Die Nachricht am Dienstag hat ein Schlaglicht auf ein einzelnes Unternehmen geworfen, im Grunde geht es aber um eine ganze Branche: Dem Modehaus Wöhrl geht es nicht gut – indes sind die Modehändler generell in sehr unruhiger See unterwegs.
Wie berichtet, hatte die Hauptversammlung der Rudolf Wöhrl AG beschlossen, mit einer Sanierung des Unternehmens in Eigenregie eine Insolvenz zu vermeiden.
Zukunft der Filialen immer noch offen
Nach wie vor ist unklar, welche Filialen der gut 80 Jahre alten Nürnberger Firma auf der Kippe stehen. Eine Entscheidung darüber falle nicht vor Ende September, sagte Sprecher Frank Elsner auf Anfrage. Sechs bis zehn Außenstellen werden wohl dicht gemacht, hieß es am Dienstag. Neues dazu gab es bis Donnerstag nicht.
Bei Wöhrl haben offenbar schon Investoren angeklopft
Sprecher Elsner ließ gegenüber unserer Redaktion durchblicken, dass bereits Investoren angeklopft haben: „Es laufen Gespräche“, Wöhrl beginne hier jetzt nicht bei null. Einzelheiten nannte Elsner nicht.
Sinkende Umsätze, steigende Verluste – das hat Wöhrl ins Schlingern gebracht. Von Managementfehlern und hausgemachten Problemen ist die Rede. Die Stimmung in dem Familienunternehmen ist offenbar schon länger schlecht: „Immer mehr Mitarbeiter fordern die Anerkennung der Tarifverträge, um nicht weiterhin für die Fehler der Unternehmensleitung persönlich büßen zu müssen“, ist in einem Blog zu Wöhrl zu lesen, den die Gewerkschaft ver.di führt.
Anleihegläubiger werden vertreten
Indes wurde bekannt, dass die Münchener Rechtsanwaltskanzlei Mattil die Interessen von Gläubigern einer 30-Millionen-Anleihe bündelt, die Wöhrl 2013 im Zusammenhang mit dem umstrittenen Kauf der nordrhein-westfälischen Modekette SinnLeffers aufgelegt hatte. Rechnet man weitere Forderungen hinzu, sieht sich Wöhrl mit Ansprüchen von 45 Millionen Euro konfrontiert, wie es am Dienstag geheißen hatte.
Für das Geschäftsjahr 2015/2016 (1. August bis 31. Juli) erwartet der Vorstand nach vorläufigen Berechnungen einen weiteren Rückgang des Konzernumsatzes von 316 auf rund 300 Millionen Euro. Der Jahresfehlbetrag werde voraussichtlich noch höher ausfallen als im Vorjahr. Damals machte Wöhrl eine Million Euro Verlust. Wöhrl ist mit solchen Herausforderungen nicht allein. „Der Markt brennt“, schrieb kürzlich das Fachblatt „Textilwirtschaft“. Vor allem die Tatsache, dass die Kunden vermehrt im Internet Kleidung kaufen, grabe dem stationären Handel das Wasser ab.
Blick in die Branche
Die Zahl der selbstständigen Textilhändler hat sich seit der Jahrtausendwende fast halbiert, schätzt der Bundesverband des deutschen Textilhandels (BTE) – von damals mehr als 35 000 auf aktuell rund 18 000 Unternehmen. Stattdessen boomen Online-Händler wie Zalando, internationale Ketten wie H&M und Textil-Discounter wie Primark oder KiK.
Im mittelständischen Modefachhandel sanken indes die Umsätze im ersten Halbjahr 2016 nach Angaben des Branchenverbandes BTE um durchschnittlich rund ein bis zwei Prozent. Eine Trendwende ist nicht in Sicht. Nach Angaben des E-Commerce-Verbandes bevh stiegen die Online-Umsätze mit Bekleidung im vergangenen Jahr um 18 Prozent auf über 10 Milliarden Euro. Davon profitieren reine Internethändler wie Amazon und Zalando, aber auch Unternehmen wie H&M oder Bonprix, die auf mehreren Kanälen verkaufen. Verlierer sind kleinere Händler, die sich kein attraktives Online-Standbein leisten können.
Wöhrl hat keinen Online-Shop: ein Unding?
Wöhrl hat keinen Online-Shop – und will so etwas offenbar auch nicht. „Unser Sortiment ist für den Internethandel nicht besonders attraktiv“, sagte Vorstandschef Andreas E. Mach. Diese Sichtweise passt nicht zur Doktrin im Handel: „Es ist wichtig, dass man digital präsent ist“, betont Volker Wedde, Unterfrankens Bezirksgeschäftsführer im Handelsverband Bayern. Online-Shops hätten auch im Modebereich eine fundamentale Bedeutung. Er empfehle Händlern, unbedingt einen Online-Vertrieb aufzubauen.
Ob Wöhrl in dieser Hinsicht doch noch einschwenkt, ließ Sprecher Elsner offen: Das hänge davon ab, was der neue Investor will. Jetzt gehe es aber erst einmal darum zu ermitteln, welche Wöhrl-Filialen defizitär sind und damit geschlossen werden müssen. Mit Informationen von dpa
Wöhrl-Filialen
Zahl der Mitarbeiter in den Wöhrl-Filialen der Region:
Würzburg (am Rathaus) 120 Würzburg (Völk, Marktplatz) 20 Schweinfurt 40 Bad Neustadt 17 Aschaffenburg 17 Bamberg 46 Insgesamt hat die Rudolf Wöhrl AG 2300 Mitarbeiter in 34 Häusern, die sich vor allem in Süd- und Ostdeutschland befinden. aug/Quelle: Wöhrl