
Samstagabend, 21.30 Uhr in Würzburg. Seit einigen Tagen schon herrscht in der Stadt Ausgangssperre, um 22 Uhr müssen die Menschen zu Hause sein. Doch davon ist noch nichts zu erkennen. Zwischen Alter Mainbrücke und Mainkai sind zahlreiche Passanten unterwegs. Um den nötigen Corona-Abstand zu wahren, müssen einige vom Gehsteig auf die Straße ausweichen.
Nachdem Unbekannte am Samstagmorgen die "Gemeinsam achtsam"-Schilder am Mainkai, die die Stadt Würzburg zur Corona-Prävention an stark frequentierten Plätzen aufgehängt hat, überklebt hatten, wollte sich diese Redaktion selbst ein Bild von der Lage machen.
"Lockdown-freie Party-Zone" war unter anderem zu lesen, und "hier schauen Stadt und Polizei bewusst weg!". Ein dritter Zettel sollte weiter aufklären und informierte darüber, dass am Freitagabend angeblich etwa 60 Personen "ausgelassen ihr Leben" feierten. Der Eindruck am Samstagabend? Besorgniserregend.
Wahres Paradies für Pfandsammler
Am Mainkai angekommen strömt der süßliche Geruch von Marihuana durch die Luft, es wird gegrölt und gesungen. Laute Musik ertönt aus mehreren Anlagen entlang der Promenade. Auch hier ist die Möglichkeit, Abstand zu den zahlreichenden Feiernden zu halten, so gut wie unmöglich. Auf dem Boden und den Mauern stehen Unmengen an Flaschen: Bier, Wein, Mischgetränke und Schnaps. Ein wahres Paradies für Pfandsammler, die dort unermüdlich ihre Runden drehen. "Auf uns, auf das Leben und auf Corona", ruft ein junger Mann und stößt mit seinen Freunden an.
Um 21.40 Uhr wird ein Mädchen langsam ungeduldig, sie zieht am Pulli ihrer Freundin, bittet sie, wegen der Ausgangssperre nun endlich zu gehen. Doch die Freundin reißt sich los und tanzt weiter ausgelassen zur Musik. Dem Mädchen reicht es, sie bricht alleine auf und lässt ihre Freundin zurück.

Auf einer Parkbank sitzen drei ältere Frauen. Sie stechen heraus. Schließlich ist der Großteil der feiernden Menge im jugendlichen oder jungen Erwachsenenalter. In ihren Händen halten sie Weingläser, vor ihnen auf dem Boden stehen Weinflaschen. Auch um kurz vor 22 Uhr machen sie nicht den Eindruck, aufbrechen zu wollen.
Erst nach Beginn der geltenden Ausgangssperre packen sie langsam ihre Sachen. Dass sie sich gar nicht mehr draußen aufhalten dürfen, scheint ihnen egal zu sein. "Wir sind oft hier und die Polizei habe ich noch nie gesehen", antwortet eine der Damen, auf die Frage, ob sie nicht Angst habe, kontrolliert zu werden.
Locanda-Mitarbeiterin bestätigt Corona-Party
Danielle Gelbrich ist Betriebsleiterin der Pizzeria Locanda am Alten Kranen. Sie bekommt die Situation täglich mit. "Unfassbar", ist ihre Meinung. Sobald das Wetter gut ist, herrsche dort jeden Abend die gleiche Situation. "Die Leute feiern hier in riesigen Gruppen und die Polizei und das Ordnungsamt schauen dabei nur weg", ärgert sie sich. An Abstände halte sich "so gut wie keiner" und auch Masken werden nicht getragen. "An unserer Abholstation müssen wir viele Kunden an die Maske erinnern, aber sobald sie wieder weg sind, werden die Masken abgenommen", beobachtet sie.

In regelmäßigen Abständen gehen Mitarbeitende der Locanda auf "Karton-Runde" und sammeln dabei die leeren Pizzakartons am Main wieder ein. "Dabei sind uns auch die Feiernden am Freitagabend aufgefallen", erzählt eine Mitarbeiterin. Sie bestätigt das, was auch auf den aufgehängten Zetteln behauptet wurde: Über 60 Personen haben dort gemeinsam und lautstark gefeiert, getanzt und getrunken, so die Frau.
