bestenheid (Main-Tauber-Kreis) kündigt im Februar an, seine Produktion zu schließen und 50 der 130 Stellen abzubauen. Der Preiskampf und Konkurrenzdruck in der Branche hat bei Alfi die Umsätze deutlich gedrückt.
- Will: Die über Kitzingen hinaus bekannte Bäckerei-Kette hat sich offenbar finanziell übernommen und geht Anfang Mai in die vorläufige Insolvenz. 57 Beschäftigte bangen um ihren Job.
- Echter Druck: Weil das Unternehmen im Würzburger Stadtteil Heuchelhof wirtschaftlich schlecht läuft, beschließt der schwäbische Mutterkonzern Appl im September 2018 die Schließung. 66 Echter-Beschäftigte verlieren auf dem Heuchelhof ihren Job. Einige wechseln ins Echter-Werk nach Reichenberg (Lkr. Würzburg). Mit Echter verschwindet in Würzburg ein zweites Traditionshaus der Druckbranche: Schon 2016 hatte die ehemalige Universitätsdruckerei Stürtz nach wirtschaftlicher Talfahrt dicht gemacht.