zurück
LESERANWALT
Leseranwalt: Diese Zeitung muss besser werden - das gilt schon immer!
Ein treuer Leser erinnert an Redakteure von früher und vermisst Beiträge wie ihre heute. Im Rat, die Zeitung abzubestellen, übersieht er hohe Werte, meint Anton Sahlender.
 Ein Bild aus vergangenen Tagen: Hans Heer 1984 unterwegs als Bildberichter. War die Zeitung damals besser? Ein Leser meint das und nennt beispielhaft auch den Würzburger Fotografen. 
Foto: Archiv  Volksblatt/Main-Post |  Ein Bild aus vergangenen Tagen: Hans Heer 1984 unterwegs als Bildberichter. War die Zeitung damals besser? Ein Leser meint das und nennt beispielhaft auch den Würzburger Fotografen. 
Anton Sahlender
Anton Sahlender
 |  aktualisiert: 04.10.2024 18:00 Uhr

War diese Zeitung früher besser? Eine deutliche Antwort gibt mir Herr R.S., der darauf verweist, sie seit seinem Studium in den Sechziger Jahren zu lesen. So erinnert er an Adolf Köster, der damals noch lesenswerte Leitartikel im Volksblatt geschrieben habe, an Hans Heer, der ebenfalls im Volksblatt aussagestarke Bilder geliefert habe. Und an Hans Behr von der Main-Post, der mit spitzer Feder professionelle Würzburger Nachrichten geliefert habe. Das vermisst er heute.

Leser R.S.: Inhalt, so peinlich und dünn wie das Papier

Auch ansprechende Theaterkritiken habe es zu jener Zeit gegeben, als diese Zeitung noch Niveau gehabt habe, resümiert ein nunmehr enttäuschter R.S.. Peinlich und so dünn wie das Papier, so gerate in letzter Zeit nämlich ihr Inhalt. Das erkenne er auch an "überdimensionalen Bildern". Immerhin räumt der Leser noch ein, das könne Folge von wirtschaftlichem Druck sein.

Die Nostalgie von R.S., die erreicht auch mich. Denn seit 1971 wirke ich an dieser Zeitung mit. Die gelobten Redakteure, die habe ich noch persönlich als Kollegen gekannt. Selbst wenn es mich nun sehr betrübt, wie düster Herr R.S. das Heute für diese Zeitung zeichnet: als seine Meinung respektiere ich auch das.

Wahr bleibt jedoch auch: Beiträge von Kolleginnen und Kollegen, auch die der genannten, fanden zu ihrer Zeit ebenfalls Kritiker. Vergleiche mit früher gab es allemal. Die Ausnahme: Für Hans Heers kreative Fotos fielen sogar die meist positiv aus.

Kommunikation und Technik im gravierenden Wandel

Angekommen in den Zwanzigern der Gegenwart, unterscheidet sich meine Leseranwalt-Perspektive auf die Tageszeitung von der des Lesers R.S. besonders. Denn es ist doch nicht nur für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieses Mediums erlebbar: Die Kommunikation und ihre technischen Wege haben sich seit den Achtzigern des vergangenen Jahrhunderts weltweit gravierend verändert, dabei haben sich die Übermittlung und die Präsentationen von Nachrichten und Kommentierungen extrem beschleunigt.

Tageszeitungen konnten sich dem Wandel in den letzten Jahrzehnten schon ob schwierig gewordener wirtschaftlicher Bedingungen nie entziehen. Nun bewegen sie sich vorsichtig in das Feld der künstlichen Intelligenz (KI) hinein. Auf der Höhe der Zeit zu bleiben, ist für sie existenziell. Oft war das hier mein Thema.

Abbestellen? Was wirklich betroffen macht

So maile ich dem unzufriedenen Leser als Antwort auf dessen abschließende, nun in seine familiäre Zukunft gerichteten Ansagen zurück: ""Lieber Herr R.S., trotz Ihrer Enttäuschung wollen Sie diese Zeitung behalten. Meine Freude darüber verliert sich allerdings, weil Sie zugleich ankündigen: 'Auf der To-do-Liste für meine Kinder steht ganz oben: Main-Post abbestellen!'"

Dass dieser Abschied von der Tageszeitung ohne solches Zutun passieren kann, sagen leider Statistiken. Sogar die Marktforschung des Zeitungsmarketings (ZMG) erkennt ihre weiter alternde Leserschaft. Wirklich betroffen macht aber R.S. damit, dass er erwachsen gewordenen Kindern noch auflisten will, was sie zu tun haben. Wo bleibt da sein Vertrauen?

Dabei übersieht er überdies hohe Werte. Erstens, dass lokale Tageszeitungen, dort wo es sie auch noch in Papier gibt, Demokratie und Freiheit stützen. Probleme für die politische Teilhabe der Menschen wachsen, wenn lokale journalistische Medien wie in Regionen der USA ganz verschwunden sind.

Zweitens: Eine wehrhafte demokratische Gesellschaft wird stärker durch seriös informierte Menschen, die darin eigenverantwortlich interagieren können. Die Grundlagen dafür müssten in Elternhaus, Schule und sozialer Umgebung gelegt worden sein. Darauf sollte nicht nur Herr R.S. vertrauen können. 

Ich gebe mein über sechs Jahrzehnte gewachsenes Vertrauen weiter

Was einstige Kollegen wie Köster, Heer und Behr, die nicht mehr unter uns weilen, heute sagen würden, das weiß ich nicht. Ich bin aber so frei und gebe mein über sechs Jahrzehnte gewachsenes Vertrauen in das stets erkennbare Streben nach journalistischer Wahrhaftigkeit weiter.

