Während der gesetzlichen Ausgangssperre war eine Journalistin in der Stadt unterwegs. Sie hat in der Öffentlichkeit feiernde Personen beobachtet, um darüber zu berichten. Es ging dabei auch um Beachtung des Infektionsschutzgesetzes. Leser aber konnten sich dabei fragen, ob die Journalistin damit nicht selbst gegen die Ausgangssperre verstößt? Darauf antworte ich ausführlich.
Blättern im Handbuch des Presserechts
Die Redaktion gab die Erklärung bereits direkt im Bericht vom 26. April, der unter der Überschrift "Würzburg: Massen feierten am Mainkai ohne Masken und Abstand" erschien: "Hinweis dieser Redaktion: Im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit ist es Redaktionsmitgliedern erlaubt, sich auch während der Ausgangssperre draußen aufzuhalten."
Das ist richtig. Dennoch habe ich habe das Gefühl, dass gerade zur Woche der Meinungsfreiheit eine nähere Erklärung für diese Ausnahme guttut. So habe ich für Sie im Handbuch des Presserechts (6. Aufl.: Ricker/Weberling) geblättert und gebe die Rechtslage mit meinen Worten wieder.
Enge Beziehung der Grundrechte
Die Tätigkeit der Journalistin ist auch während der Ausgangssperre vom Infektionsschutzgesetz (IfSG), in Paragraph 28, Punkt 2 b für ihre Berichterstattung gesichert. Diese Ausnahme von der Ausgangssperre ist zwingend notwendig. Dafür steht für Journalistinnen und Journalisten in erster Linie die Informationsfreiheit als ein wesentlicher Bestandteil der Pressefreiheit, in Artikel 5, Grundgesetz (GG). Dieser Artikel garantiert grundsätzlich aber jeder Bürgerin und jedem Bürger, sich jederzeit aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.
Und in der Befriedigung des Wissensdrangs – selbst wenn der nicht immer sichtbar ist – ist ein Uranliegen der menschlichen Natur zu sehen. Dieses führt direkt zur Menschenwürde in Artikel 1 (GG). Und weil nur informierte Menschen als politisch mündig gelten, entsteht eine enge Beziehung zum Demokratieprinzip in Artikel 20 (GG).
Allerdings sind über die Politik hinaus viele Informationen mehr notwendig, um sich aufgeklärt in der Gesellschaft behaupten zu können. Das hat Gewicht. Deshalb stellt das Grundgesetz das Grundrecht auf freie Information selbstständig und gleichwertig neben dem der Meinungsfreiheit.
Nun schränkt aber die Ausgangssperre das Grundrecht des freien Zugangs zu vielen Quellen für die Bürgerschaft ein. Es ist für sie von 22 abends bis 5 Uhr morgens nicht möglich, vor Ort zu sehen, was sich auf den Straßen zuträgt – egal ob von öffentlichem Interesse oder nicht. So ist es in dieser Zeit besonders wichtig, dass Journalisten stellvertretend unterwegs sind, um für alle berichten zu können. Diese Freiheit der Journalisten ist folglich kein persönliches Privileg, sondern sachlich gerechtfertigt.
Dass bei der journalistischen Tätigkeit die bekannten Hygieneregeln beachtet werden, ist eine Selbstverständlichkeit.
Die Informationsfreiheit
So bleiben Medien für alle Menschen als frei zugängliche Quellen erhalten. An der Verhältnismäßigkeit der Ausgangssperre mag es Zweifel geben, aber absolut unverhältnismäßig wäre es mit Sicherheit, auch die Medien über Stunden ihrer Informationsfreiheit zu berauben. Die ist der freien Presse institutionell garantiert. Darin steckt die Verpflichtung des Staates, Angehörigen der Presse die ungehinderte Betätigung zu sichern, das von der Beschaffung der Informationen bis zur Verbreitung der Nachrichten.
Anton Sahlender, Leseranwalt
Siehe auch Vereinigung der Medien-Ombudsleute.
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