Kein Lösungsvorschlag von Seiten der Stadt
"Am Wochenende fanden wieder Kontrollen auf der Alten Mainbrücke und im angrenzenden Umfeld statt", teilt Uwe Zimmermann, Leiter des Fachbereiches Allgemeine Bürgerdienste der Stadt, auf Anfrage mit. Lediglich in zwei Fällen musste der Kommunale Ordnungsdienst Anzeigen schreiben. "Die Menschen haben jedoch aktuell in der Innenstadt und hier insbesondere in der Außengastronomie keine Möglichkeiten, ihre Freizeit zu verbringen." Daher sei es verständlich, dass viele ihren Aufenthalt an beliebten Außenplätzen verbringen, so Zimmermann.
Sein Appell: "Auch wenn die Gesellschaft für Aerosol-Forschung in den vergangenen Tagen betont hat, dass die Corona-Infektionsgefahr im Freien sehr gering sei, so müssen und sollen in der aktuellen Lage weiterhin und unbedingt die AHA-Regeln und damit auch der Abstand eingehalten werden." Die Frage, wie eine konkrete Lösung gegen die Menschenansammlungen am Main aussehen könnte, blieb unbeantwortet.
Die Polizeiinspektion Würzburg-Stadt schreibt auf Anfrage hierzu, dass "die polizeilichen Maßnahmen immer im Lichte des Infektionsschutzes unter Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durchgeführt werden." Sofern also "illegale Corona-Partys" festgestellt werden, erfolge deren Auflösung beziehungsweise werden dabei bestehende Verstöße konsequent geahndet.
Im Stadtgebiet wurden laut Polizei am Wochenende 20 Verstöße gegen die Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung zur Anzeige gebracht. Am Mainkai erfolgten zahlreiche Belehrungen und Sensibilisierungen. Zu Ordnungswidrigkeitenanzeigen kam es dabei jedoch nicht.
Auch nach der Ausgangssperre sind Menschen unterwegs
Mit Beginn der Ausgangssperre um 22 Uhr leert sich am Samstagabend langsam wieder die Promenade. Die Menschen packen ihre Sachen und machen sich auf den Nachhauseweg. Die leeren Flaschen lassen sie dabei zurück. Vereinzelte Gruppen bleiben weiter sitzen – versteckt im Dunkeln und mit leise gedrehter Musik. Die Straßen in der Innenstadt gehören jetzt ganz den Essens-Boten, die in bunter Kleidung und mit klobigen Rucksäcken auf Fahrrädern unterwegs sind. Und dennoch: auch sie müssen noch vielerorts den Feierenden ausweichen.
Hinweis dieser Redaktion: Im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit ist es Redaktionsmitgliedern erlaubt, sich auch während der Ausgangssperre draußen aufzuhalten.
Holt sie nicht nachhause,
Bleibt weg von den Coronaschleudern,
Und vor allem nicht aus einem Urlaubsland, da sind ja die Eltern....
Und Ihr wisst nicht, was Ihr nicht getan habt.
Eure Kinder zu selbstbewussten, selbstverantwortlichen Erwachsenen zu begleiten😀
Das ist das einzige das mir zu den ganzen Kommentaren einfällt.
Sollte sich jemanden auf den Schlips getreten fühlen, kann derjenige sich mit mir auseinander setzen.
Fazit: es wird mit zweierlei Maß gemessen und bei der Häufigkeit der Verstöße gegen die Corona-Schutzmaßnahmen kann es nur so sein, daß es eine Weisung "von oben" gibt. Das ist eine Schande und eine erhebliche Verletzung der Dienstpflicht.
Gastronomen wird es verboten, Gäste zu bewirten, Einzelhändlern müssen ihre Betriebe schliessen, Künstlern droht die komplette Existenzvernichtung. Warum? Weil sie sich an die Bestimmungen halten. Und das spaßwütige Partyvolk? Feiert ohne Rücksicht auf Verluste unter den Augen des Gesetzes, denn die Einsatzfahrzeuge fahren dort stets und ständig vorbei.
Ich kann es gut vertehen, wenn man sich als verantwortungsvolle(r) Bürger(in) komplett vera*scht fühlt.
Abgesehen von Chaos und Müll - wenn 14000 ins Stadion dürfen???
Hört sich für mich nach BILD an. Auch ohne den Begriff ist klar, dass die Party illegal war.
So schön das Leben und die Geselligkeit an alter Mainbrücke und Mainkai ist, so sehr werden dabei auch jeglicher Schutz und Abstand vergessen und außer Acht gelassen … häufig eher selbst hingenommen als absichtlich missachtet. Der Effekt ist der gleiche. Schuld ist hier klipp und klar unser OB (und „die Stadt“) der sich immer gerade „die Schuhe zubindet“, wenn er in der Pflicht wäre.