Ich empfehle, informieren Sie sich aus dieser Zeitung mit ihren erkennbaren Stärken und Schwächen. Das gilt online oder gedruckt, solange es sich noch in Papier gibt. Und dabei gilt für alle ihre Erscheinungsformen weiterhin wie schon immer: Die Zeitung muss besser werden!

Lesen Sie, was der Journalistik-Professor Klaus Meier von er Katholischen Universtität Eichstätt-Ingolstadt zur Zukunft der Zeitungen schon im März 2019 veröffentlicht hat. Er geht dabei auch auf den Weg der Main-Post ein: Sie stecke den Schwerpunkt ihrer redaktionellen Tätigkeit in "profilgebende, exklusive Themen mit lokalem Bezug und Mehrwert für viele lokale Leser".

Anton Sahlender, Leseranwalt

Siehe auch Vereinigung der Medien-Ombudsleute e.V.

Frühere Leseranwalt-Kolumnen zu Entwicklung der Zeitung:

Feb. 2010: "Wachhunde der Demokratie mit Verfassungsrang"

Mai 2010: "Demokratie verpflichtet kommunale Parlamente zu öffentlichen Beratungen und Abstimmungen"

Feb. 2016: "Journalistische Wahrhaftigkeit wiegt schwerer als eine Tendenz"

April 2021: "Warum Werbung für eine Zeitung so wichtig ist"

Dez. 2022: "Wenn ein Leser die halbe Anzeigenseite vor dem Titel kritisiert"

Mai 2022: "Warum Leserinnen und Leser in eigener Sache für Zeitungen werben sollten"

Dez. 2023: "Digitale Angebote sollten auch Leser mit der Zeitung in der Hand beruhigen"

Juni 2024: "Wenn die Lokalzeitung vor Ort weniger Stimmen für die AfD bedeutet"

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Anton Sahlender
Alternative für Deutschland
Lesen
Leser
Leseranwalt
Papier
Tageszeitungen
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Jochen Freihold
    Fortsetzung;

    Natürlich auch Chefredakteure wie Paul J. Könighaus o0der Klaus M. Höynck. Allesamt journalistische Freigeister, welche in der Unabhängigkeit ihres jeweiligen Denkens und Handelns von jenem Klima getragen wurden, welche einst von Michael Meisner und Verleger Franz Josef Weixler freigeschaufelt worden waren. Ich bin froh und dankbar, dass dieser "Spirit" über Generationen hinweg aufrecht erhalten werden konnte und darum journ alistisch unabhängige Tages-, Wochen- und Lokalzeitungen nach wie vor so wertvoll macht.

    Sie sind allesamt ein unverzichtbares und täglich kontrollierbares Rückgrat unserer freiheitlich-liberalen Demokratie. Es muss alles getan werden, sie konstruktiv am Leben zu erhalten. Dem sollten auch wir als Leser uns verpflichtet fühlen und diese Erkenntnis beispielhaft auch unseren Nachkommen vermitteln. Auch wenn wir uns häufig oder zuweilen über Artikel ode Kommentare ärgern. Schließlich sind auch Journlistenkollegen immer noch Lernende - wie wir auch.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Anton Sahlender
    Danke, Herr Freihold, Sie und die von Ihnen genannten Personen sind mir natürlich noch bestens bekannt, da ich seit 1971 für die Main-Post tätig bin. Ich stimme ihren Beurteilungen im Großen und Ganzen zu, obwohl ich - wie Sie wahrscheinlich auch - zu alledem noch viel mehr zu sagen hätte.
    Anton Sahlender, Leseranwalt
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Jochen Freihold
    Vielen Dank meinerseits, lieber Herr Sahlender. Ja, Sie haben Recht, auch mir sind nach meiner spontanen Rückäußerung noch allerhand gute Namen, Positives und Kritisches eingefallen.
    Insbesondere wollte ich Sie bestärken in Ihren Ausführungen zu Leser R.S.
    Herzliche Grüße, bleiben Sie gesund und motiviert! - Jochen Freihold
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Jochen Freihold
    Lieber Herr Sahlender,

    trösten Sie sich oder lassen Sie sich trösten. Herr R.S. scheint einer jener unverbesserlichen Nostalgiker zu sein, welche vorgeben, früher sei alles besser gewesen. Solche Leute verengen ihr eigenes Sichtfeld, um sich nicht der Vielfalt an Veränderungen aussetzen zu wollen, zu müssen, die mit rasanten Fortschritten unserer modernen Welt verbunden sind. Es ist schlichtwegs Zukunftsangst. Wie bei Kindern, welche ihre Augen zukneifen, wenn Gefahr droht oder ein vermeintlich böser Wolf um die Ecke kommen könnte.

    Auch ich habe während der sechziger Jahre in Würzburg studiert und spätest seit Jahresbeginn 1971 beide Lokalzeitungen, die Main-Post und das Fränkische Volksblatt, täglich auch berufsmäßig gründlich gelesen. Da fallen mir ergänzend viele engagierte Journalisten und Bildberichter (wie man damals sagte) ein. Richard Glaab in Heimat, Sport und Landwirtschaft. Walter Röder, Georg Heußner und Silvio Galvagni als Fotografen. Max Schmidt für Kultur. Fortsetzung.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten